Mahnmal-Nachfolge-Projekt

Jülicher Gesellschaft plant neues Buch
Von Redaktion [31.10.2005, 15.32 Uhr]

In einer harmonischen Mitgliederversammlung waren die Tagesordnungspunkte in einer halben Stunde abgearbeitet – gerade rechtzeitig, um Dr. Lorenz Peter Johannsen, den Gast zur Lesung in der Jülicher Gesellschaft begrüßen zu können. Im Anschluss an die Versammlung stellte er in einer Lesung sein Buch „Dr. Karl Leven – Kinderarzt in Düren“ vor.

Wichtigster Punkt der Tagesordnung war aber zuvor die Verabschiedung des Haushalts 2006. Mit ihm will die Jülicher Gesellschaft gegen das Vergessen und für die Toleranz e.V. die Voraussetzungen zu schaffen, um in einem neuen Buch „Leev Jülich, wat han ich dich jedon?“ an die Errichtung des Mahnmals an die ermordeten Menschen jüdischen Glaubens aus dem Jülicher Land im Jahr 2001 zu erinnern.

Zuvor hatte die Vorsitzende der Jülicher Gesellschaft, Gabriele Spelthahn, auf das abgelaufene Geschäftsjahr 2004/2005 zurückgeblickt. Dabei ließ sich es nicht nehmen, dem Gründungsvorsitzenden der Jülicher Gesellschaft, Jülichs Altbürgermeister Dr. Peter Nieveler, zu seinem etwas zurückliegenden 70. Geburtstag mit einem süßen Präsent zu gratulieren. Gabriele Spelthahn erinnerte an den Eklat bei der Gedenkfeier am Mahnmal auf dem Propst-Bechte-Platz und an die im Oktober 2004 erfolgte Schändung des jüdischen Friedhofs an der Aachener Straße. Ein Rechtsextremist wollte unbedingt zu der Feier seine Ansichten kundtun und schockte damit die Jülicher wie ihre jüdischen Gäste aus Aachen.

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Im Rahmen des 60. Jahrestags der Zerstörung Jülichs habe die Jülicher Gesellschaft gemeinsam mit dem Kunstverein eine Ausstellung des Berliner Künstlers Egon Schrick gezeigt. Sein Thema sei die zerstörerische Kraft der menschlichen Natur, er äußere sich in düsteren Bildern. Dieser „Schrick am Abend“ werde auch mit der Performance manchem in Erinnerung bleiben. Im Januar 2005 habe man in der Schlosskapelle am 27. Januar den Tag der Befreiung des KZ Auschwitz begangen. Der 27. Januar betone den zweiten Teil des Vereinszweckes, nämlich die Stärkung von Toleranz und die Förderung der Zivilcourage. Gabriele Spelthahn verwies auf den Beitrag von Alma Bicer, einer Türkin, die sich in vielen Beziehungen um Integration von Benachteiligten bemühe. In diesem Rahmen wurde auch eine Gruppe von Schülern des Gymnasiums mit ihrem Lehrer Johannes Maaßen geehrt mit einer Urkunde und einem kleinen Geldgeschenk. Geehrt wurden sie dafür, dass sie in Vorbereitung der Feierstunde an der Gedenktafel für die Synagoge sich sehr intensiv mit dem Schicksal der jüdischen Gemeinden im damaligen Kreis Jülich auseinander gesetzt haben.

Im Februar unterstützte hat die Jülicher Gesellschaft den Besuch von Frau Dr. Lasker-Wallfisch an der Gesamtschule Niederzier. Die Gesamtschule werde vielfach auch von Schülern aus den umliegenden Gemeinden des Jülicher Landes besucht. Frau Dr. Lasker-Wallfisch ist eine Überlebende der Shoah und las in einer Nachmittagsveranstaltung der Schule vor der vollgefüllten Aula aus ihrem Tagebuch. Es sei richtig und nötig, dass Überlebende mit ihrem authentischen Beitrag – solange das noch möglich ist – die Erinnerung an die Gräuel der Nazizeit wach halten – mehr als das amtlichen Statistiken jemals möglich sei. Als junge Frau überlebte Frau Dr. Lasker-Wallfisch die beiden Nazi-Todeslager Auschwitz und Bergen-Belsen. In Auschwitz war sie die einzige Cellistin im "Mädchenorchester" des Lagers. Das Orchester musste zur "Begrüßung" von eintreffenden Häftlingen spielen, die nach der Selektion direkt in die Gaskammern getrieben wurden. Nach der Befreiung in Belsen, als sie ihren 20. Geburtstag feierte, bekam sie schon dort wieder ein Cello und begann wieder zu spielen. Sie wanderte nach England aus, und wurde Cellistin im English Chamber Orchester in London. Nach jahrelanger Distanzierung kommt sie heute wieder nach Deutschland, liest aus ihren Erinnerungen, stellt sich Fragen und Diskussionen, besonders mit jungen Menschen. „Sie ist eine große Musikerin und großartige Frau.“, resümierte Gabriele Spelthahn.

Das nächste war die gemeinsame Fahrt mit dem JGV nach Worms und Speyer. Die Ausstellung „Europas Juden im Mittelalter“ in Speyer war Auslöser dieser Fahrt. Man habe die Gelegenheit genutzt, auch den berühmten jüdischen Friedhof in Worms zu besuchen. Er gilt als Europas ältester erhaltener Juden-Friedhof. In Worms findet 2005 auch das Raschi-Jahr statt. Es wird zum Gedenken an den 900. Todestag des jüdischen Gelehrten und Talmudkommentators Rabbi Salomon ben Isaak (1040-1105), genannt Raschi, begangen. Man habe auch in diesem Jahr wieder mit den übrigen Veranstaltern die Jüdische Woche. Gabriele Spelthahn forderte zu einem regen Besuch der Veranstaltungen auf. In diesem Jahr werden Schüler von Haus Overbach mit ihrem Lehrer Ernst einen Beitrag zur Gestaltung der Stunde an der Gedenktafel erarbeiten. In einem Ausblick auf die kommenden Veranstaltungen verwies Gabriele Spelthahn auf die Veranstaltung zum 27. Januar. Die Synagogen in Meerssen und Maastricht werden am 30. April 2006 besucht. Das wichtigste Projekt sei aber die Dokumentation der Errichtung des Mahnmals 2001. Das werde gemeinsam mit dem JGV in einem Buch festgehalten. „Leev Jülich, wat han ich dich jedon?!“ wird voraussichtlich der Titel sein.


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