Ausstellung zum 60. Jahrestag von Jülichs Bombardierung
Ein Schrick am Abend
Von Dorothée Schenk [01.12.2004, 17.42 Uhr]
![]() Kunstvereins-Vorsitzender Peer Kling zeichnete die Lebensgeschichte von Egon Schrick nach. |
Mit nackten Tatsachen konfrontiert wurden am Vorabend des 60. Jahrestags der Zerstörung Jülichs die Besucher der Vernissage von Egon Schricks „Zeichnungen“. Der Berliner Künstler präsentierte im Foyer des Neuen Rathauses nicht nur seine Werke sondern auch sich selbst als lebendes Kunstwerk.
Schon die ausgestellten Bilder greifen den Betrachter an. Krieg, Zerstörung und Schrecken in Landschaft und Figurenbildern sind das Thema von Egon Schrick. Seine Sichtweise: Schwarz-weiß. Kohle – in Stift- und Pulverform – sind hierfür seine Instrumente. Eindringlich aufdringlich sind sie in ihrer Darstellungsform. Dabei gibt es für den zeichnenden Maler keine klare Trennung zwischen Täter und Opfer. „Terror“ leuchtet aus einer Textlandschaft. All dies passt sich blendend in die düstere Thematik zur Zerstörung Jülichs.
Darum wurde Egon Schrick vom Kunstverein Jülich und der Jülicher Gesellschaft gegen das Vergessen und für die Toleranz zu dieser Ausstellung eingeladen. Bei dieser Kooperation haben beide Partner gleichsam Gewicht: Die Kunst und der Ruf nach Toleranz. Beredtes Schweigen herrschte von jenen, die geblieben waren, zum Ende der Vernissage als Egon Schrick seine Performance beendet hatte. Auch hier war sein Thema „Täter-Opfer“. Nachdem er sich vor den Augen des Publikums entkleidet hatte, instrumentalisierte sich Schrick selbst.
„In der Aktion findet die unmittelbare Präsentation eines künstlerischen Denkprozesses mit Hilfe theatralischer Mittel statt, um durch die überraschende Pointe des improvisierten Geschehens das Leben selbst, die Aktualität einer Problematik mit größtmöglicher Eindringlichkeit zu demonstrieren.“ So steht es im Lexikon über die Kunstrichtung „Fluxus“, der Egon Schrick – hier vor allem als Kunstgefährte von Wolf Vostell – angehörte. So ist vermutlich seine Aktion zu verstehen, in der er zeichnete, sich wandt und lautmalerisch – mal in Tönen, mal mit einzelnen Wörtern – agierte. Die Atmosphäre war bedrückend.
![]() Mit beredtem Schweigen reagierte das Jülicher Vernissage-Publikum auf die Performance von Egon Schrick. |
Berlin ist nicht Jülich, das musste der Künstler deutlich spüren, als die Besucher immer mehr Distanz zwischen sich und den expressiv nackt Agierenden legten, wenn sie sich nicht ganz entzogen, in dem sie das Rathaus verließen. „Es war ein Versuch“, sagte Egon Schrick in die Stille und lud zum Austausch über das Erlebte ein, der einige wenige folgten. Seine Kunst zu leben, auch wenn es Entbehrungen bedeute, sei das Wesen von Egon Schrick, wie Peer Kling, Vorsitzender des Jülicher Kunstvereins, zur Ausstellungseröffnung einführte. Dass die stark expressive Darstellung der Performance in Jülich geteilte Meinungen hervorrufen würde, habe er sich gedacht, aber nicht in die künstlerische Freiheit Egon Schricks eingreifen wollen. Hier kommt der zweite Partner der Ausstellung mit dem Stichwort Toleranz zum Zuge.
Einführendes zu dem Ausgeführten
Auf erfreuliche Resonanz stieß die Eröffnung der Ausstellung „Zeichnungen“ von Egon Schrick, zu der Wolfgang Gunia in Stellvertretung für den Bürgermeister einführte. Diese politischen Bilder seien im Rathaus an der richtigen Stelle, so Gunia.
In „Vertretung für die Vertretung für die Vertretung“, wie Heinz Spelthahn für die Jülicher Gesellschaft gegen das Vergessen und für die Toleranz“ betonte, begrüße er die Anwesenden. Ralf Giordano wäre die erste Wahl gewesen, für ihn sollte Micha Guttmann die einführenden Worte sprechen, der kurzfristig aus persönlichen Gründen absagen musste. Schließlich erkrankte noch die Vereinsvorsitzende Gabriele Spelthahn. Die „Vertretung“ war dennoch beeindruckend, denn sie wählte seine Worte mit Bedacht: Heinz Spelthahn (re-)zitierte die Rede Richard von Weizsäcker zum 50. Jahrestag des 8. Mai 1945, mit der maßgeblichen Aussage: Es gibt keine kollektive Schuld oder Unschuld und keine Versöhnung ohne Erinnerung.
Peer Kling, Vorsitzender des Kunstvereins, sprach die Einführung zur Ausstellung und zeichnete die Lebensgeschichte Egon Schricks sehr persönlich nach. Von der Künstlerwerdung, die einst mit der Einweisung in eine geschlossene Anstalt als Jugendlicher begann, dem Umweg über die Architektur und Familienleben bis zum „Kunstmönch“, wie Kling Schrick nennt. In Berlin arbeitet und lebt der 1935 in Krefeld geborene Künstler, der seit den 70er Jahren in der Kunstszene mit öffentlichen Performances und zeichnerischen Rauminstallationen bekannt ist.
Die Ausstellung wird bis 11. Dezember zu sehen sein.
Dies ist mir was wert: | Artikel veschicken >> | Leserbrief zu diesem Artikel >>
Newsletter
Schlagzeilen per RSS
© Copyright