Katholische Grundschule Jülich erhielt Gütesiegel für selbstständiges Lernen

Die Freude an der Individualität
Von Dorothée Schenk [05.03.2009, 17.50 Uhr]

Was anderen eine Bürde, war der Katholischen Grundschule (KGS) in Jülich anfangs eine selbstauferlegte Pflicht und ist inzwischen zur Überzeugung geworden: Der jahrgangsübergreifende Unterricht in den ersten beiden Schuljahren und damit verbunden neue Lernkonzepte. Dafür gab es nun vom Land NRW ein Gütesiegel für selbstständiges Lernen.

Spaß an der individuellen Förderung haben Schulleiter Reinartz (hintn) uns seine Schützlinge.

Spaß an der individuellen Förderung haben Schulleiter Reinartz (hintn) uns seine Schützlinge.

Im Sommer 2008 wurden die ersten Schüler der KGS in die höheren Schulen entlassen, die ausschließlich nach dem neuen Konzept unterrichtet wurden. Anfängliche Skepsis – auch im Lehrerkollegium – hat sich in die einhellige Meinung gewandelt: Eigenverantwortliches Lernen führt zum Erfolg. Das geht so weit, dass die KGS nicht nur die erste Gütesiegel-Grundschule ist, sondern mit Irene Becker auch als erste Schule im Kreisgebiet Düren eine zertifizierte Lehrerin für Begabtenförderung im Kollegium hat. Gleichzeitig gibt es eine Kooperationsvereinbarung mit der Schirmerschule für Lernbehinderte. Sie beinhaltet zum Beispiel, dass eine Fachfrau in Zweifelsfällen bei einem Unterrichtsbesuch Förderbedarf feststellen kann. Die „Lern-Biografie“ des Einzelnen steht im Vordergrund, „das Ziel ist nicht das Produzieren von Gymnasiasten“.

Als die Ausschreibung für das Gütesiegel kam, stellten Fred Reinartz und sein Lehrerkollegium fest: „Wir erfüllen ja schon alle Kriterien.“ Bestätigt wurde dies beim Schulbesuch des „Experten-Teams“ im September 2008, der jetzt in der Verleihung des Gütesiegels durch NRW-Schulministerin Barbara Sommer mündete. Zu Belohnung gab es übrigens eine halbe Lehrerstelle „obendrauf“. Das Siegel hat eine Haltwertzeit von drei Jahren – dann steht die erneute Prüfung an, aber auch davor ist dem Rektor nicht bange: „Wir haben schon konkrete Vorstellungen, wie es weitergehen könnte.“ Am Ende stehe aber immer der Schulkonferenzbeschluss.

Angefangen hat es 2003, als die Landesregierung die Einführung der „flexiblen Schuleingangsphase“ diktierte. „Frontalunterricht ist in der so genannten Flex nicht mehr möglich“, erklärt Fred Reinartz, Schulleiter der KGS. Anderthalb Jahre lang haben vier Lehrerinnen sich darum auf die neue Unterrichtsmethode vorbereitet. Das schulische Neuland erforderte schließlich das Zusammentragen anderer Materialien und Unterrichtsinhalte. Ein aufwändiges Verfahren, dass aber bei der Mehrarbeit für die Pädagogen gezielte Förderung für die Kinder mit sich bringt.

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Beim Offiziellen Festakt: KGS-Rektor Fred Reinartz (r) und Konrektorin Ruth Schall (2.v.r. vorne)

Beim Offiziellen Festakt: KGS-Rektor Fred Reinartz (r) und Konrektorin Ruth Schall (2.v.r. vorne)

Die Sinnhaftigkeit des neuen Systems ist eingängig. Der Schulkindergarten, der früher „Spätzündern“ ein Jahr Aufschub zur Einschulung gab, ist weggefallen. Darüber hinaus gibt es in den Fertigkeiten große Unterschiede: „Einige können am 1. Schultag schon schreiben und lesen, andere tun sich noch mit dem Ausmalen schwer“, berichtet Pädagoge Reinartz von seinen Erfahrungen. Damit dieser „Spagat“ gelingt, setzt die individuelle Betrachtung der Kinder schon vor dem ersten Unterricht ein. Das „KGS-Team“ besucht schon vorab die Kindergärten und guckt, was die künftigen Erstklässler „mitbringen“. Daraus entwickelt sich später der individuelle Arbeits- und Lernplan.

So schlüssig das heute klingt, so schwierig war es, dieses Verfahren vor der Erprobungsphase zu vermitteln: „Zuerst sind die Anmeldezahlen zurück gegangen“, räumt Rektor Reinartz ein. Für das kommende Schuljahr 2009/10 liegen 60 Anmeldungen vor und garantieren damit weiterhin die Dreizügigkeit der Grundschule. Kleine Klassen, darüber ist sich die Schule bewusst, sind natürlich auch die Voraussetzung für die Förderung des Einzelnen.

Dazu gehört ein weitere Punkt: Die Kinder der KGS bestimmen ihr eigenes Lerntempo. Für die „Flex“ heißt das: Sie durchlaufen in einem bis drei Jahren das erste und zweite Schuljahr. Stigmatisierung eines „Strebers“ – bei Springern – oder eines „Sitzenbleibers“ bei Wiederholern entfällt, da immer ein Teil der Klasse zusammenbleibt – man ist sich vertraut.

Seit dem Regierungswechsel 2005 haben die Schulen wieder die Wahl zwischen „Flex“ und konventionellem Unterricht nach Jahrgängen. „Viele Schulen sind gescheitert und inzwischen wieder zum alten System zurückgekehrt“, berichtet Reinartz. Der Grund laut Überzeugung der KGS-Schulleitung: „Individuelles Lernen“ per Dienstanweisung kann nicht funktionieren – die Überzeugung macht es.


Fakten
Die individuelle Förderung ist seit 2006 fest im Schulgesetz verankert
44 Schulen aus Nordrhein-Westfalen erhielten das Gütesiegel „Individuelle Förderung“ von Ministerin Barbara Sommer. Mit der siebten Auszeichnungsrunde steigt die Zahl der Gütesiegelschulen auf 227.
Die Katholische Grundschule Jülich ist die erste Grundschule in der Region Düren mit diesem Gütesiegel. 13 Grundschulen wurden im Februar 2009 landesweit ausgezeichnet.


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