Überraschung im Haushaltsbeschluss 2007

FDP-Chef geht Jülicher Museum an die Substanz
Von Dorothée Schenk [25.05.2007, 15.17 Uhr]

Mit schlichtem Unverständnis und Entsetzen ist die Nachricht bei Museumsleiter Marcell Perse angekommen: Im laufenden Jahr wird er zehn Prozent seines – natürlich Mitte des Jahres bereits fest verplanten und zum Teil schon ausgegebenen – Etats verlieren. So ist es am Mittwoch, 23. Mai, in der Stadtratssitzung bei der Verabschiedung des Haushaltes 2007 durch die Politik beschlossen worden. Völlig unvorbereitet trifft diese Kürzung, die auf keiner Tagesordnung als Diskussionspunkt aufgeführt oder bislang öffentlich im Gespräch war.

Museum braucht Publikum: Über 10.000 Menschen kommen jährlich um sich im Kulturhaus am Hexenturm und der Zitadelle Jülichs Schätze der Vergangenheit anzusehen.

Museum braucht Publikum: Über 10.000 Menschen kommen jährlich um sich im Kulturhaus am Hexenturm und der Zitadelle Jülichs Schätze der Vergangenheit anzusehen.

Verursacht hat diese offenbar nicht nur für das Museum überraschende und unvorhersehbare Kürzung Claus-Hinrich Neuenhoff in der jüngsten Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses der Stadt Jülich am 15. Mai. Als die politischen Vertreter bereits vor der Abstimmung und Beschlussempfehlung für die Ratssitzung waren, hob der FDP-Chef Hand, Stimme und die Forderung zur zehnprozentigen Kürzung des Museumsetats – um ein Zeichen zu setzen. Und die politische Mehrheit folgte ihm, wie die Verwaltung völlig überrascht zur Kenntnis nehmen musste. Eine Intervention von Bürgermeister Stommel und dem ersten Beigeordneten Martin Schulz verhallten trotz intensiver Diskussion ungehört.

Wenn von rund 111.000 Euro 11.000 wegfallen klingt das für Unbeteiligte nach einer großen Einsparung und so, als wäre mit 100.000 Euro das Museum Jülich immer noch gut ausgestattet. Dabei sollte man vorab wissen, dass die Stadt mit ihrem Zuschussvorschlag bereits unter dem Ansatz der Forderungen durch das Haushaltssicherungskonzept geblieben war.

Was den Museumsleiter Perse aber am stärksten trifft, ist die Tatsache, dass es sich bei seinem Etat überwiegend um Fixkosten handelt. Den größten Teil – nämlich rund 80.000 Euro – machen fixe Kosten seines Arbeitsplatzes und Büros aus. Damit ist also in der Realität ein großer Teil seines Haushaltsgeldes festgelegt, mit dem unter anderem Ausstellungen und Präsentationen bestritten werden. Das Museum als Anziehungspunkt in Jülich bringt jährlich über 10.000 Menschen in die Stadt „die hier auch einkaufen und Kaffee trinken“, wie Perse unterstreicht. Zusätzlich hat das Museum vom Land NRW für die Übernahme des Museumsbetriebes in der Zitadelle einen jährlichen Betrag von über 170.000 Euro Landesmittel erarbeitet, die als Aufträge an Unternehmen und Personen in Jülich vergeben werden. Zehn Menschen sind bis heute durch das Museum Zitadelle in Arbeit. „Dafür bekäme ich in der freien Wirtschaft schlicht den Innovationspreise“, macht Marcell Perse seinem Unmut sarkastisch Luft.

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Kann es kaum fassen, dass ihn völlig unvorbereitet die Etatkürzung ereilte: Marcell Perse mit dem Haushaltsplan 2007.

Kann es kaum fassen, dass ihn völlig unvorbereitet die Etatkürzung ereilte: Marcell Perse mit dem Haushaltsplan 2007.

Bei allem persönlichen Ärger über die zwar im Lippenbekenntnis geschätzte Arbeit des Museums bei anders lautenden Fakten durch die beschlossene Kürzung stehen im Fordergrund die Konsequenzen: Das Museum ist ein fragiles System mit zwei Finanzierungen. Landesmittel gibt es für Denkmal und Museum Zitadelle, städtische Gelder fließen in das Ausstellungsprogramm und die Betreuung der Museumssammlung. Denkmal und Veranstaltungsprogramm müssen zusammenwirken um beim Besucher anzukommen.

Bei zusätzlichen Förderprogrammen für die Museums- und Ausstellungsarbeit gibt es so viel Geld, wie auch die Stadt anteilig bereit ist, auf den Tisch zu legen. Gerade jetzt stehen viele Projekte an, für die bereits Landesmittel gewährt werden oder in Aussicht gestellt sind und das, weil sich das Jülicher Museum bis 2010 schon gut aufgestellt hat. Im Herbst startet zum 200. Geburtstags Johann Wilhelm Schirmers ein Ausstellungsprojekt, das bis in die Regionale 2010 strahlt. Gleiches gilt für das Projekt „Römerstraßen NRW“. Erster Start ist zur Euregionalen 2008, die Weiterentwicklung wird bis 2010 erfolgen. Bereits in trockenen Tüchern ist die Beteiligung zur Ausstellung „Renaissance am Rhein“ , in deren Mittelpunkt das Ende des Herrscherhauses Jülich-Kleve-Berg steht. Das Stadtgeschichtliche Museum Jülich hat einen derart hohen Ruf außerhalb der Stadtgrenzen, dass der Kurator dieses NRW-weiten Projektes vom Rheinischen Landesmuseum Bonn in Jülich angefordert wurde.

Sparpotential gibt es kaum. Über geringere Öffnungszeiten Kosten zu senken hält der Museumsleiter für wenig effektiv: Es gibt keine besucherschwachen Tage und die Zahl 10.000 Besucher ist eine „magische Grenze“, die unbedingt gehalten werden soll. Höhere Eintrittsgelder helfen dem Haushalt des Museums ebenfalls nicht auf die Sprünge. Dieser Versuch ist bereits zu „Riss im Himmel“ im Jahr 2000 gescheitert. Zwar sanken die Einnahmen nicht, aber es kam nur noch ein Bruchteil der Besucher. Das ist nicht im Sinne von Marcell Perse. „Hauptziel eines Museums ist es, Menschen zu erreichen.“

Claus-Hinrich Neuenhoff war für eine Rückfrage nicht erreichbar. Er war bereits, wie aus der Stadtverwaltung zu erfahren war, in den Urlaub abgereist.

Lesen Sie hierzu einen persönlichen Aufruf von Marcell Perse


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