Jesus bekommt in Rurdorf viele Ställe
Von Dorothée Schenk [18.12.2008, 08.03 Uhr]
Die Wände sind verputzt, die letzten Felsen an ihren Platz gerückt und das Dach gedeckt. Die Rurdorfer Krippenfreunde haben wieder ganze Arbeit geleistet. Jetzt dürfen das Christkind und das heilige Paar kommen.
![]() Mit Ernst bei der Arbeit: Krippenbaumeister Hans-Peter Kempen wählt sorgfältig aus den Pigmenten für seinen Anstrich aus. |
Viele Stunden Arbeit liegen hinter dem examinierten Krippenbaumeister Hans-Peter Kempen und seinen „Auszubildenden“. Einige von ihnen haben praktisch schon die Gesellenqualifikation erreicht. Das sind die nimmermüden, denen der Krippenbau zur Leidenschaft geworden ist. Aber man kann doch nicht jedes Jahr aufs Neue eine Krippe bauen? „Doch“, schallt es auch den Kehlen des Donnerstagsclub, der sich seit fünf Jahren regelmäßig – auch außerhalb der Bausaison – trifft. „Ein echter Krippenbauer ist das ganze Jahr beschäftigt“, erklären Michaela und Hans Körffer.
Auf Spaziergängen werden Zweige gesucht, die später das Kunstwerk zieren sollen, Moos und Steine. In diesem Jahr wollte Michaela Körffer nämlich einen Weidenzaun um die Krippe ziehen und musste daher eifrig Stöckchen sammeln. Christa Maternaar gab sie aus ihrer Sammlung einen Weinrebenzweig, der nun das Dach deren Stallensembles stützt. Zu den zusammengetragenen kommen fertige Materialien von Weichfaserplatten über Styropor, Kreide bis Sägemehl. Viele Einzelteile ergeben so das ganz private, künstlerische Ganze. Neben den heimatlichen oder orientalischen Modellen entstehen auch kleine architektonische Exoten. „Wir hatten sogar schon einmal einen Teilnehmer im Krippenbaukurs, der ein Energiesparmodell gebaut hat“, erzählt Kempen. Entworfen werden die Krippen aber nicht nur für den Hausgebrauch, sondern „man sucht sich Opfer“, wie Kempen schmunzelnd berichtet. Eva Maria Rimmele beispielsweise hat schon Enkel, Sohn und Bekannte mit selbstgebauten Krippen versorgt.
„Danke, junger Mann, aber der Baum muss höher sein, sonst sieht man ihn hinter dem Brunnen nicht…“ Die Heißklebepistole im Anschlag steht der so angesprochene Georg Schüller zögernd mit dem gewählten Naturschmuck vor dem maßstabgetreuen Stall in Miniaturform. Die Proportionen, so erfährt der Laie schnell, sind das Wichtigste für die Baumeister, „sonst passt der Hirte nicht mehr durch die Türe“. Hilfestellung leisten hierbei Tabellen und Skizzen, die als Vorlagen dienen. In der letzten Spalte stehen die Größen der Figuren, die in die entsprechenden Formate passen. Standard ist die Bodenplatte von 60 x 90 Zentimetern. Auf dieser Grundfläche wächst an acht Abenden in der Voradventszeit die Krippe heran.
Das Erstlingswerk ist das schwerste, erinnert sich Eva Maria Rimmele: „Es ist meistens zu groß.“ Jetzt machen die „weißt Du nochs“ die Runde, während eifrig weiter gearbeitet wird: Mit der Baguetteschneidemaschine werden die letzten Schindeln fürs Dach geschnitten, Balken bekommen den finalen Anstrich… Da war etwa ein Debüttant, der eine zweistöckige Krippe für 20 Zentimeter große Figuren gefertigt hat. Das Problem: Er bekam sie nicht in den Kofferraum. Die Lösung: Am nächsten Abend fuhr er mit einem Traktor vor, auf dem eine eigens gefertigte Kiste für das überdimensionierte Kleinbauwerk stand.
![]() Die Liebe steckt im Detail: Ein Weinstock-Zweig stützt das Dach von Christa Maternaars Krippe. |
Apropos große Dimensionen: Die Rurdorfer Krippenfreunde sind inzwischen nicht nur mit ihren Kursen, zu denen die Menschen aus der Eifel und sogar dem benachbarten Ausland anreisen, über die Linnicher Region hinaus bekannt, sie werden von Nachbarstädten um bauliche Unterstützung gebeten: Für St. Lambertus in Erkelenz entstand so 2007 eine hölzerne dreiteilige Konstruktion mit übermannshohem Bogen, in deren Kulisse die heilige Familie samt Hirten Platz fand. Ebenso ein Solitär ist die Krippe für die Kempener Kirche St. Mariä Geburt, die in diesem Jahr entstanden ist: Auf 25 Quadratmetern bauten die Rurdorfer den originalen mittelalterlichen Straßenzug der Stadt nach. Zum vierten Adventssonntag wird die einzigartige Krippe erstmals in Kempen fertig aufgebaut zu sehen sein.
Das Rurdorf zum Krippenbaudorf wurde, verdanken sie im Grund Hans-Peter Kempen. Von seinem Onkel, so erzählen es sich die Menschen im Dorf, hat der Rurdorfer die Begeisterung für den Krippenbau in die Wiege gelegt bekommen. Bereits mit 16 Jahren, während Altersgenossen sicher ihr Interesse mehr auf motorisierte Zweiräder kaprizierten, baute Hans-Peter Kempen an der Kirchenkrippe mit. Durch eine Fernsehsendung lernte er Pfarrer Kurt Warter kennen, nahm Kontakt zu ihm auf und letztlich war der Pfarrer es, der den Rurdorfer auf die Ausbildung in Insbruck hinwies. Drei Jahre lang drückte Kempen jeweils eine Woche lang die Schulbank, ehe er sich Krippenbaumeister nennen konnte. Schnell fand er vor Ort Gleichgesinnte und in den vergangenen 14 Jahren ist die Zahl der Rurdorfer Krippenfreunde auf 180 angestiegen. Vieles haben sie inzwischen bewegt: Die Außenkrippe an der Neuen Kirchstraße angelegt, Ausstellungen initiiert und schließlich den Anstoß zum Krippenweg im Jülicher Land gegeben.
Die Leidenschaft bei den Krippenbauern gründet auf ganz unterschiedlichen Motiven: Die Freude an der Gemeinschaft ist es, am Handwerk, aber auch „die besonderen Kindheitserinnerungen an Weihnachten als das größte Jahresfest“, wie Christa Matenaar gesteht. Das feierliche Gefühl kommt allerdings erst nach der Arbeit: „wenn die Krippe sich füllt“.
Die Rurdorfer Krippenfreunde wurden am 6. Dezember 2006 gegründet. Seither verfolgen sie das Ziel: In jede christliche Familie eine Krippe. Näheres zum Verein, Programm und den Krippenkursen im Internet unter www.rurdorfer-krippenfreunde.de sowie beim Vorsitzenden Hans-Peter Kempen unter 02462-1247
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