Kolping lud zur Podiumsdiskussion
Sind elf Sonntagsmessen zu viel?
Von Dorothée Schenk [30.04.2008, 08.25 Uhr]
Volles Haus bescherte der Jülicher Kolping Familie die Podiumsdiskussion „Wie geht es weiter in der Kirche“ und zeigte damit, dass sie mit dem Thema den Puls der Zeit getroffen hat. Fakten und Emotionen kamen auf den Tisch. „Als lebendiges Glaubenszeugnis“ sah es Moderator Norbert Schwertfeger, Geschäftsführer der Prodia.
![]() Diakon Peter Vieten (v.r.n.l.), Pfarrer Dr. Peter Jöcken, diskutierten mit Moderator Norbert Schwertfeger, Kolpingmitglied Markus Holländer und Pastoralreferent Michael Richardy. |
Pastoralreferent Michael Richardy berichtete, dass jedes Jahr im Bistum Aachen Gläubige in der Größe einer mittleren Pfarrgemeinde verloren gingen. Bei sinkender Zahl der Priester nimmt die Bedeutung des Ehrenamtes in der Gemeinde zu: Neben der Eucharistiefeier gewinnen, erklärte Markus Holländer, Vorsitzender von Kolping Jülich sowie Lektor, andere Formen des Gottesdienstes durch Ehrenamtler zunehmend an Bedeutung. Kooperation in allen Diensträngen ist bei einer Zusammenlegung von Gemeinden sehr wohl möglich, ließ der Mönchengladbacher Diakon Peter Vieten aus der Praxis wissen, der seit sechs Jahren eine erfolgreiche Symbiose aus sechs Kirchtürmen, vier Pfarreien und einer Vikarie erlebt. Dass Gemeinde die Entscheidung von Menschen ist, die gemeinsam etwas in der Kirche bewegen wollen und nicht per Anordnung von höchster Stelle aufgelöst werden kann, ist die Überzeugung von Pfarrer Dr. Peter Jöcken.
Wie hoch die Emotionen bei den aktiven Gläubigen schlagen, war an diesem Abend deutlich zu hören. „Priester brauche ich gar nicht“, tat ein Besucher im Brustton der Überzeugung kund. Elf Messen, so hatte er gezählt, werden zeitgleich sonntags im Jülicher Stadtgebiet gelesen. So viele Gläubige gäbe es gar nicht mehr, um die Kirchenbänke zu füllen. „Kirche muss flexibler und beweglicher werden.“
Damit, so ist Michael Richardy überzeugt, ist die Grundidee der Fusion getroffen. Die Kirche wolle auf die veränderte Gesellschaft reagieren. Die Bürgerliche Mitte mache nur noch 15 Prozent der Bevölkerung aus – diese sei bereits sich in Kirche, Schule, Kindergarten und anderen Einrichtungen zu engagieren. „Viele Menschen sind nicht mehr bereit, sich verlässlich zu treffen. Das merkt nicht nur die Kirche, das bemerken auch Vereine.“ Außerdem habe sich die Kommunikation verändert: Das persönliche Treffen wird durch den „Chat“ im Internet ersetzt – Vernetzung sei das Schlagwort. „Die Distanz zur Kirche entsteht nicht, weil wir unfähig sind, Menschen anzusprechen, sondern weil wir gegen Trends nur schwer angehen können“, ist die Überzeugung des Pastoralreferenten.
![]() Zum Abschluss der Veranstaltung sprach Pfarrer Jöcken mit den Zuhörern ein Gebet. |
Darin sieht er aber auch eine Chance: Der Zusammenschluss von Gemeinden bietet die Möglichkeit, Schwerpunkte zu setzen in den einzelnen Kirchen. Als Beispiel nannte er Jugendgottesdienste. Die Gefahr sieht Markus Holländer aber im Entzug der Selbständigkeit der Pfarreien, wenn durch eine Fusion nur noch ein übergeordneter Pfarrgemeinderat das Sagen hat. Dann könnten keine eigenen Angebote mehr gemacht in den einzelnen Kirchen gemacht werden. Ehrenamtler würden vergrault, war auch die Ansicht aus dem Auditorium. Als Verfechter des Ehrenamtes gab sich der hauptamtliche Diplom-Finanzwirt und Familienvater Peter Vieten zu erkennen, der von sich sagt, Diakon sei sein sakramental bestätigtes Hobby. Er habe in den vergangenen Wochen viel Zeit mit Gesprächen verbracht, in denen er für das Ehrenamt werbe – vom Küster bis zum Pfarrgemeinderat: „Ich versuche dafür zu werben, dass Kirche mehr ist als der Bischof in Aachen.“ Das Problem für die Kirche sei, es „fehlen ihr die Fans“, die sich zugehörig fühlten.
„Fans“, die mit der Leistung unzufrieden sind, bleiben weg, spann ein Zuhörer den Faden weiter. „Dabei haben wir den besten Trainer: Jesus Christus“ „Fans“ gäbe es überall, wo man sich hingezogen fühle und der Umgangston gut ist. „Es ist manchmal unmenschlich, wie es in der Kirche zugeht und ich schäme mich dafür“, bekannte Pfarrer Dr. Peter Jöcken, seit 44 Jahren Priester. Er erinnerte aber daran, dass Kirche Jesus Christus sei und nicht die Institution. Nicht aufsässig „aber mit Respekt sagen ,Das ist falsch, Herr Bischof, was Sie tun.’ Ich ermuntere jeden, das so zu tun,“ bezog Peter Vieten Stellung.
Beklagt wurde aus dem Auditorium die mangelnde Selbstverständlichkeit von Glauben. „Not lehrt beten“, so ein Senior. „Wir stehen in der Kirche in einem Wettbewerb“, erkannte dagegen ein junger Zuhörer: Neben Büchern zum Christentum stünden in Buchhandlungen bis zu fünf Regalmetern Esotherik. „Die Menschen suchen Orientierung – das ist der Ansatz“, ist er überzeugt. Darin bestand auch der einzige Kritikpunkt von Michael Richardy an der Pfarrfusion: „Wir leben in der Unsicherheit, was kommt als nächstes? Das prägt den heutigen Abend.“ Positivistisch geht Pfarrer Dr. Peter Jöcken damit um: Über das „Menschliche“ gehe sehr vieles, ist seine Erfahrung nach 32 Jahren Tätigkeit als Pfarrer im Verbund Jülich-Kirchberg-Bourheim. Die Kirchengeschichte habe gezeigt, dass es immer große Unruhen gegeben habe, und die Probleme heute nicht als endgültiges Ende zu verstehen seien. Durch die Kraft guter Leute sei die Kirche immer gerettet worden. „Mit Gottes Hilfe werden wir es schaffen.“ Ist die Überzeugung des Pfarrers von der Gemeinschaft der Gemeinden Süd-West.
Nach der Aufforderung durch die Zuhörerschaft sprach Pfarrer Jöcken ein abschließendes freies Gebet, in dem er sowohl die engagierte Diskussion würdigte, als auch die Hilfe Gottes für die Ängste, Sorgen und Nöte der Gläubigen erbat.
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