Mehr Zivilcourage
Von Dorothée Schenk [01.03.2017, 07.54 Uhr]
Es gehört Zivilcourage dazu, Kritik zu üben an einer Preisverleihung, die Zivilcourage auszeichnet und sich gegen das Vergessen der Greueltaten der Nazis positioniert. Toleranz – so die Namensergänzung der veranstaltenden Jülicher Gesellschaft – gehört dazu, um auszuhalten, wenn von vier zu Ehrenden drei als Nebenprodukt behandelt werden und der einzige, durchaus nicht unumstrittene Ausgezeichnete vom Laudator eine Würdigung erfährt, die nicht nur einige Menschen befremden dürfte.
Unbestritten ist es ehrenwert, Projekte in der Heimatstadt durch Engagement – finanzielles, amtliches und ehrenamtliches oder als Dienstleistung – zu unterstützen. Das Engagement der Preisträger erfordert aber keine Zivilcourage. Es ist eine bewusste Unterstützung einer guten Sache, von der Erkenntnis getragen, dass Erinnerung und Mahnung wichtig sind. Es erforderte keinen Mut, Gesicht zu zeigen für Toleranz, für eine Haltung, die für die Gleichheit und Menschlichkeit eintritt. Das aber genau bedingt Zivilcourage.
Seit 2006 zeichnet die Jülicher Gesellschaft die Jugendlichen aus, die als Firmlinge, Konfirmanden und Schüler an den Gedenkveranstaltungen zum 9. November beteiligt sind oder Konzentrationslager besuchen. Damit hat der Preis für Zivilcourage inzwischen etwas Inflationäres, dem das Besondere genommen ist. Anerkennenswerter wäre es, wenn sich die Vereinsspitze die Mühe machte, tatsächliche Einsätze für Toleranz und Zivilcourage auszuzeichnen, wie etwa die ausgezeichnete eigeninitiative „Aktion gegen rechts“ der Jülicher Jusos, das Filmprojekt der Zitadelle für die Youcee-Konferenz in Arnheim oder das szenische Denkstück der Realschüler aus Aldenhoven. Diese Art der Würdigung wie 2015 sollte aber die Regel sein und nicht die Ausnahme.
Gut und richtig ist es, Zivilcourage auszuzeichnen. Die Preisvergabe sollte kein Selbstzweck zur Darstellung des Vereins sein. Sie sollte – wie es Festredner Dr. Clement wortgewaltig in den aktuellen Zusammenhang brachte – tatsächlich eine wichtige, sicht- und spürbare Zivilcourage auszeichnen. Ein Zeichen, das nicht nur im Hinblick auf das Gedenken an die jüdischen Opfer des Dritten Reiches einen Wert hat, sondern in die Zukunft weist und wirklichen Vorbildcharakter hat. Ansonsten ist die Preisvergabe Makulatur.
Lesen Sie hierzu Auf "schrillen Weckruf" hören
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