Kirchenvorstand von St. Rochus will Jugendheim schließen

Im Einsatz gegen die Schließung der "2. Heimat"
Von Dorothée Schenk [08.02.2009, 08.47 Uhr]

Marvin Greune (14), Sebastian Dreßen (18) und Nico Monat (18) (v.l.) suchen öffentliche Unterstützung, damit "ihr" Rochus-Jugendheim erhalten bleiben kann.

Marvin Greune (14), Sebastian Dreßen (18) und Nico Monat (18) (v.l.) suchen öffentliche Unterstützung, damit "ihr" Rochus-Jugendheim erhalten bleiben kann.

Sie treffen sich regelmäßig: Marvin Greune (14), Nico Monat (18), Sebastian Dreßen (18) und rund ein Dutzend ihrer Freunde haben im St. Rochus Jugendheim eine „zweite Heimat“ gefunden. Ende des Jahres sollen sich An der Lünette in Jülich die Türen der Offenen Jugendarbeit jedoch für immer schließen. So will es der Kirchenvorstand der Gemeinde. Das wollen die jugendlichen Ehrenamtler nicht widerspruchslos hinnehmen.

Als sie vor zwei Wochen durch Einrichtungsleiter Henning Goffart von der Schließung erfuhren, sind sie nach anfänglicher Fassungslosigkeit sofort konstruktiv-aktiv geworden und haben eine Website http://www.rettediekot.de.tl ins Netz gestellt. Über 3600 Klicks haben die Initiatoren bereits gezählt, und die Meinung ist einhellig: Die KOT muss bleiben.

Dies durchzusetzen, dürfte schwer fallen: Wie der Kirchenvorstand um Pfarrer Konrad Keutmann auf Nachfrage in einer schriftlichen Stellungnahme erklärte, seien sie in Abstimmung mit dem Kreisjugendamt zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Schließung „aufgrund vehement gestiegener Anforderungen und Mehrbelastungen letztlich getroffen werden musste“. Neben der offenen Jugendeinrichtung unterhält die Gemeinde St. Rochus derzeit noch zwei Kindertagesstätten mit rund 100 besetzten Plätzen.

Durch die Einführung des Kinderbildungsgesetzes (KiBiz), so heißt es in der Stellungnahme weiter, sei ein „derartiges Volumen an Mehrarbeit“ entstanden, dass neben der Betreuung der Kindergärten und der kirchengemeindlichen Verwaltung keine weiteren Mittel zur Verfügung stünden, wörtlich, der Kirchenvorstand „seine Ressourcen bündeln muss“.

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Henning Goffart hat 13 Jahre lang da Jugendheim St. Rochus geleitet. Am 31. Dezember läuft sein Vertrag aus.

Henning Goffart hat 13 Jahre lang da Jugendheim St. Rochus geleitet. Am 31. Dezember läuft sein Vertrag aus.

Was die jungen Ehrenamtler kritisieren, ist, dass der Kirchenvorstand sie zum einen nicht selbst informiert hat, zum anderen keine gemeinsame Lösung sucht. „Wir alle haben extra einen Betreuerschein für die Jugendfreizeitfahrten gemacht. Außerdem haben sie im vergangenen Jahr vieles in Ordnung gebracht, etwa die Lichtanlage“, erklärt Nico Monat. Zusätzlich leisten die Ehrenamtler auch einen bescheidenen Beitrag zum Unterhalt der KoT: Jährlich laden sie zur Party, deren Erlös in die Jugendarbeit fließt. Trotz des Damoklesschwertes „Schließung“ wollen sie auch die aktuellen Pläne für 2009 nicht aufgeben: In Kürze soll es einen DJ-Kurs geben, die Mädchen bieten einen Tanzkurs und Bastelnachmittage für die Jüngeren an und ein PC-Anfängerkurs steht auch noch auf dem Programm.

Die jungen Erwachsenen zeigen nicht nur Initiative, sondern auch Verantwortungsbewusstsein: Schließlich steht, beschreibt Sebastian Dreßler die Situation, nicht nur der KoT-Freundeskreis auf der Straße, sondern auch jene jungen Menschen im Heckfeld, die die Angebote nutzen. Alternativen im Heckfeld gebe es nicht. Das städtische Jugendheim ist spätestens mit der Umsiedlung in den Kulturbahnhof im Sommer 2009 zu weit weg. Wegfallen würden auch die Ferienfahrten, an der zwischen 50 bis 90 Kinder teilnehmen, die sonst keine Möglichkeit haben, wegzufahren. Schließlich und letztlich das „Baby“ der KoT: Die Disko für Behinderte und Nichtbehinderte, die monatlich über 50 Jugendliche auf die Tanzfläche bringt. Vor Karneval wollen die Schließungs-Gegner eine Unterschriftenaktion starten.

Natürlich wünschen sich Marvin, Nico und Sebastian gleichzeitig, dass Henning Goffert als Jugendheimleiter bleibt, folgen aber dem Rat des Sozialpädagogen: „Macht den Erhalt des Jugendheims nicht an mir fest.“ Der 52-Jährige, dessen Vertrag nach dem 31. 12. 2009 nicht verlängert wird, blickt dankbar und nicht ohne Stolz auf die vergangenen 13 Jahre zurück. Schritt für Schritt hat er die Jugendarbeit im Heckfeld wieder aufgebaut, viele seiner Schützlinge – die sich anfangs vor allem aus der Schweizer Siedlung rekrutierten – haben heute selbst Familien und feste Anstellungen. Die Frequenz des Hauses habe in der letzten Dekade Wellenbewegungen gehabt, räumt Goffert ein. Was bei dem ausgebildeten Maurer allerdings Unverständnis auslöst, ist das „Zerschlagen gewachsener Strukturen“.


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