Interview mit Prof. Dr. Klemens Schwarzer, Vorsitzender des Vereins Solar Global
Kein Paradoxon: Eis aus Sonnenenergie
Von Arne Schenk [22.10.2005, 13.35 Uhr]
Die Lebens- und Umweltsituation in den ärmeren Ländern der Welt zu verbessern, diese Aufgabe hat sich der Verein Solar-Global gesetzt. Gegründet wurde der Verein 1992 als Nichtregierungsorganisation (NRO) oder Non-Governmental Organisation (NGO) aus dem Solar-Institut Jülich der Fachhochschule Aachen. Der Vorsitzenden, Prof. Dr. Klemens Schwarzer, erläutert Aufgabe und Zielsetzung des Vereins.
![]() Prof. Dr. Klemens Schwarzer vor dem solaren Kollektor für Prozesswärme, mit dem sich Arbeitstemperaturen zwischen 200 und 300° Celsius erreichen lassen. |
Warum wurde der Verein Solar Global gegründet?
Klemens Schwarzerr: Der Grund war einfach, wir wollten schnell und unbürokratisch in Sachen Solarenergie in Entwicklungsländern helfen können. Es fing eigentlich damit an, dass uns eine Frau einen Geldbetrag für ein Kleinprojekt in Afrika gespendet hat, und uns fragte: Kann ich eine Spendenquittung haben? Haben Sie denn keinen Verein? Daraufhin haben wir den Verein Solar Global gegründet, um die formale Grundlage für unsere Projekte zu haben.
Dann ist der Verein gewachsen, auch dadurch, dass wir die Vorteile einer Hochschule besitzen, dass wir junge engagierte Leute haben, die man nach Chile oder nach Peru schicken kann. Sie bringen natürlich auch Informationen zurück. Es ist ja wichtig, dass man die Projekte nicht am grünen Tisch macht, wo die Bedürfnisse womöglich falsch eingeschätzt werden.
An welchen Projekten sind Sie beteiligt?
Klemens Schwarzer: Die ersten Projekte in Afrika waren sehr klein und sehr individuell auf Einzelpersonen zugeschnitten. Danach führten wir ein größeres Solarkocherprojekt in Südindien durch. Wie unterstützten dort den Bau von Solarkochern und deren Einsatz in 6 Ernährungszentren für Kleinkinder. Das Projekt wurde zusammen mit der Malteser Nothilfe und der katholischen Kirche in Südindien durchgeführt. Nach Ablauf des Projektes finanzierten wir zwei Ernährungszentren noch ein weiteres Jahr. Pro Jahr beliefen sich die Lebensmittelkosten damals auf etwa 1500 Mark pro Ernährungszentrum, für zwei also 3000 DM. Später waren wir in Burkina Faso tätig, haben Solarkocher verbreitet und einen neuen Solarkochertyp auf Wunsch einer Fraueninitiative entwickelt. Dabei handelt es sich um einen zusammenklappbaren Kocher mit zwei Reflektorflügeln. Dieser Kochertyp ist unter dem Namen Papillon weitverbreitet. Zur Zeit findet ein Baukurs in Südafrika statt.
Seit vielen Jahren ist Solar Global verstärkt in Argentinien im Andenhochland (Altiplano) tätig. Schwerpunkt ist die Verbesserung der Lebens- und Umweltbedingungen der indianischen Bevölkerung durch den Einsatz angepasster Solartechniken. Das „Altiplano“, liegt in einer Höhe von etwa 3.500 Metern.
Ein Ziel von Solar Global ist es, mit Know-How zu helfen und nicht mit dem Import von Technologien. Wie kommt man vor Ort zu Materialien?
Klemens Schwarzer: In Gegensatz zu Afrika (Burkina Faso oder Mali) gestaltet sich die Materialbeschaffung in Südamerika wesentlich einfacher. Während man in Afrika auf dem Basar alle Teile suchen muß, bzw. nur gebrauchte Teile oder Materialen bekommt, fährt man in Lateinamerika in die Stadt und hat alles vorrätig. Dies erleichtert die Arbeit ungemein. Das liegt auch daran, dass in lateinamerikanischen Städten eine Industrie ist, die oft dem europäischen Niveau entspricht.
Inwieweit profitiert die westliche Zivilisation davon?
Klemens Schwarzer: Wir haben keine direkten Vorteile, was auch nicht unser Ziel ist. Wir wollen den Leuten vor Ort helfen und “Hilfe zur Selbsthilfe“ unterstützen .Wir profitieren vom Kontakt mit anderen Kulturen und helfen damit Vorurteile in unserer Gesellschaft abzubauen.
Dies vermitteln wir durch zahlreiche Informationsveranstaltungen.
Woher kommen die finanziellen Mittel?
Klemens Schwarzer: Die finanziellen Mittel kommen aus Mitgliedergeldern,Spenden und staatlicher Förderung. Andere NGOs geben uns Geld, weil sie mittlerweile gesehen haben, dass wir eine gute Arbeit machen. Viele NGOs sehen ein, dass es verkehrt ist, überall etwas Neues anzufangen, was im Sande verläuft. Es ist wichtig, dass man in nachhaltigen Strukturen arbeitet, die gefestigt sind. Viele NGOs haben dazu nicht die Möglichkeit. Wenn es ein bisschen läuft und der persönliche Kontakt abbricht, dann bricht auch alles andere wieder zusammen. Das ist bei uns nicht der Fall, weil bei uns engagierte Gruppen mitarbeiten.
Unteranderem stellen wir Anträge beim Bundesministerium für technischen Zusammenarbeit (BMZ).Diese haben einen Betrag von 120.000 Euro für die nächsten zwei Jahre bewilligt, für Solarküchen, Solarheizungen, Badehäuser und Tröpfchenbewässerung für die Rekultivierung der alten Inka-Terrasse. Zusätzlich haben wir vom Land NRW 14.500 Euro bekommen,von der Landesanstalt für Qualifizierung. Das funktioniert natürlich nur, wenn man gute Arbeit geleistet hat, sonst bekommt man das Geld nur einmal.
![]() Prof. Dr. Klemens Schwarzer vor der solaren Meerwasser-Entsalzungsanlage, die momentan auf Gran Canarai getestet wird. |
Insgesamt beträgt der Finanzrahmen für das Argentinienprojekt ca. 200.000 Euro, wobei wir 45.000 Euro finanzielle Eigenleistung aufbringen müssen. Dafür erhalten wir 20.000 Euro von der Weesbach-Stiftung aus Krefeld. Von der SNOW, einer NGO,bekommen wir10.000 Euro. Es sind aber auch andere NGOs, mit denen wir in der Vergangenheit zusammengearbeitet haben, die uns 2000 oder 3000 Euro geben, um das Projekt durchführen zu können.
Wie viel Zeit bringen Sie durchschnittlich im Jahr dafür auf?
Klemens Schwarzer: Das kann man schlecht sagen. Ich mache ja sehr viele Entwicklungsländerprojekte, auch für das Solarinstitut. Das greift ineinander .Wenn man darin engagiert ist, sieht man den zeitlichen Aufwand nicht mehr. Ich habe in Burkina Faso ein Projekt, eine solare Großbäckerei. Jetzt fahre ich wieder nach Brasilien.die Projekte vor Ort sind solare Meerwasserentsalzung, solares Kochen, aber auch solare Kühlung. So überlegen wir zum Beispiel , wie man Eis mit Solarenergie herstellen kann, Fische zu kühlen.
Aber man steckt viel Zeit hinein, oft an Wochenenden. Allein um die Projekte zu schreiben vergehen oft Wochen. Die Post muss sorgfältig beantwortet werden,Vorträge werden gehalten und vieles mehr.
Aber ich bin ja nicht alleine. Mich unterstützen der restliche Vorstand und besonders Diplomingenieur Christoph Müller,unser Fachmann im Argentinienprojekt. Er ist jemand, der zum Teil seinen Urlaub dafür opfert.
Welche Probleme gilt es dabei zu lösen, welche Arbeit kommt auf die Beteiligten zu?
Klemens Schwarzer: Die Akklimatisierung in den Anden, weil wir in etwa 4000 Metern Höhe sind. Die Luft ist unheimlich dünn. Als ich das erste Mal dort war, bin ich zu schnell hochgefahren. Man muss eigentlich bei 2500 ein bis zwei Tage akklimatisieren, das habe ich nicht gemacht. Da hatte ich enorme Luftprobleme, musste auch in eine Krankenstation gehen, ins Sauerstoffzelt, um genügend Sauerstoff zu erhalten. Ein anderes Problem: Wir müssen von einer Stadt 300 bis 400 Kilometer in die Berge fahren. Die Straßen sind meist ausgetrocknete Flussbetten. Kommt auf einmal Regen, sitzt man fest, weil die Strassen wieder zu Flüssen geworden sind.
Es gibt kaum Nahrungsmittel, man muss alles mitnehmen und sich etwas einschränken. Dazu braucht man Leute, die willig sind, in einer derartigen rauen Umgebung und extremen Klima ein solches Projekt durchzuführen. Man kann nicht einfach ins Hotel gehen, sondern man schläft dort oben in den Schulen bei Kälte, Flöhen und allem, was da ist.
Wie viele Studierende sind darin eingebunden?
Klemens Schwarzer: In unseren Projekten gehen in der Regel 1-2 Leute für 1-2 Monate in das Projektgebiet. Unterstützt werden sie von den jeweiligen Projektpartnern, das sind zum Beispiel die Gemeinden. Wir nehmen dann auch Arbeiter mit, die uns helfen und von uns bezahlt werden.
Welche Aufgaben sehen Sie in Zukunft auf sich zukommen?
Klemens Schwarzer: Wir sind angesprochen worden von den Bürgermeistern in den Nachbarregionen. Die haben gesehen, dass man mit Solarenergie sehr viel machen kann, um die Lebens- und Umweltbedingungen zu verbessern, und möchten natürlich, dass wir das auch in ihren Gemeinden machen. Wir sind von der Regionalregierung und ÖcoAndina angesprochen worden, mit ihnen 50 bis 100 Gemeindehäuser solartechnisch auszurüsten mit Heizungen beziehungsweise Kochern .
Mittlerweile liegen auch Anfragen aus den Nachbarländern Bolivien, Peru, Chile vor.
Es gibt genug zu tun. Es macht aber auch Spaß, zu sehen wie durch unsere Projektarbeit sich die Lebens- und Umweltbedingungen der Menschen im Projektgebiet positiv verändert haben.
Lesen Sie den Bericht zur Hauptversammlung von Solar Global
Mehr über Solar Global
Und zur Tagung 2005
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