Eröffnung des Science College

Lernen in der Helix
Von Dorothée Schenk [27.06.2009, 15.05 Uhr]

Signalwirkung hat das Science College, das neue Bildungsinstitut der Oblaten des Heiligen Franz von Sales in Jülich-Barmen. Nach nur zwei Jahren Bauzeit wird es eröffnet. Über die Bezeichnung als „Leuchtturm-Projekt“ freut sich als Bauherr Provinzial Josef Lienhard besonders. Viel Interesse ist bereits bei den Präsentationen geweckt worden, so dass der Pater schmunzelnd von einem, „Science-College-Tourismus“ spricht, der auf sie zukomme. Interesse, das wichtig ist für die Salesianer: Noch fehlen 1,2 Millionen Euro bis zur vollständigen Finanzierung und die Deckung der Folgekosten, die durch den Lehrbetrieb erwirtschaftet werden sollen, sind im ersten Jahr nicht zu erwarten.

Am Anfang des Science Colleges stand eine Frage: „Was ist zu tun, damit die Jugend, die jeden morgen vor mir sitzt, eine Zukunft hat?“ Gestellt hat sie sich Heinz Lingen, Schulleiter am Gymnasium Haus Overbach, dessen Träger ebenfalls der Orden ist. Der Oberstudiendirektor entwickelte einen Lösungsvorschlag und wurde damit zum geistigen Vater und Projektleiter des Science College. Aufbauen konnte er auf eine lange Tradition, die das Gymnasium pflegt: Die Vernetzung zwischen Schule, Wissenschaft und Wirtschaft im Bildungskanon manifestiert sich in Barmen unter anderem in der Zusammenarbeit mit dem MINT-Verein (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik = MINT). Für die Zusammenarbeit von Schulen und Forschungseinrichtungen gab es bereits 2003 den NaT-Working-Preis der Robert-Bosch-Stiftung. Auf diesen gewachsenen Strukturen konnte das Science College aufbauen.

Getragen wird das Projekt von der Erkenntnis, dass in Zukunft die Bindung der so genannten „high potentials“, also des begabten Nachwuchses, an Europa unabdingbar ist. Andernfalls, so blickt Projektleiter Heinz Lingen düster in die Zukunft, werden über China, Singapur und Australien Wissenschaftler und Wirtschaftler gen USA „rekrutiert“.

Damit würde nicht nur das „know how“ gar nicht erst in Europa ankommen, sondern schließlich als letzte Konsequenz die Absatzmärkte fehlen. Das Science College soll begabten jungen Leuten aus der Europäischen Union sowie afrikanischen und ostasiatischen Ländern die Welt der naturwissenschaftlichen Forschung erschließen, indem sie sich mit Wissenschaftlern austauschen. Gleichzeitig werden bereits die Jüngsten, damit sind schon Kindergartenkinder gemeint, eine Bildungsheimat finden. Vor allem aber Schüler der Sekundarstufe I und II sowie Auszubildenden von Unternehmen sollen das Angebot der Einrichtung für Wissenschaftskommunikation und Innovation nutzen. Für sie – Dozenten wie Kursteilnehmer – wurde eigens als Nachbargebäude ein Gästehaus gebaut.

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Vorgesehene Angebote sind etwa eine „Forscherwerkstatt“, Ferienakademien und Schülercamps. Unterstützt wird das Science College bei diesem Vorhaben unter anderem durch die RWTH Aachen, die FH Aachen-Jülich sowie das Forschungszentrum Jülich (FZJ). Pointiert platziert ist damit das Science College weit über die Region hinaus und profiliert die Euregio Maas-Rhein und Nordrhein-Westfalen als Wissenschafts- und Forschungsstandort. Das Land NRW zeigt seine Untersüttzung in der stattlichen Förderungen und die Übernahme der Schirmherrschaft des Projektes durch Armin Laschet, Minister für Generationen, Familie, Frauen und Integration in Nordrhein-Westfalen.

Schon optisch ist das Science College ein Hingucker. Der alte Vierkant-Bauernhof des Hauses Overbach bietet den Rahmen des Campus. Im Farbton zwischen Neon- und Lindgrün akzentuiert gestrichen wirkt der Neubau zwischen den Backsteinen einerseits wie ein Fremdkörper und wirft andererseits die Farbe der Natur auf sich selbst zurück. „Wo Kreativität zugelassen wird, ist es notwendig, dass sich nicht alles anpasst“, erläutert Rusheb Nawab, ab 1. Juli Bildungsmanager der Einrichtung, die Philosophie. Der Kubus selbst scheint in sich gedreht und verwebt durchdachte Funktionalität von Räumen auf mehreren Ebenen mit der naturwissenschaftlichen Form der Helix.

Für die fünf naturwissenschaftlichen Bereiche Biologie, Physik, Chemie, Astromie und Simulation stehen jeweils ein Hörsaal, ein Übungsraum und ein Raum für Sammlung zur Verfügung. Begehrtester Raum dürfte die so genannte Freiklasse werden: Auf dem Dach des Science College ist wie ein Ampietheater mit Blick ins Naturschutzgebiet der „Open-Air-Studiersaal“ angelegt. Von hier aus sollen vor allem die Sterne beobachtet werden können, aber „die Schüler werden auch Rehe und Hasen sehen“, malt Pater Lienhard ein idyllisches Bild.

Die Umsetzung der Korrespondenz von Wissenschaft und Natur, Natur in Wissenschaft – Naturwissenschaft. Mit dem Spiel des Wortes auf architektonischer Ebene ist dem Aachener Büro Hahn Helten + Ass. ein kleiner Geniestreich gelungen. Uneingeschränkt erhielt er unter neun Entwürfen, die im Ideenwettbewerb 2006 vorlegt wurden, die Zustimmung der Jury.

Innovativ zeigt sich nicht nur die äußere Gestaltung: Zu den offenen Grundrissen und kommunikativen Räumen, die auf den Wandel in der Lern- und Forschungskultur abgestimmt sind, verknüpfen die Architetkten Nachhaltigkeit, Technologieinnovation und Umweltbewusstsein. Der Primärenergiebedarf des „1,5-Liter-College“ liegt unter 15 KWh pro Quadratmeter. Es ist gleichzeitig Forschungsstätte und dient der Er-Forschung. In Kooperation mit dem FZJ werden die Effekte und Datenmengen der innovativen Gebäudetechnik ständig erfasst, aufbereitet und ausgewertet.

Offiziell eröffnet wird das Science College am Samstag, 27. August. Der Lehrbetrieb wird am 1. Juli aufgenommen.


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