Vortrag im Haupt- und Finanzausschuss zum Thema Überflutung
Kein Schutz vor Wassermassen - aber vor den Folgen
Von Dorothée Schenk [15.06.2008, 17.16 Uhr]
Der Kanal darf planmäßig bis zur Oberkante volllaufen. Repro |
Wenn man den „Kanal voll“ hat, heißt das meist nichts Gutes – das gilt auch für die Stadt Jülich. Dereinst wurden die Kanalrohr-Systeme so angelegt, dass noch Luft nach oben zwischen Ummantelung und Wasser blieb. Inzwischen sind die Kapazitäten derart erschöpft, dass – offiziell so vorgesehen – das Wasser sich bis zur Oberkante, also zum Gully staut. Da bleibt bei großen Niederschlägen wenig Spielraum. Das Kanalnetz versagt planmäßig. So schilderte es im jüngsten Haupt- und Finanzausschuss der Ingenieur Dr. Markus Schröder, der für die politischen Vertreter zum Thema „Überflutungsereignisse“ referierte.
Wenig Hoffnung machte er den Anwesenden, dass sie ein solches Unwetter wie am 29. Mai nicht mehr erleben werden. Rein statistisch betrachtet war es ein Ereignis, das einmal in 200 Jahren vorkommt. „So sieht es nach hinten betrachtet aus, aber wir wissen, dass die Häufigkeit zunimmt“, erläuterte Dr. Schröder. Ernüchternd folgt die Erkenntnis: Katastrophen können nicht verhindert werden. Das anschließende Credo: „Aber ihre Folgen müssen soweit gemildert werden, dass Menschen nicht Schaden kommen und die Sachschäden minimiert werden.“ Eben daran will die Stadtverwaltung mit der Ingenieurgesellschaft Tuttahs & Meyer aus Aachen arbeiten, für die Dr. Schröder im Ausschuss vortrug.
Die gedanklich einfachste Variante, nämlich der Ausbau der Kanalsystems, ist nicht zu finanzieren. Das machte Dr. Schröder sofort deutlich. Lediglich dort, wo ohnehin der Kanal saniert und neu gebaut werden muss, kann eine Anpassung vorgenommen werden.
Mit einer Schwelle können tiefliegende Garageneinfahrten geschützt werden: Repro |
Wichtig ist auch eine Aktualisierung des Generalentwässerungsplans (GEP), der in Jülich zuletzt vor 18 Jahren erstellt worden ist, an dem aber derzeit gearbeitet wird. Im GEP werden verschiedene Faktoren erfasst: Die planmäßige Überflutung durch Wasseraustritt aus dem Kanal, die Zustände der Kanäle sowie der so genannte hydraulisch Nachweis, bei dem der Durchfluss durch den Kanalbemessen wird, und schließlich die Auswirkung von Hochwasser auf die natürlichen Gewässer. Die Erkenntnisse sollen der Verwaltung und den Einsatzkräften vor Ort bei vorbeugenden Maßnahmen helfen. Kritisch merkte Dr. Schröder an, dass der Unwetterzentrale zu wenig Bedeutung beigemessen wird: Eine halbe Stunde vor der Katastrophe könnte genau gesagt werden, wo starke Niederschläge zu erwarten sind. Unterführungen könnten vorsorglich gesperrt werden und Kanäle mit Sandsäcken gesichert werden.
Als Detektivarbeit beschrieb Dr. Schröder was nach den Berechnungen folgt: Denn vor allem jetzt, da die Ereignisse noch frisch seien, könnten Menschen vor Ort befragt werden und hätten eventuell sogar Fotomaterial, so dass Hauptgefahrenpunkte zu ermitteln seien. Viel Gewicht wird auch dem Wissen der „Alteingesessenen“ beigemessen: Alte Menschen könnten sich noch erinnern, wo alte Bachläufe gewesen seien, wieso bestimmte Grundstücke nie bebaut worden seien und vieles mehr.
Eingefordert wurden von Heinz Frey (JÜL) regelmäßigere Kontrollen des Kanalsystems, wodurch mancher Überlauf hätten vermieden werden können. Martin Marquardt (SPD) kritisierte außerdem, dass den Menschen durch Abwasserabgaben das Gefühl der Sicherheit vermittelt werden. Es mangele an Sensibilität. „Leider werden die Menschen erste sensibel, wenn das Wasser im Keller war“, stimmte Dr. Markus Schröder zu. Daher sei es wichtig, Vorsorge für die andere Stadtteile zu treffen. Im Übrigen könne man ein Vorwarnsystem für eine Stadt einrichten – „aber das kostet Geld“.
Mit einigen praktischen Tipps wartete der Ingenieur auf
• Wer sein Haus nach einmaligen Wassereintritt nicht „nachrüstet“ – etwa die Rückstauklappe nicht funktionstüchtig ist – für den zahlt die Versicherung bei erneutem Schaden nicht. Allerdings schicken Versicherungen oft auf eigenen Kosten – so die Erfahrung von Dr. Schröder – Gutachter, die helfen, Gefahrenquellen aufzudecken und Gegenmaßnahmen zu entwickeln.
• Eingangstüren sollten über dem Straßenniveau liegen
• zu tiefliegenden Garagen (Kellerniveau) sollten Schwellen gebaut werden
• Lichtschächte – „klassische Eintrittsflächen bei Hochwasser“ – könnten durch einen Mauerschutz besser gesichert werden. Hier allerdings empfiehlt der Fachmann einen Statiker zu befragen, damit das Mauerwerk dem Wasserdruck auch Stand hält.
• Rasenflächen quer zur Geländeneigung mit einem kleinen Graben umgeben, der als Wasserablauf dienen kann. Gleiches gilt für Ackerflächen, bei denen außerdem ratsam wäre, gegen die Geländeneigung die Saatfurchen zu ziehen.
• Bei Überflutung auf keinen Fall versuchen, Hab und Gut aus dem Keller zu retten. Eintretende Wassermassen haben eine solche Wucht, dass Keller zu tödlichen Fallen werden, erläuterte Dr. Schröder.
• Das Land NRW hat eine Hochwasserfibel erstellt, die rechtliche, bauliche und präventive Maßnahmen zusammenfasst.
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