Runder Tisch zum Thema Schulbus

Wie Schulbusse drei Haltestellen in einer Minute schaffen
Von Dorothée Schenk [26.09.2008, 19.32 Uhr]

Schaden in Nahaufnahme: Die Schulbusse sind zum Teil in ganz schlechtem Zustand Foto: Pier

Schaden in Nahaufnahme: Die Schulbusse sind zum Teil in ganz schlechtem Zustand Foto: Pier

Mindestens 30 Verspätungen in einem Schuljahr, Abfahrtszeiten, die sich um 15 bis 20 Minuten verschieben und i-Dötze, die nicht an vorgesehenen Haltestellen herausgesetzt werden. Schulbusse sind dem Augenschein nach marode: Sichtbare Löcher in der Karosserie, fehlende Scheiben, die durch mit Klebeband fixierte Bleche ersetzt sind, Fahrzeug-Türen, die sich während der Fahrt öffnen oder sich nicht schließen lassen. Busfahrer, die sich von Schulkindern oder Passanten den Weg erklären lassen müssen, weil sie die Route nicht kennen. Das ist die Spitze des Eisbergs, an der sich die Stadt Jülich mit dem Aachener Vertragspartner Regionalverkehr Euregio Maas-Rhein (RVE) beim „Runden Tisch“ zum Thema Schulbus im Großen Sitzungssaal des Neuen Rathauses stießen.

Eingeladen hatte Andreas Prömpers, zuständiger Dezernent für den Schülerspezialverkehr in der Stadt Jülich, und viele Eltern, Schulleiter und Vertreter der Fraktionen waren gekommen, um mit Jürgen Gansweid und Heinz Kähler als Vertreter des RVE zu diskutieren.

Den Stein des Anstosses gegeben hatte Michael Hehemann. Der engagierte Vater aus Welldorf war Ende August als Sprecher empörter Eltern mit einem Protestschreiben an die Öffentlichkeit getreten, das auf die „katastrophale und unakzeptable Situation beim Transport unserer Kinder mit den Schulbussen in Jülich aufmerksam machen“ wollte. In den vergangenen zwei Wochen hatte er mit Unterstützung der Stadtelternschaft Jülich Mängel am Schulbusverkehr zusammengetragen, die nach Hehemanns Aussage inzwischen drei Datensätze umfasst. Daraus entstand eine Forderungsliste, die als Diskussionsgrundlage diente. Sachlich diskutiert wurde darüber trotz der persönlichen Betroffenheit der Anwesenden.

Schnell war geklärt, dass die Stadt Jülich künftig die Fahrpläne für alle Jülicher Schulbuslinien auf ihrer Internet-Seite veröffentlichen wird. Als schwieriger erwies sich die Abstimmung zu realistischen Fahrplänen und Verspätungszeiten sowie der Einsatz geeigneter, gut eingewiesener Busfahrer. Eltern berichteten, dass die Kinder oder auch Passanten vom Fahrer nach der Fahrtstrecke gefragt worden seien.

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Auf großes Interesse stieß der Forderungskatalog, den Michael Hehemann dem Runden Tisch zum Thema Schulbus vortrug.

Auf großes Interesse stieß der Forderungskatalog, den Michael Hehemann dem Runden Tisch zum Thema Schulbus vortrug.

Ungläubiges Gelächter löste das Verlesen des Fahrplans der Linie 4 durch KGS-Schulleiter Fred Reinartz aus, bei der fünf Haltestellen innerhalb von drei Minuten angefahren werden sollen. In Mersch sind sogar Abfahrtszeiten an drei Haltestellen mit der identischen Uhrzeit angegeben. Da ist es wenig hilfreich, wenn Heinz Kähler um Verständnis wirbt: „Wir wollten ja den Elternwünschen entsprechen“ und so seien im Laufe der Jahre immer mehr Haltestellen hinzu gekommen – ohne allerdings die Anpassung an die Zeiten umzusetzen. „Irgendwann ist die Kapazität ausgereizt“, räumt der RVE-Mann ein. „Das ist Flickwerk. Wir hätten das Problem schon lange lösen müssen“, unterstrich Ulrike Fink (FDP) und erinnerte daran, dass das Thema die Ausschüsse in den vergangenen Jahren immer wieder beschäftigt hatte. Zu einer grundsätzlichen Lösung bekannten sich auch die Vertreter des Busunternehmens. Deutlich wurde, dass, um eine grundsätzliche Verbesserung zu erreichen, Kinder am Startpunkt der Schulbusse früher aus dem Haus müssen.

Konsequenzen haben die Verspätungen nicht nur für die Kinder, sondern auch in eklatanter Hinsicht für die Lehrer, wie Kathleen Lorscheid (CDU), Lehrerin der KGS, aus eigener Erfahrung weiß. Die Zu-Spät-Kommer stören natürlich auch den Unterricht. Umgekehrt haben verspätete Abfahrtszeiten nach Schulschluss auch Auswirkungen: Ursula Kück-Kukulies, Konrektorin der Nordschule, schilderte, wie durch die Busaufsicht Lehrer bei Verspätungen Schwierigkeiten hätten, pünktlich zur 5. Stunde in der Klasse zu sein.

Lösungsorientiert angegangen werden soll dieses Thema in einem Arbeitskreis, der von Jürgen Laufs (Grüne) angeregt wurde. Vertreten sein sollen darin neben der Stadt und dem RVE, die Stadtelternschaft, Vertreter der Schulen und Eltern. Ob, wie aus dem Auditorium vorgeschlagen, auch Busfahrer dazu kommen, die ja aus erster Hand berichten könnten, steht noch offen. Der erste Termin wurde auf den 16. Oktober gelegt, um bereits im Schulausschuss am 27. Oktober, erste Ergebnisse vorlegen zu können.

Ungeklärt blieb bis zuletzt das Thema Sicherheitsmängel an den Bussen: Anhand von Fotos dokumentierte Iris Pier die oben genannten Schäden. Da musste sich der RVE den Vorwurf von eines Vaters der Verharmlosung der Zustände gefallen lassen, wie sie das Unternehmen per Brief an die Stadtverwaltung beschrieb. Schließlich seien zwar Busse nicht stillgelegt worden, weil die Polizei das nicht dürfe, aber die weitere Personenbeförderung wurde untersagt. Heinz Kähler (RVE) versicherte, dass jeder Bus beim Deutschen Kraftfahrzeug-Überwachungs-Verein (Dekra) abgenommen und das Unternehmen an einer Qualitätsverbesserung interessiert sei. Hier nahm Sandra Jansen, Schulpflegschaftsvorsitzende der KGS, Kähler beim Wort und forderte, dass der RVE auf für die eingesetzten Subunternehmer gerade stehen müsse.

Auch die Stadt wollten die Eltern in die Pflicht genommen sehen. Andreas Prömpers nachdrücklicher Aufruf, Vorfälle zu melden, kommentierte Cornel Kranen, Sprecher der Stadtelternschaft: „Es ist nicht die Aufgabe der Eltern, dass der Busverkehr läuft! Dafür ist die Stadt zuständig.“ Meistens, so war von den Eltern zu hören, haben sie bislang auf Anraten der Schulleitungen Vorfälle selbst beim RVE gemeldet. Jetzt will die Stadt Hinweise gezielt im Schulamt sammeln. Eltern sollen bei Meldungen die Nummer 02461-63247 anrufen oder eine Mail an schulverwaltungsamt@juelich.de schicken. Bei auffälligen Sicherheitsmängeln ist die Polizei direkter Ansprechpartner.

2700 Euro zahlt die Verwaltung für den Schülerspezialverkehr pro Tag – nicht eingerechnet die Gymnasiasten, führte Schulamtsleiter Gert Marx aus. Grund genug, wie Matthias Becker als Vertreter der GGS Nord, betonte, dass die Stadt ein Interesse am reibungslosen Ablauf haben sollte. Heinz Kähler stellte klar, dass der RVE bei dem Beitrag keine Riesengewinnsummen abschöpfen könne. „Zu Stoßzeiten sind 20 Busse gleichzeitig im Einsatz. Das rechnen Sie mal runter.“ Die Wirtschaftlichkeit ist das eine, die Sicherheit und Zuverlässigkeit etwas anderes und so ist aus Elternsicht die Frage von Michael Hegemann folgerichtig: „Sie müssen überlegen, ob der RVE dann noch der richtige Partner für die Stadt ist?“

Auf Drängen des Gremiums wurde ein zweites Treffen mit der Stadt und dem RVE für Februar terminiert, bei dem die Ergebnisse der Ausarbeitungen vorgestellt werden sollen.


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