Knochenschnitzerin Christina Gieß testet auf dem Kunsthandwerkerinnen-Markt 2004 ihren Marktwert

Schmuckes geht durch Mark und Bein
Von Dorothée Schenk

Christina Gieß bei der Arbeit: Nach dem Schmirgeln einmal gut durchpusten und die Knochen sind entstaubt.

Christina Gieß bei der Arbeit: Nach dem Schmirgeln einmal gut durchpusten und die Knochen sind entstaubt.

Wer Knochen mit Sägen und Feilen zu Leibe rückt erweckt nicht gerade Vertrauen. Das gilt auch für Frauen. Christina Gieß ist eine solche. Dabei strahlt sie eine ansteckende Freundlichkeit aus. „Kia ora“ schallt es einem herzlich entgehen, was so viel heißt wie „Hallo“. Die Studentin der physikalischen Technik an der Fachhochschule Aachen, Abteilung Jülich entreißt vorzugsweise Röhrenknochen ihr „Innerstes“ und hängt es sich und anderen um den Hals und an die Ohren. Zum ersten Mal wagt sich die Kölnerin in Jülich mit ihrem Treiben an die Öffentlichkeit: Beim Kunsthandwerkerinnen-Markt am Samstag, 26. Juni, von 11 bis 18 Uhr präsentiert sie die uralte Handwerkskunst aus Neuseeland, das so genannte „Bonecarving“, zu deutsch: Knochenschnitzen.

Christina Gieß ist damit nicht nur eine der ungewöhnlichen von rund 220 Beschickerinnen aus dem Bundesgebiet, sie ist auch ein Prototyp der Kunsthandwerkerin, für den die Gleichstellungsbeauftragte diesen Markt vor elf Jahren initiiert hat. Sich ausprobieren, einmal mit dem eigenen Können an die Öffentlichkeit treten und abschätzen lernen: Habe ich einen Marktwert? Gibt es eine Nachfrage für mein Angebot? Liegt in meinem Können eine berufliche Zukunft? diese Möglichkeit bietet der Kunsthandwerkerinnen-Markt auf dem Schlossplatz in entspannter Atmosphäre. Hier können sich Käufer, Kundinnen und Händlerinnen austauschen und in Ergänzung steht Lucia Breuer von der Existenzgründungsberatung für Frauen fachkundig zum Gespräch bereit.

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Mit Augenmaß und Liebe zum Detail feilt Christina Gieß an den Knochen um sie zu schmucken Stücken werden zu lassen.

Mit Augenmaß und Liebe zum Detail feilt Christina Gieß an den Knochen um sie zu schmucken Stücken werden zu lassen.

Gespannt auf die Resonanz etwaiger Käufer ist auch Christina Gieß. Seit vier Jahren übt die Schnitzerin ihr Handwerk aus. Am heimischen Schreibtisch – umgeben von schier unzähligen Schlümpfen, Zwergen, Herrn-der-Ringe-Figuren – entstehen die filigranen Schmuckstücke aus Knochen. Vom Besuch in Neuseeland – „da habe ich mir einen Traum erfüllt“ - brachte sie diese Kunstfertigkeit mit. Der Halbgott Maui hat aus dem magischen Kieferknochen seiner Ahnin einen kunstvollen Angelhaken geschnitzt und damit die Nordinsel Neuseelands aus dem Meer gefischt. Seither ist ein knöcherner Haken eines der vielgeschnitzten Symbole der Ureinwohner. Derer gibt es viele, und Christina Gieß hat sich in langen Recherchen kundig gemacht und auch eigene dazu erfunden. Nach ihrem eigenen Design entwirft sie Anhänger und Ohrringe. Die Ergebnisse können die Besucher des Kunsthandwerker-Marktes an ihrem Stand begucken und erwerben oder schon mal vorab einen Blick ins Internet werfen unter http://aroha.piranho.com. (tee)

„Und dann strahlt es einen an“

Der Weg zum Schmuckstück ist ein mühseliger und schweißtreibender. Der Metzger an der Ecke liefert das „Material“ schon freundlich vorbereitet, will sagen vom Rindviech den Oberschenkel-Röhrenknochen ohne die Gelenke. Trotzdem steckt noch zwei Wochen Arbeit in der Vorbereitung, bevor es zum eigentlichen Schnitzwerk kommt. Von Fleischresten befreit eine heiße Seifenlauge den Knochen, der nachfolgend mit einer Laubsäge in kleine Stücke zerlegt werden muss. Der Vorzeichnung in 2-D folgt die Übertragung nach guter Bildhauer-Manier auf das Material, aus dem mit Bohrer und Dremel die Formen erarbeitet werden. Eine runde Sache wird das Schmuckstück mit verschiedenen Schmirgelpapieren, bevor eine Auto-Metalpolitur den letzten Glanz verleiht. „Und dann strahlt es einen an“, strahlt auch Schnitzerin Christina Gieß. Zwischen 20 und 30 Euro kostet ein solches Schmuckstück.

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