Interview mit Katarina Esser, Gleichstellungsbeauftragte und Leiterin des Amtes für Kinder, Jugend und Sozialplanung

20 Jahre große gesellschaftlichen Themen im Blick
Von Dorothée Schenk [29.08.2006, 10.52 Uhr]

Die Zeiten ändern sich – die Aufgabenfelder und das Arbeitspensum mit ihnen: Vor 20 Jahren wurde die Stabsstelle für Gleichstellung und Sozialplanung in Jülich aus der Taufe gehoben. Mit einem Dankeschön-Fest beging Katarina Esser, seit 15 Jahren an der Spitze des Amtes, das Jubiläum. Im Interview wirft sie den Blick zurück und in die Zukunft.

Katarina Esser steht seit 15 Jahren an der Spitze der Stabsstelle für Gleichstellung und Sozialplanung.

Katarina Esser steht seit 15 Jahren an der Spitze der Stabsstelle für Gleichstellung und Sozialplanung.

Beackern Sie in der Stabsstelle noch dieselben Aufgabenfelder wie 1986?

Katarina Esser: Es kamen stetig neue Themen hinzu. Ursprünglich war es die Gleichstellung auf der einen Seite, die Sozialplanung auf der anderen Seite; dazu gehörten die Altenplanung, Planung für von Menschen mit Behinderungen und Menschen mit besonderen sozialen Bedarfen, etwa links der Rur und in der Schweizer Siedlung. Das war die Ausgangssituation vor 20 Jahren. Anfang der 90er Jahre kam der Jugendplan hinzu, Mitte der 90er der Bereich Kinder und Familie und dieser ist noch einmal verstärkt worden durch die Übernahme der städtischen Kindergärten, die aus dem Sozialamt ausgegliedert wurden. Jedes Feld in sich hat eine Eigendynamik entwickelt. 2001 kam dann Anja Laux als feste Mitarbeiterin dazu – Stichworte sind „Jugendparlament“ und „mobile Jugendeinrichtungen in den Stadtteilen“, KuBa uns Weiberfastnachtsdisco. Auch der Spielplatzbedarfsplan ist auf uns übergangen. Anfang der 90er Jahre hat eine ABM-Kraft die erste Planung erstellt und lange Zeit ist danach gearbeitet worden.

Was hat sich in der täglichen Arbeit geändert?

Katarina Esser: Die Aufgabenstellung des Amtes ist nicht nur vielfältiger, sondern auch vielschichtiger geworden. In den ersten Jahren waren wir damit beschäftigt, Infrastruktur zu schaffen oder zu ergänzen, Beratungsleistungen zur Verfügung zu stellen, zu entwickeln und zu vernetzen. Daraus haben sich zwei Stränge entwickelt: Erstens die Beteiligung von Betroffenen weiter auszubauen und nicht am grünen Tisch – also in der Verwaltung – Dinge auf den Weg zu bringen, sondern mit den Menschen zu planen. Das Beispiel Senioren ins Netz: Die Wünsche der Menschen haben sich verändert, die Lebensphase Alter hat sich ausgedehnt, weil Menschen immer früher in den „Unruhestand“ gehen und länger leben. Das klassische Angebot der Altenarbeit wurde nicht mehr in dem Maße genutzt, daher haben wir neue Begegnungsräume geschaffen und das Internet-Angebot gemacht. Gleiches gilt für die Spielplätze. Wir fragen „wie stellt ihr euch das vor“. Damit ist die Idee verbunden, sich verantwortlich zu fühlen für den Ort, an dem man lebt. Der zweite Strang wären Projekte, viel mehr, als es in der Anfangszeit waren. Es geht darum, zu tun was möglich ist und in den besten Fällen mit der Perspektive der Nachhaltigkeit. Noch einmal das Beispiel Senioren ins Netz, wo jetzt ehemalige Teilnehmer selber Kurse geben und Angebote aufrechterhalten Für derartige Vorhaben hat es auch immer wieder Projektstellen gegeben, wie im Augenblick für „Nasa“, Neue Ansätze in Schule und Arbeit. Das gesamte Amt mit dem städtischen Jugendheim und den Kindergärten ist derzeit mit 46 Menschen besetzt – angefangen haben wir mit einer Frau, nämlich Kirsten Müller-Lehnen.

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Gleichstellungsstelle, da stehen gedanklich sofort Frauen im Vordergrund. Wo bleibt der Mann in der Gleichstellung?

Katarina Esser: Gleichstellung heißt zweierlei: zum einen zielt sie auf den Ausgleich von Nachteilen, das kann spezielle Angebote zur Förderung von Frauen betreffen. Zum anderen geht es um das so genannte „Gender Mainstreaming“. So heißt die Strategie auf europäischer Ebene, die von den Nationalstaaten umgesetzt werden muss. Es geht darum, alle Maßnahmen daraufhin zu überprüfen, wie sie sich auf die Lebenswirklichkeit von Mann und Frau auswirken. Und die Politik hat dann die Aufgabe, Alternativen zu schaffen, damit Menschen die für sie richtige Entscheidung treffen können, ohne wegen ihres Geschlechts auf eine Alternative festgelegt zu sein., So kommt es auch zum verstärkten Angebot für Jungs. Etwa in Beziehung auf die Arbeitswelt ist zu sehen, dass auch Jungen eine Reflexion des eigenen Rollenverständnisses benötigen. Ich kann nur immer wieder sagen: Wir wünschen uns die Zusammenarbeit mit Männern – gerade auch im Bereich Jugend und Kinder. Beim Mädchentag z.B. gab es immer wieder den Ruf nach einem Jungentag,. Das würden wir gerne unterstützen, nur fehlen uns die Männer, die den Tag organisieren. Das gilt auch beim Thema sexueller Missbrauch. Inzwischen ist bekannt, dass auch Jungen Opfer von sexuellen Übergriffen sind. Da sind in der Beratung Männer gefragt. Wir können eine Zusammenarbeit anbieten, aber Männer sind Vorbilder für Jungen und diese Funktion können Frauen nicht ersetzen. Betreuung ist ebenfalls immer noch eine Aufgabe, die überwiegend von Frauen getan wird. Sicher ist es nicht mehr so wie vor 20 Jahren, aber die „Babypause“ für den Mann ist alles andere als die Regel, wie die Diskussion um Elternzeit und Elterngeld gezeigt hat.

Wohin führt der „Weg“ das Amt künftig in Jülich?

Katarina Esser: In den Aufgaben des Amts spiegeln sich – bis auf die Integration die großen Themen der Gesellschaft wieder.Ein großes Feld für die Zukunft ist die Förderung von Erwerbstätigkeit bei Frauen – das ist schon aus volkswirtschaftlicher Sicht wichtig. Es werden viele Stellen im Dienstleistungssektor geschaffen, wenn Frauen arbeiten. Damt ist der Bogen zur Familienpolitik gespannt. Hier ist der Ausbau von passgenauen Betreuungsplätzen wichtig, damit sich nicht die oder der Arbeitende an die Betreuung, sondern die Betreuung an die Familienbedürfnisse anpasst. Das dritte große Thema ist der demographische Wandel: Wie entwickelt sich Jülich angesichts sinkender Geburtszahlen und wachsender Zahl älterer Menschen. Das sind die drei großen Themen, die uns in den nächsten Jahren beschäftigen werden. Nein, es sind vier: den Jugendlichen einen guten Start ins Leben zu ermöglichen, so dass sie ein eigenständig finanziertes Leben führen können, fehlt noch. Dazu einen Beitrag leisten zu können, wäre mein Wunsch.

Lesen Sie hierzu: Rückblick auf 15 Jahren Gleichstellungsstelle aus der Jubiläumsbroschüre 2001


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