Mission: Kirche in den USA
Von Arne Schenk [03.07.2007, 08.54 Uhr]

Wie ein Feuermelder habe sie in der ersten Woche ausgesehen, lacht Pfarrerin Wiebke Waltersdorf von der Evangelischen Kirchengemeinde Jülich. Eigenhändig verpassten mehrere Damen der Pfarrerin einen knallroten Schopf mit orange-farbenen Strähnchen. „Das war sehr knallig. Später aber, als das etwas heraus gewaschen war, konnte ich gut damit leben.“

 „Zieht in Frieden eure Pfade“: Pfarrerin Wiebke Waltersdorf erteilt den Amerikafahrern auf einem Gottesdienst in der Christuskirchen den Reisesegen.

„Zieht in Frieden eure Pfade“: Pfarrerin Wiebke Waltersdorf erteilt den Amerikafahrern auf einem Gottesdienst in der Christuskirchen den Reisesegen.

Immerhin 50 Euro hatten die Damen dafür bei einer Versteigerung hingeblättert. Diese war Teil eines Fundraisings, wie es in vielen Gemeinden der USA üblich ist. Finanzielle Unterstützung einer Religionsgemeinschaft von Seiten des Staates existiert dort nämlich nicht. Um zu verstehen, wie Kirche „drüben“ funktioniert, hatte Wiebke Waltersdorf im Mai einen Gottesdienst „Marke USA“ veranstaltet, mit einer Liturgie der United Church of Christ, dem eigenen etwa 30-köpfigen Gospelchor sowie eben besagter Versteigerung.

Diese verlief zunächst eher verhalten. Mit fünf Euro für einen ganzen Abend Babysitten. Wenn das so weitergeht, wird das kein Spaß, dachte die Pfarrerin. Doch bereits bei dem zweiten Objekt, einem von einer Jugendlichen gebackenen Vollkornbrot, bekamen zwei Damen Spaß daran, sich gegenseitig zu überbieten. Bis zu 13 oder 14 Euro kletterte der Preise. Bei der Haarfarbe bot sogar Kollege Thomas Kreßner kräftig mit. So wurde es zu dem Event, wie Wiebke Waltersdorf es aus den Staaten her kannte.

400 Euro wurden so eingenommen. Für eine Fahrt von neun Mädchen und drei Jungs nach Madison in Wisconsin/USA vom 3. bis zum 17. Juli. Seit 25 Jahren besteht eine Partnerschaft zwischen der dortigen United Church of Christ und der Union Evangelischer Kirchen im Rheinland. Begleitet werden die Jugendlichen von Wiebke Waltersdorf und Jugendleiterin Steffi Arndt.

In dieser Umgebung hatte die Pfarrerin dreieinhalb Jahre gearbeitet, als sie fertig mit der Ausbildung war. Die UCC-Gemeinde kennt andere Frömmigkeitsformen, bezieht gleichzeitig klare Positionen gegen den Irakkrieg und hat bereits früh nicht nur farbige Pfarrer ordiniert sondern auch homosexuelle beiderlei Geschlechts. Warum USA? „Abenteuerlust“, lacht sie. Von der Landeskirche gab es ein Programm, das Auslandsvikariat. Gern gesehen war dabei ein Besuch der Partnerkirchen, beispielsweise auf den Phillipinen oder im Kongo.

Sie wollte in ein englisch-sprachiges Land gehen wollte, aber England war viel zu nah. „Dann hat meine Freundin Anita gesagt, die in Chicago studiert hatte, ‚Wiebke, der mittlere Westen ist heiliges Land, Indianerland, Holy Land.’ Dann bin ich einfach vermittelt worden, ich kannte die Gemeinde nicht, die Gemeinde kannte mich nicht, und das hat so super gepasst. Um mit der amerikanischen Sprache zu reden, bin ich so reich gesegnet worden. Das war unglaublich.“

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Jetzt geht es also mit dem Dutzend Jugendlicher zurück. Diese gehören teils zu dem Kreis der „Teamer“, die bei den Ferienspielen mitmachen oder in Kindergruppen engagiert sind. Sie zeigten sich von Anfang an interessiert und hatten sich schnell angemeldet. Aber es gab auch einige, die viele der anderen gar nicht kannten, und einfach den Mut aufbrachten, um dabei zu sein. Sie lernen das Leben in Gastfamilien, aber auch Madison als Stadt kennen. Madison selbst liegt um drei Seen herum. „Man hat immer einen See, wo man sitzen und Eis essen oder Baseball spielen kann.“

Am 4. Juli ist bereits der Unabhängigkeitsfeiertag, da geht es direkt zum Barbecue, der amerikanischen Grillfeier, und einem Feuerwerk. Daneben helfen die Teilnehmer bei Sozialprojekten der Kirche, einem Gartenwerk für sozial-schwache Kinder, wo sie das eigene Gemüse und Blumen ziehen, sowie in einer Art Suppenküche für Arme und Obdachlose. Am Ende verbringen sie zwei Tage in Chicago, der „Mega-Stadt“, zwei Stunden von Madison entfernt.

Bei einem der zwei großen Treffen im Vorfeld äußerten die Mitfahrenden ihre Ängste für die Reise, dass sie nicht genug Englisch sprechen können, dass man auf dem Flughafen oder in Chicago verloren geht oder sich daneben benimmt. Sie redeten aber auch darüber, woraus sie sich freuen, ein richtiges Pancake-Frühstück, Pfannkuchen mit Ahornsirup oder Blaubeeren, wie es so typisch für die Staaten ist, und auf die Landschaft, diese Weite. „Wir machen ja auch Outdoor-Sachen, eine Übernachtung auf einer Farm. Wisconsin ist von der Landwirtschaft geprägt.“ Zudem sind drei Tage Kanu-Fahren auf dem Wisconsin und Mississippi River geplant.

Und sie freuen sich auch darauf, in Gastfamilien zu sein, zu sehen, wie die „echten“ Amerikaner sind. Die Gemeinde, wo sie hinfahren ist sehr engagiert, politisch wie ökologisch. „Das sind Amerikaner, von denen man bei uns im Fernsehen nicht viel sieht.“ Die haben auf ihrer Kirche eine Solar-Anlage und einen Preis für ökologisches Wirtschaften bekommen und machen viele soziale Projekte wie alle kirchlichen Gemeinden drüben. „Das sind Menschen, die aus einer ganz anderen politischen Tradition kommen, als wir es wahrnehmen, ganz anders als die äußerst konservativen Kräfte.“

Nachdem der Jülicher Heimathafen wieder angesteuert worden ist, wird natürlich Bericht erstattet. Unter anderem in einem Gottesdienst am 19. August, den die Jugendlichen mitgestalten und in dem sie Lieder von der Fahrt mitbringen. Anschließend geht es in das Bonhoeffer-Haus, wo es dann auch typisch Amerikanisches wie Muffins oder Brownies gibt. Denn immerhin haben die anderen Gemeindemitglieder durch ihre Spenden bei der Versteigerung ein „ownership“ erworben, eine Art Teilhaberschaft, und möchten jetzt vielleicht wissen, wohin ihr Geld geflossen ist. „Es ist wichtig, dass es nicht getrennt voneinander abläuft, was Jugendliche und Erwachsene machen, sondern miteinander, dass man weiß, was der andere tut“, meint Wiebke Waltersdorf. Auch dies gehört zum „amerikanischen Geist“.


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