Hartz IV – Jahresbilanz

Kreis Düren: Zahl der Empfänger höher als erwartet
Von Redaktion [13.02.2006, 16.26 Uhr]

Sie präsentierten die erste Hartz IV-Jahresbilanz (v.l.): Landrat Wolfgang Spelthahn, sowie die job-com-Amtsleiter Martina Forkel und Karl-Josef Cranen. Foto: Kreis Düren

Sie präsentierten die erste Hartz IV-Jahresbilanz (v.l.): Landrat Wolfgang Spelthahn, sowie die job-com-Amtsleiter Martina Forkel und Karl-Josef Cranen. Foto: Kreis Düren

Neue organisatorische Strukturen galt es zu schaffen und die eigene Mannschaft drastisch mit geeigneten Mitarbeitern aufzustocken. Gleichzeitig war zu gewährleisten, dass Tausende hilfsbedürftige Menschen pünktlich ihre finanziellen Leistungen erhalten. Und das "Fordern und Fördern", sprich die Vermittlung von Erwerbslosen in den Arbeitsmarkt, musste auch organisiert werden - passgenau für jeden Einzelfall.

Landrat Wolfgang Spelthahn sowie die beiden job-com-Amtsleiter Martina Forkel und Karl-Josef Cranen zogen jetzt vor der Presse die erste Jahresbilanz, nannten Eckdaten und formulierten Erwartungen an die Bundesregierung. "Es ist auf jeden Fall positiv, dass wir zu den 69 Optionskommunen in Deutschland gehören", waren sich alle einig. Nur wer exakte Kenntnisse über die Region habe, seine Kunden und Unternehmen, könne passgenaue Lösungen entwickeln. Weitere Pluspunkte sind schnelle Entscheidungen, unbürokratische Handhabung.

Wie berichtet, hat der Kreis Düren 2005 bei den Unterkunftskosten für Hartz IV-Empfänger ein dickes Minus gemacht, weil der Bund die Zahl der Bedarfsgemeinschaften mit 7407 viel zu niedrig prognostiziert hatte, weswegen die Finanzdecke viel zu kurz war. Tatsächlich stieg die Zahl der Bedarfsgemeinschaften im Kreis Düren im Laufe des Jahres 2005 von 9457 auf 11337. In diesen Haushalten lebten zuletzt 13174 arbeitsfähige Arbeitslose und 7163 Sozialgeld-Empfänger - in der Regel sind das Kinder unter 15 Jahren.

"Die Fallzahlen sind explodiert. In Titz soll es auf einmal fünfmal, in Heimbach viermal mehr Bedürftige geben", zog Landrat Wolfgang Spelthahn den Vergleich zur Vor-Hartz-Ära. Die Ursache ist schnell gefunden: "Das Arbeitslosengeld II hat viele junge Leute ermuntert, von zu Hause auszuziehen, da die Allgemeinheit diese Abnabelung ohne Rücksicht auf die Vermögensverhältnisse der Eltern finanzieren muss." Ein weiterer kostspieliger Webfehler im Gesetzestext: die Handhabung der Fälle eheähnlicher Gemeinschaften. Wer vorgibt, in einer Wohnung neben- statt miteinander zu leben, kassiert doppelt. "Hier muss die Beweislast umgekehrt werden", forderte Spelthahn.

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Diese Schnitzer kamen den Kreis teuer zu stehen, da er in diesem Punkt mit eigenem Geld gefordert ist. Für die Finanzierung der Kosten für Unterkunft und Heizung Bedürftiger, an denen der Bund sich nur mit 29,1 Prozent beteiligt, zahlte der Kreis Düren im letzten Jahr 35,2 Millionen Euro, kalkuliert waren nur 31,9 Millionen. Der versprochene Nachschlag aus dem Bundeshaushalt ("Revisionsklausel") wurde kurzerhand gestrichen, was dem Kreis Düren aller Voraussicht nach ein Haushaltssicherungskonzept bescheren wird. Eine weitere Forderung betrifft die Langzeitperspektive für die derzeit 87 job-com-Mitarbeiter: Spelthahn: "Der Gesetzgeber muss endlich verlässliche Strukturen schaffen. Wer selbst in Unsicherheit lebt, kann sich nicht voll darauf konzentrieren, anderen zu helfen."

Die job-com, vormals eine kommunale gemeinnützige GmbH mit dem Ziel der Beschäftigungsförderung, startete reibungslos in die neue Ära. Die Beantragung von ALG II in den Rathäusern der 15 Kommunen und Auszahlung der Gelder gelangen auf Anhieb. "Seinen Ansprechpartner gleich vor Ort zu haben ist ein großes Stück Bürgerfreundlichkeit", strich Karl-Josef Cranen, verantwortlich für die passiven Leistungen, heraus. Über 96 Millionen Euro gab der Kreis Düren im ersten Hartz IV-Jahr unmittelbar zugunsten der Hilfebedürftigen aus; Geld, das bis auf den kommunalen Anteil an der Kosten der Unterkunft aus der Bundeskasse stammt. Neben den Kosten der Unterkunft waren Regelleistungen und Sozialgeld (38,8 Millionen Euro) und Beiträge zur Sozialversicherung (20 Millionen) die mit Abstand größten Positionen. Im Dezember 2005 gab es 14812 erwerbslose Menschen im Kreis Düren, darunter 9135 erwerbsfähige ALG II-Kunden, für die die job-com zuständig ist. Ein Viertel dieser Arbeitslosen hat relativ gute Chancen auf einen neuen Job und gilt als "Beratungskunden"; drei Viertel werden hingegen als "Betreuungskunden" eingestuft, mit denen sich die Fallmanager eingehender zu beschäftigen haben, um das immer gleiche Ziel - einen neuen Arbeitsplatz - zu erreichen.

"Da die job-com 2005 viel Aufbauarbeit leisten musste, haben die statistischen Daten noch nicht die volle Aussagekraft", erläuterte Martina Forkel, Verantwortliche für die aktivierenden Leistungen. Einige Schlaglichter: 2005 gelang es, 816 Langzeitarbeitslose zu vermitteln, darunter 80 Prozent in Beschäftigung und zehn in Ausbildung. Existenzgründungen stehen mit sieben Prozent zu Buche. Die Mitarbeiter der job-com kennen bereits 65 Prozent ihrer Kunden persönlich. Ferner suchen sie gezielt Kontakt zu den Firmen in der Region, betreiben offensive Stellenakquise. 1334 Unternehmen sind in ihrem Pool, darunter 1000 im Kreisgebiet.

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