Drogenberatungsstelle Jülich droht die Schließung

Entzug ist nicht genug
Von Arne Schenk [11.03.2013, 14.47 Uhr]

Eine lange Tradition hat die Drogenberatung - auch in Jülich.

Eine lange Tradition hat die Drogenberatung - auch in Jülich.

Die Drogenberatungsstelle in Jülich sei kein Luxus, sondern eine soziale Notwendigkeit, betonte Dirk Hucko, Geschäftsführer des Caritasverbandes Düren-Jülich. Mit Unverständnis reagierte er auf die Ansage der Herzogstadt, den Zuschuss für die Stelle künftig restlos zu streichen.

Eine aktive Drogenszene auf dem Schlossplatz, von der Polizei beobachtete Umschlagplätze in Kneipen, in nahen Großstädten „anschaffende“ Schülerinnen, um Geld für ihren Konsum aufzutreiben – so sah die Jülicher Wirklichkeit Anfang der 80er Jahre aus, als die Stadt gemeinsam mit dem Kreis Düren beschloss, nach dem 1981 eröffneten Dürener Sozialpädagogischen Zentrums für Alkohol- und Drogenfragen unter Trägerschaft des Caritasverbandes 1985 eine Außenstelle in Jülich einzurichten. „Jülich war eine extreme Stadt“, erinnert sich Wilfried Pallenberg, Leiter der Drogenberatungsstelle (DROBS). „Das Suchtverhalten war hier sehr groß und auffällig.“

Damals teilten sich Kreis und Stadt an den Aufwendungen mit 60 zu 40 Prozent. Diesen Zuschuss kürzte die Stadt Jülich auf 36 Prozent. Ursprünglich habe die Stadt auch die Unterkunft in der Ellbachstraße 16 kostenlos zur Verfügung gestellt. Mittlerweile zahle die Beratungsstelle der Stadt 7.500 Euro pro Jahr an Miete. Dabei sei die Drogenberatung eigentlich eine öffentliche Aufgabe und müsse auch öffentlich übernommen werden, unterstreich Thomas Müller, Vorsitzender des Caritasverbandes Düren-Jülich.

„Die Fraktionen waren offenbar nicht gut informiert“, meint Dirk Hucko, „woher auch, sie haben nicht mit uns geredet.“ Denn im Gegensatz zu Statements in den Gremien wie dem Ausschuss für Jugend, Familie, Schule und Sport, wo die Fachleute wie Wilfried Pallenberg unverständlicher wie unüblicher Weise kein Rederecht erhalten haben, kommen laut Caritas 70 Prozent der Ratsuchenden aus dem Jülicher Stadtgebiet. Allein 2012 erreichte die Stelle 349 von Sucht betroffene Menschen. Das Alter reicht von 12 bis 86 Jahren. Das Suchtproblem mit illegalen wie legalen Drogen könne also jeden in Mitleidenschaft ziehen.

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dem Caritasverband jegliche Möglichkeit, die Finanzierung noch einmal durchzukalkulieren. Eine hauptamtliche Kraft, die wegen des hohen Bedarfs 1990 eingerichtet wurde (zurzeit Marita Grossmann), sowie zwei jeweils einmal in der Woche unterstützende Mitarbeiter stünden dann den Klienten nicht mehr zur Verfügung. Sponsorengelder seien hart umkämpft und in dieser Höhe kaum einzutreiben. Einziger Weg, so scheint es, ist die Schließung der Beratungsstelle in Jülich. So Hucko: „Es gibt keinen Plan B.“

Keine Alternative sei für Ratsuchende die Drogenberatung in Düren, bekräftigte ein Betroffener. Das läge nicht nur daran, dass viele seiner Leidensgenossen Hartz-4-Empfänger seien und somit Schwierigkeiten hätten, das Geld für die Rurtalbahn aufzubringen. Ein zusätzliches Hindernis sei der Szenetreffpunkt am Bahnhof, den sie auf dem Weg zur Beratung passieren müssten.

Die Hilfe vor Ort sei auch für seine 17-jährige Tochter sehr wichtig, erzählte ein Vater. Dann könne sie zwischen schulischen Terminen auch mal mit dem Fahrrad dort vorbei fahren. Ein 18-Jähriger wiederum berichtete von seiner Wiedereingliederung in die Gesellschaft mit nachgeholtem Abschluss und Ausbildungsstelle, nachdem er zuvor sowohl Real- wie Hauptschule abgebrochen habe. Dies sei nur mit Hilfe der Beratungsstelle möglich gewesen.

Die Gespräche mit Marita Grossmann hätten sie zum Nachdenken gezwungen, erklärte eine ältere Betroffene. „Nur mit dem Entzug in der Klinik ist es nicht getan.“ Die eigentliche Aufarbeitung geschehe hinterher. Wenn die Integration nicht mehr so gut laufe wie bislang, gehören auffällige Suchtkranke womöglich künftig zum Erscheinungsbild der Stadt.

Denn derzeit überschwemmten synthetische Drogen massiv den deutschen Markt, verwies Thomas Müller auf den Jahresbericht des Drogenbeauftragten der Bundesregierung im November 2012. Eine erhöhte Beschaffungskriminalität inklusive Einbrüchen wären durchaus denkbar. Daher warnte Pallenberg: „Wenn man die Beratungsstelle morgen zumacht, dann lässt sich das nicht schnell wieder wachküssen.“

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