Rödinger Landsynagoge wächst zum Kulturhaus und Museum
Von Dorothée Schenk [07.09.2009, 12.12 Uhr]

Eine wichtige Zeitzeugin für Projektleiterin Monika Grübel (l) ist die Urenkelin der Familie Ullmann: Ellen Eliel-Wallach. Ein Film-Interview ist Bestandteil der Ausstellung in Rödingen.

Eine wichtige Zeitzeugin für Projektleiterin Monika Grübel (l) ist die Urenkelin der Familie Ullmann: Ellen Eliel-Wallach. Ein Film-Interview ist Bestandteil der Ausstellung in Rödingen.

80 bis 90 Prozent aller Juden lebten seit ihrer Vertreibung aus den Städten im Spätmittelalter auf dem Land. Diesem Landjudentum, ihrer Geschichte und Entwicklung widmet sich das neu eröffnete LVR-Kulturhaus Landsynagoge Rödingen.

Einem Schulprojekt in den 1980er Jahren ist es zu verdanken, dass das Vorsteherhaus der Familie Ullmann mit der Synagoge in Rödingen bei Titz wiederentdeckt wurde. Nachdem es der Landschaftsverband Rheinland 1999 kaufte, sanierte ein Team um Projektleiterin Monika Grübel zehn Jahre lang das Haus, sicherte Spuren und richtete in dem einst maroden Gemäuer ein sicher einzigartiges Museum ein, dass die Geschichte jüdischer Landjuden erlebbar macht. Der Glücksfall war, dass das Haus am Mühlenend 1 seit rund 170 Jahren unverändert erhalten ist und so Lebens- und Glaubensweise authentisch erzählt werden können. Ein weiterer Glückfall ist, dass die Urenkelin der Familie Ullmann, Ellen Eliel-Wallach, noch lebt, und sie einiges aus eigenem Erleben von der „Tante mit der Synagoge im Hof“ erzählen konnte.

So ergeben familiäre Spuren – etwa sichtbar gemachte Befestigungen der Mesusot, der Rolle für Bibelsprüche an jedem Türpfosten, freigelegte Bemalungen, die wiederhergerichtete „koschere“ Küche und Tischdecken aus dem Familienbesitz – zusammen mit vielen zusammengetragenen Original-Dokumenten und Ritualgegenständen ein geschlossenes Bild. Besonders stolz ist Projektleiterin Grübel auf den zierlich bestickten Wimpel des Mosche Spanier aus dem 18. Jahrhundert, den eine Bielfelder Familie dem Museum schenkte. Wimpel werden aus der Beschneidungswindel gefertigt, enthalten Lebensdaten und Lebenswünsche für den Neugeborenen. In Rödingen soll es einem Ausstellungskatalog von 1925 zufolge acht solcher Wimpel geben haben. Sie gingen im Krieg verloren.

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Um Veranstaltungen und das museumspädagogische Programm anzubieten, ist das Ensemble Vorsteherhaus und Synagoge um Wirtschafts- und Sanitärräume als Nebengebäude erweitert worden.

Um Veranstaltungen und das museumspädagogische Programm anzubieten, ist das Ensemble Vorsteherhaus und Synagoge um Wirtschafts- und Sanitärräume als Nebengebäude erweitert worden.

Ebenfalls ein Schmuckstück ist der reich verzierte Tora-Zeiger, der zum Lesen in der Tora-Rolle benutzt wird. Hier müssen sich die Ausstellungsbesucher nicht nur auf ihre Augen verlassen: Mittels Audio-Führer können sie sich vom Kölner Rabbi ebendie gezeigte Tora-Stelle im typischen „Gesang“ vortragen lassen. Überhaupt ist das Museum für alle Sinne geschaffen: Filmbeiträge – mit einem Interview der Urenkelin Ellen Eliel-Wallach etwa oder von den Restaurierungsarbeiten – können bei Bedarf abgerufen werden und der Audioführer hat zu den erläuternden Schrifttafeln an der Wand interessante Hintergrundinformationen parat.

Kostenlose Führungen zum Tag des offenen Denkmals

Vervollständigt wird die Geschichte durch die Synagoge, sie gibt dem Rödinger Ensemble sein Alleinstellungsmerkmal. Es ist die einzig vollständig erhaltene Landsynagoge im Großraum Düren-Aachen. Unangetastet überstanden die Thoranische, Aufhängungen für Lampen und – am spektakulärsten – die Frauenempore die Wirren der Zeit. Der Nach-Eigentümer, ein Schausteller, hatte in der Synagoge seine Werkstatt eingerichtet, und nutzte die Empore als Stauraum.

Ziel des Landschaftsverbandes Rheinland ist es nun, das Kulturhaus Landsynagoge einerseits durch Veranstaltungen zu beleben, andererseits durch ein museumspädagogischen Programm. Kostenlose Führungen werden zum ersten offiziellen Öffnungstag, am Tag des offenen Denkmals, 13. September, angeboten.

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