Ein Jahrhundertereignis: Die Fusion Heilig Geist

Unter den Fittichen der Feuertaube
Von Dorothée Schenk [14.01.2013, 14.31 Uhr]

Jahrhundertelang waren einige der 16 Gemeinden im Jülicher Land selbstständig. Jetzt gehören sie gemeinsam unter das Dach der Pfarrei Heilig Geist. Treffend ein „Jahrhundertereignis“ nannte darum Propst Josef Wolff die Fusionsfeier in der Pfarrkirche St. Mariä Himmelfahrt, die am symbolträchtigen Tag der Taufe des Herrn bis auf den letzten Stehplatz gefüllt war.

Predigt mit Lokalkolorit und Aufruf zur Mitverantwortung: Propst Josef Wolffs erste Ansprache an seine Gemeinde.

Predigt mit Lokalkolorit und Aufruf zur Mitverantwortung: Propst Josef Wolffs erste Ansprache an seine Gemeinde.

Eigentlich gab es dreifachen Anlass zum Fest: Geburtsstunde der neuen Pfarre, Vorstellung des neuen Pastoralteams und Einführung des neuen Propstes. Entsprechend ausgiebig war das Zeremoniell, das als rund achtstündiger „Feiermarathon“ den Gästen und Gläubigen gehöriges Durchhaltevermögen abverlangte – angereichert durch vielerlei Impulse und Aktionen in Rück- und Ausblick. Beschwingt und getragen, heiter und nachdenklich, mit kritischem Blick, aber voller Aufbruchswillen war dem Anlass entsprechend das Wechselbad der Gefühle an diesem Tag.

Dass Viele sich gemeinsam auf den Weg machen wollen, das war von der ersten Minute der Messfeier an zu spüren: Hinter der großen Messdienerschar mit Kerzen und Weihrauch zogen die Gemeindevertretungen und Verbände, von Schützen, Kolping bis Pfadfinder, mit Standarten und Fahnen vor dem zehnköpfigen Pastoralteam ein. Ein imposantes Bild, das musikalisch Ausdruck in drei Projektchören fand, die Sänger aus allen Gemeinden einte. Den traditionell-majestätischen Part trug der Kirchenchor mit dem Sanctus aus der Missa breve No 7 von Charles Gounod vor, der Kinder-Projektchor untermauerte die Losung des Tages mit „Schritte wagen“ und der Chor „Neues geistliches Lied“ ergänzte mit „Neues wagen“.

Dass beim Aufbruch keiner vergessen wird, dafür will Propst Wolff als leitender Pfarrer sorgen und hatte so zu seiner „Premierenpredigt“ auch tief in die Alliterationskiste gegriffen, um von den kostbaren Koslarern und den ungünstig weitab gelegenen Güstenern bis zu den schon integrierten Schophovenern und unverzeihlich in der Aufzählung Vergessenen alle willkommen zu heißen. Dafür gab es den ersten Applaus. Bei aller Launigkeit und rheinischen Heiterkeit, die in der Bitte „Nerve behalde“ bei wachsender Anforderung und Überforderung im schwierigen ersten Jahr der Neuregelung gipfelte, stellte der erste Hirte der Pfarre Heilig Geist klar, was er von seinen Schäfchen erwartet: Christ sein.

Klingt schlicht, aber die Erwartungshaltung ist hoch: Mitverantwortung für Kirche zu übernehmen und sich der Berufung im Sinne der Taufe bewusst zu sein, steckt dahinter.

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Aufbruch unter den Fittichen der Feuertaube: Maria, Susanne und Juliana (v.l.) halten das Willkommensgeschenk der neuen Pfarre Heilig Geist.

Aufbruch unter den Fittichen der Feuertaube: Maria, Susanne und Juliana (v.l.) halten das Willkommensgeschenk der neuen Pfarre Heilig Geist.

„Ich kann nicht verstehen, wie Menschen von Kirche in der dritten Person sprechen können?“ Aus der Seele sprach Pfarrer Wolff offenbar der Gemeinde, die klatschend seinen Worten Beifall zollte. Die Feuertaube sei ein „geistreiches“ Logo der Pfarre. Es stehe für „Dynamik, Kraft und Power“ und verweise auch auf Pfingsten, ein Fest, das nicht für Stubenhocker geeignet ist. Aber: „Wir müssen unserem Patron auch die Gelegenheit geben, auf uns einzuwirken.“

Das durchaus nicht „unfallfreie“ Zusammenfinden der 16 Gemeinden thematisierte Dr. Peter Nieveler als stellvertretender Kirchenvorstand und verglich die Zeit der Vakanz und Fusionsvorbereitung mit einem Formel-1-Rennen, das bis zur letzten Sekunde spannend geblieben. Schließlich sei man beim zweijährigen Rennen nicht sicher gewesen, ob nach dem Boxenstopp alle wieder auf der Strecke wären. „Der Mann mit dem Safety-Car“, Pfarradministrator Hans-Otto von Danwitz, habe aber schließlich für Sicherheit gesorgt, auch wenn mancher Angst gehabt hätte, dass es gar kein Ziel gäbe, weil der Mann mit der Flagge fehlte. Es habe nicht daran gelegen, dass man keinen finden konnte, sondern, dass man nur den Besten wolle und den hätte man mit Pfarrer Wolff gefunden.

Lob und Zuversicht auf gemeinsam-ökumenisches Tun gab es durch Simon Diercks von der Freien Evangelischen Gemeinde und Pfarrer Horst Grothe, der Grüße der evangelischen Kirche überbrachte. Er stellte die Jahreslosung der Protestanten in den Mittelpunkt, die so trefflich zum Strukturwandel in der katholischen Kirche passe: „Wir haben keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir“. Diese gemeinsame Sehnsucht verbinde.

Gemeinsame Sehnsucht verbindet

Verbundenheit herzustellen, das gelang Barbara Biel, Ralf Cober und Petra Graff mit einer gelungenen Adaption des rheinischen Grundgesetzes auf die Fusion, zu der Toleranz (Jeder Jeck is anders), Einsicht (Et is wie et is), Vertrauen (et kütt wie et kütt), Zuversicht und konstruktive Mitarbeit (Wat wellste maache) gehöre: „Da kannst nit eenfach zookicke! Da moss jet passeere.“ Wie viel möglich ist, das war an diesem Fusionstag deutlich spürbar, an dem neben den prominent Platzierten – wozu der Posaunenchor der Protestanten, das Jugendorchester der Propsteikirche und der eigens engagierte Kirchen-Kabarettist Dieter Fender gehörten – viele Hände Ungenannter sich rührten und für Kulinarisches, Service und Kinderbetreuung sorgten. Ein gelungener Start für „Gemeinde leben“ unter den Flügeln der Feuertaube.

Lesen Sie das Interview mit Pfarrer Wolff


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