Jülicher Flüchtlingsberatung kümmert sich um elf UMF

Über 16 Jahre alt, männlich, sucht Asyl…
Von Dorothée Schenk [20.12.2006, 14.38 Uhr]

Heike Winzenried ist Leiterin der Flüchtlingsberatung im Diakonischen Werk in Jülich.

Heike Winzenried ist Leiterin der Flüchtlingsberatung im Diakonischen Werk in Jülich.

Elf unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (UMF) im Dürener Nordkreis wurden in den vergangenen drei Jahren intensiv von Heike Winzenried betreut. Sie ist die Leiterin der Flüchtlingsberatung im Diakonischen Werk mit Sitz in Jülich. Durch ihre Initiative haben die 15- bis 18jährigen Jungen, es sind in Aldenhoven, Titz, Linnich und Jülich ausschließlich Jungen zugewiesen worden, statt eines gesetzlichen Amtsvormunds einen persönlichen Vormund bekommen. Engagierte Ehrenamtler vertreten Elternstatt, das heißt, neben der Fürsorge sind sie verantwortlich für Behördengänge ebenso wie für Arztbesuch und Schulsorgen. Das Dilemma ist, dass die Jugendlichen nach dem Bundesgesetzbuch nicht volljährig sind und damit einen rechtlichen Vertreter brauchen – asylrechtlich gesehen werden sie mit 16 Jahren aber wie Erwachsene behandelt. Das heißt: Sie können nach negativem Abschluss des Asylverfahrens jederzeit abgeschoben werden. Einen Abschiebeschutz für die Minderjährigen gibt es nicht. Oft haben die jungen Flüchtlinge keine Identitätsnachweise bei sich. Bundesbehörden schätzen dann das Alter – nicht unbedingt zum Vorteil der UMF.

Eingereist nach Deutschland, alleine, über unbekannte Kanäle, die sie auch unter intensiver Befragung nicht preisgeben, kommen diese Kinder meist aus den Kriegs- und Krisengebieten afrikanischer Länder erneut in einen „Dschungel“, den der deutschen Behörden. Unbegleitet können sie sich nicht durch das Geäst aus Vorschriften und Anträgen schlagen. Wenig Chancen haben die UMF auf auf Anerkennung, weil es oft die Eltern oder andere Verwandte sind, die ihren Nachwuchs aus Angst vor Verfolgung, dem Wehrdienst oder aus wirtschaftlicher Not auf die Reise schicken.

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Überdurchschnittlichen Erfolg hat Heike Winzenried, von deren Schützlingen zwei ein „kleines Asyl“ mit einer Aufenthaltsdauer von zunächst drei Jahren erhalten haben. Froh ist sie, dass in ihrer zehnjährigen Amtszeit noch kein Jugendlicher im Nordkreis abgeschoben worden ist, sie weiß aber, wie fragil dieses Glück ist. In einem einmaligen Fall gelang praktisch in letzter Sekunde durch das Anrufen einer Härtefallkommission, eine Abschiebung zu verhindern. Von den elf Jugendlichen sind fünf mit „Duldung“ in Deutschland – die Warteschleife unter dem Damoklesschwert der Abschiebung, der Normalzustand, wie Heike Winzenried betont –, zwei haben ein Bleiberecht aus humanitären Gründen und zwei stehen im Asylverfahren.

Die erste Hürde liegt darin, Kenntnis zu bekommen, von jugendlichen Flüchtlingen. Zwar sind die Sozialämter angewiesen, die zugewiesenen minderjährigen Flüchtlinge dem Jugendamt zu melden, aber „es wird einiges übersehen“, so Heike Winzenried. In Titz lebte ein Jugendlicher monatelang, ohne dass er betreut worden wäre. Anders als das Jugendamt, das Flüchtlingsheime nicht als allgemeine Gefährdung für Jugendliche betrachtet, ist die Leiterin der Flüchtlingsberatung überzeugt, dass die Minderjährigen in den Asylbewerberheimen nicht altersgerecht untergebracht sind. Einerseits gibt es Versuchungen durch Alkohol, Drogen und andererseits – vorsichtig formuliert – falsche Vorbilder. Es ist kein Kontakt mit Gleichaltrigen möglich, geschweige denn altersgerechte Beschäftigung. Die Überlegung eine eigene Wohngruppe einzurichten, scheiterte inzwischen. Die Zahlen der UMF sind rückläufig und damit lohnt sie sich nicht mehr.

Allerdings lebt ein Jugendlicher privat bei einem Vormund, ein anderer in einem diakonieeigenen Appartement, ein Dritter in einem Zimmer der Kirche. Weitere Jugendliche sind in einem Internat untergebracht. Darauf ist Heike Winzenried doch hörbar stolz: Drei der betreuten Jugendlichen haben in der Zeit ihren Hauptschulabschluss an der Akademie Klausenhof gemacht, zwei sind noch in der Einrichtung, einer besucht eine internationale Förderklasse der „low-tec“ in Düren, am ungewöhnlichsten ist ein Jugendlicher in Langerwehe, der im kommenden Jahr Abitur machen wird. Der Schulbesuch ist die einzige rechtlich unproblematische Möglichkeit einer altersgerechten Unterbringung. Eine Ausbildung ist wegen der fehlenden Arbeitserlaubnis nicht möglich und wäre auch nur dann gegeben, wenn es keine anderen „Bevorrechtigte“ gäbe. „Auf dem heutigen Arbeitsmarkt undenkbar“, stellt Heike Winzenried klar.

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