Interview mit Monika Grübel, Judaistin und Leiterin des Projektes zur Erhaltung der Rödinger Synagoge
Der „lange Atem“, um Interesse zu wecken
Von Dorothée Schenk [10.10.2006, 08.00 Uhr]
![]() Monika Grübel weiß in der Landsynagoge Rödingen inzwischen, was hinter allen Türen versteckt ist - hier der Brunnenschacht. |
Die Geschichte und Geschichten von Menschen jüdischen Glaubens sind im Jülicher Land durch viel Engagement lebendig geblieben. Ein sichtbares Zeichen ist das Mahnmal auf dem Propst-Bechte-Platz. Ländlich, aber keineswegs im Dornröschenschlaf versunken, ist auch die ehemalige Synagoge in Rödingen, die der Landschaftsverband Rheinland erworben hat, um sie zu retten und für die nachfolgenden Generationen zu sichern. Auch zur gestern begonnenen jüdischen Woche wird es dort eine Veranstaltung geben. Monika Grübel vom Landschaftsverband Rheinland und Projektleiterin in Rödingen erzählte Dorothée Schenk von den aktuellen Entwicklungen.
Wie sind Sie mit der Unterstützung für das Projekt „Erhalt der Rödinger Synagoge“ zurfrieden?
Grübel: Vor Ort erfahre ich viel Hilfe durch die Politik, sei es von Seiten des Ortsvorstehers Bert Hermanns oder des Bürgermeisters Josef Nüßer. Es sind oft so alltägliche Dinge, die sind aber so wichtig. Beispielsweise, ob wir den Toilettenwagen der Gemeinde bei Großveranstaltungen nutzen dürfen. Das sind Kooperationen, die wichtig sind und auf die wir als Landschaftsverband angewiesen sind. So haben engagierte Leute vor Ort den Förderverein gegründet, dem ich natürlich auch als Mitglied angehöre. Wir sind noch ein ganz junger Verein, gegründet am 9. Dezember letzten Jahres, und könnten natürlich noch mehr Mitglieder brauchen. Mir ist der § 7 unserer Vereinssatzung wichtig, in dem festgelegt ist, dass ein Ver-treter der Schulen in der Region kostenfrei Mitglied sein kann. Es ist eine Einladung an Schulen, das Thema nicht abstrakt zu sehen, sondern hier - vor der Nase - jüdische Geschichte zu erfahren.
Die Synagoge soll zur Begegnungsstätte werden. Wie weit ist das Projekt gediehen?
Vieles hängt hierbei natürlich von der Finanzierung ab. Alle notwendigen Anträge sind fristgerecht gestellt worden, um Zuschüsse z. B. aus den Landesmitteln zur Stadterneuerung zu bekommen. Ich kann da noch kein konkretes Startdatum nennen, weil über die Anträge erst im Frühjahr 2004 entschieden wird. Der Förderverein hat außerdem Kontakt zur NRW-Stiftung hergestellt, die bürgerschaftliches Engagement unterstützt. Der Landschaftsverband steht zu seinem Projekt, aber wir brauchen Mitstreiter und Unterstützer. Was der Landschaftsverband schon jetzt tut, ist Substanzsicherung, damit das Haus keinen Schaden nimmt. Bereits saniert sind der Ostgiebel im Vorsteherhaus, die Fensterläden sind aufgearbeitet und nicht unaufwändig war auch die Sicherung des Brunneninhaltes und dessen Auswertung. Diese Funde sind auf großes Interesse gestoßen und haben uns viele Besucher zum Tag des offenen Denkmals beschert.
Also greift die Nutzung als Begegnungsstätte schon jetzt und findet Zuspruch?
Wenn wir Veranstaltungen haben ist die Resonanz groß, wie jetzt auch wieder zur Jülicher Jüdischen Woche zu erwarten ist, wenn wir am Freitag die Exkursion zur Synagoge mit Filmvorführung „Die Tante mit der Synagoge im Hof“ und anschließendem Gespräch anbieten. Das gilt ebenso für den Tag des offenen Denkmals und immer dann, wenn etwas be-sonders geboten wird, wie die Präsentation der Brunnenfunde, ein Dia-Vortrag oder Konzerte. Zu den Jüdischen Kulturtagen NRW im letzten Jahr haben wir aus Köln eine Bustour „Begegnung mit dem Landjudentum“ angeboten, die eine literarische, kulinarische und musikali-sche Zeitreise durch rheinische Landsynagogen zum Thema hatte. Das Tolle war, dass wir ein Netzwerk gebildet haben mit den ehemaligen Landsynagogen in Hülchrath und Stommeln. Mit Bussen haben wir diese Fahrt an drei Sonntagen gemacht. Die positive Resonanz hat mich gefreut und überrascht.
![]() Durch diese Türe sind einst die Besucher der Landsynagoge gekommen. |
Was ist das Besondere, Anziehende an den „jüdischen Spuren“ in Rödingen?
Der Bau stammt aus der Zeit, als ein Bauboom für Landsynagogen Mitte der 19. Jahrhunderts begann. Das besondere ist, das die Rödinger Synagoge im Hinterhof des Wohnhauses erhalten geblieben ist. Das war nur durch die Umnutzung möglich, da der Schausteller, der das Haus der jüdischen Familie Ullmann kaufte, die Synagoge als Werkstatt nutzte. In Hülchrath bei Grevenbroich blieb die Synagoge zwar auch erhalten, wurde aber als Metzgerei genutzt und baulich verändert; in Süddeutschland überlebten Synagogen als Feuerwehrhäuser, in deren Mauern aber riesige Löcher für die Ausfahrten der Löschfahrzeuge gebrochen wurden. In Rödingen wurde an der Originalsubstanz fast nichts geändert, das gilt sogar für Fensterrahmen, Türklinken und die Frauenempore. Gerade die original erhaltene Frauenempore ist etwas Besonderes. Bei den anderen Landsynagogen, ich nannte schon Hülchrath und Stommeln, war sie von den späteren nichtjüdischen Eigentümern herausgerissen worden, weil sie störte...
Welche Bedeutung hat das Haus für die Menschen in der Region?
Es sind nicht nur die Menschen der Region, die wir erreichen. Eine kleine Notiz in der Kölner Presse und dann kommen die Besucher auch von dort. Beim Studium des Rödinger Gästebuches finden sich außerdem Einträge von Düsseldorfern, Aachenern und Dürenern und natürlich auch viele aus der Region. Die Bedeutung der Synagoge könnte sein, den Men-schen etwas von ihren Wurzeln zurückzugeben, die verloren gehen, ebenso wie die Kenntnis über die Religion. Obwohl es auf dem Land noch etwas anderes ist als in Köln, wo ich lebe. Ich baue auf die Nachhaltigkeit in der Zusammenarbeit mit Schulen, in denen ich vom jüdischen Leben im Dorf erzähle, welche Berufe die jüdischen Rödinger ausübten, wie die christ-lich-jüdische Nachbarschaft funktionierte und natürlich auch über die Ausübung der Religion. Dabei ergeben sich auch immer Gespräche über das jüdische Leben heute. Ich hoffe, die Schülerinnen und Schüler erfahren dabei etwas über die eigene und die andere Religion. Dazu braucht es den „langen Atem“, um das Bewusstsein und Interesse zu wecken. Ich bin mir sicher, dass wir dies gemeinsam mit unseren Partnern in der Region schaffen werden.
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