Bürgermeisterkandidat 2015

Verantwortung fühlen
Von Dorothee Schenk [07.09.2014, 14.00 Uhr]

Der ältere Herr im Auditorium hatte Recht: Verlässlichkeit, gutes Benehmen, Kommunikationsfähigkeit sollten für einen Bürgermeister ebenso selbstverständlich sein wie gute Kontakte zur lokalen Wirtschaft, Kenntnisse im Finanzwesen und Führungsqualitäten. Irritierend ist, dass diese Eigenschaften offenbar der Rede Wert sind.

Dieser Abend lässt den Umkehrschluss zu, dass die Anwesenden, die auf Einladung der Jülicher SPD ins Café Pasqualini gekommen waren, offenbar diese Eigenschaften beim amtierenden Bürgermeister vermissen. Die Frage steht im Raum: Fällt den Menschen in Jülich das erst jetzt auf?

Zur Erinnerung:

Dreimal haben sie Heinrich Stommel seit 1999 zum Bürgermeister gewählt. Bei der ersten Besetzung der Doppelspitze ging der Westfale mit siebenjähriger Erfahrung als Jülichs Stadtdirektor ins Rennen und gewann unter anderem erst in der Stichwahl gegen den renommierten Konkurrenten Adi Retz. Damals war es noch ein Wahlkampf, der durchaus mit harten und auch polemischen Bandagen ausgefochten wurde, wie sich die Älteren vielleicht noch erinnern. Die Wahlbeteiligung lag bei knapp 66 Prozent.

In Runde zwei 2004 stellten noch einmal alle im Rat vertretenen Parteien einen Kandidaten, die sich bei einer Wahlbeteiligung von 62 Prozent dem Amtsinhaber geschlagen geben mussten, der über 60 Prozent der Stimmen holte. Fünf Jahre später machten sich die Parteien nicht einmal mehr die Mühe, Gegenkandidaten zu stellen – lediglich die Grünen und die Linke wagten den demokratischen Schritt. Über 73 Prozent der Jülicher, von denen nur etwas mehr als die Hälfte überhaupt den Weg zur Wahlurne ging, stimmten für Heinrich Stommel. Festlegen will der 62-jährige amtierende Bürgermeister sich noch nicht, ob er sich erneut zur Wahl stellt.

Alle Daten sind übrigens auf der Homepage der Stadt Jülich nachlesbar.

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Auf dem Podium im Jülicher Kulturbahnhof stellten sich 2004 die Kandidaten für den Bürgermeisterposten. Auffallend: Der Themenkanon hat sich in den vergangenen zehn Jahren nicht verändert.

Auf dem Podium im Jülicher Kulturbahnhof stellten sich 2004 die Kandidaten für den Bürgermeisterposten. Auffallend: Der Themenkanon hat sich in den vergangenen zehn Jahren nicht verändert.

Mit einem satten Plus in der Haushaltskasse war die Stadt Jülich 1999 ausgestattet. Geworben hat der parteilose Bürgermeisterkandidat mit einer qualifizierten Verwaltungsausbildung und 20 Jahren Berufserfahrung. Darüber hinaus führte er das Argument ins Feld, dass keiner der Gegenkandidaten eine Verwaltungsausbildung habe, die Wahl eines "nicht qualifizierten Bewerbers die Stadt jährlich 400.000 – damals noch – DM kosten würde und kein Wirtschaftsbetrieb mit mehreren Hundertmillionen DM Umsatz je einfallen würde, einem interessierten Laien die Unternehmensführung anzuvertrauen".
Heute steht die Stadt im Haushaltssicherungskonzept und seit geraumer Zeit wird hinter vorgehaltener Hand das Wort „Sparkommissar“ geflüstert.

Von einer Wende, die notwendig ist, wird ebenfalls allerorts gesprochen. Dabei ist die immer rasanter werdende Fahrt gen finanziellem Abgrund schon seit Jahren ablesbar. Wer eine tiefe Zuneigung zur Stadt Jülich hat, leidet seit Jahren an der Taten- und Konzeptlosigkeit der führenden Köpfe in Verwaltung und Politik. Mit dem Finger nur in eine Richtung zu zeigen, ist zu einfach. Die Jülicher wählen ihren Bürgermeister und sind damit auch mit-verantwortlich. Die – ebenfalls von den Jülichern gewählten – Politiker entscheiden in den Sitzungen im Rathaus und versäumen es im interfraktionellen Geplänkel Sachentscheidungen in den Vordergrund zu stellen.

Wie es gehen kann, macht die Stadt Monheim vor. Sie hat vielleicht sogar mit dem Mut der Verzweiflung mit einem frischen, ganz jungen, ideenreichen Kandidaten neue Wege beschritten und die 180 Grad Wende gelang, aus dem Armenhaus der Region eine schuldenfreie Stadt zu machen. Soviel zum Totschlag-Argument „Das können wir nicht, dafür haben wir kein Geld.“

Der richtige Weg ist sicher, dass die großen Parteien einvernehmlich einen Kandidaten suchen.

Wünschen wir uns allen, die wir hier leben, Bewerber, die mit Begeisterung, Visionen und sicher auch Finanzverstand antreten, und eine SPD-CDU-Findungsgruppe, die aus dem Pool der Kandidaten den richtigen auswählen. Damit der Jülicher eine andere Wahl hat, als die Wahl zu verweigern. Beschämende 53 Prozent waren es in Mai diesen Jahres, die bei der Kommunalwahl eine Mitbestimmung am Leben in ihrer Stadt nutzten.

Lesen Sie hierzu: Innovatives Trüffelschwein mit Herz für Jülich


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