Innovatives Konzept mit Patenklassen

Jülicher Nordschule schert aus
Von Dorothée Schenk [30.04.2005, 09.30 Uhr]

Bisher konnten Eltern relativ gelassen der Einschulung ihrer Kinder entgegen sehen. Die Fakten lagen auf dem Tisch: Mit Griffel und Tafel, Schultüte und neuem Ranzen fanden sich die Kinder nach den großen Ferien ein und wurden mit ihrem Jahrgang einer Klassenlehrerin für die 1. Klasse zugeteilt. Mit dem neuen Schuljahr kommt aber die flexible Schuleingangsphase, die festlegt, dass von den Kindern einer Klasse eine Hälfte Zweit-, die andere Hälfte Erstklässler sind. Bilder von alten Dorfschulen spuken durch die Köpfe. Unsicherheit verbreitet sich bei den Eltern. Das JüLicht wird sich in loser Folge mit den unterschiedlichen Konzepten, die an den Schulen im Stadtgebiet Jülich angeboten werden, beschäftigen und sie an dieser Stelle vorstellen. Den Anfang macht die GGS Nord, die jetzt Eltern über ihr Konzept informiert.

Fast bis auf den letzten Platz gefüllt war das Foyer und dokumentierte anschaulich den Informationsbedarf. Zunächst ganz allgemein klärte Schulleiter Heinz Rombach das Auditorium über die Voraussetzungen auf, die ein künfigtes Schulkind mitbringen soll. Voraussetzungen, an denen es heute, wie Rombach weiß, immer mehr mangelt. Eine gute Motorik gehört dazu, aber vor allem auch die Fähigkeit, Deutsch richtig zu verstehen und zu sprechen. Eigentlich Selbstverständlichkeiten. Wie schon im Kindergarten diese Voraussetzungen gefördert werden, erläuterte Hedy Oetjen von der Integrativen Kindertagesstätte in Broich. Auf und mit allen Sinnen werden im Programm zwischen Balance-Akt und Bastelei die Kinder vorbereitet. Aber auch hier nicht mehr unbelastet: Von jedem Kind wird eine so genannte Könner-Mappe angelegt, die den Eltern nach der Kindergartenzeit ausgehändigt wird. Klugerweise, so der Rat, wird diese der Klassenleherin zur Verfügung gestellt. Hierin sind Stärken und Schwächen des „Probanden“ aufgezeichnet, etwa Sprechvermögen, beobachtete Verhaltensweisen aber auch, ob das Kind Links- oder Rechtshänder ist. Wer den Datenschutz hoch hängt, ist nicht verpflichtet, die Mappe vorzuzeigen. Das ist ähnlich wie mit den Empfehlungen für die weiterführenden Schulen, die im Abgangs-Zeugnis der Viertklässler nachzulesen sind.

Diese Beobachtungen sind auch deshalb so wichtig, weil nach dem Willen der Regierung künftig jahrgangsübergreifend unterrichtet werden soll: Flexible Schuleingangsphase heißt das Schlagwort. Je die Hälfte einer Klasse sollen mit Schulanfängern, die andere Hälfte mit Zweitklässlern besetzt werden. Der Vorteil soll darin liegen, Kinder mit besonderem Förderbedarf besser betreuen zu können. Ein Beispiel: Ein Erstklässler, der schon lesen kann, geht in die Lerngruppe der Zweitklässler. Ein Zweitklässler mit Leseschwächen wechselt noch einmal in die Gruppe der Erstklässler. Besonders begabte Erstklässler können quasi barrierefrei mit den vertrauten Zweitklässlern direkt in die dritte Klasse gehen. Wer sich schwer tut, kann aber auch ohne Schamgefühl drei Jahre im Klassenverband der Eingangsklasse zubringen. Das bedeutet aber auch, von Früheinschuler – noch 5 Jahre – bis Wiederholer der 2. Klasse – 9 Jahre – werden zwischen 28 und 30 Kinder gemeinsam von einer Lehrerin unterrichtet.
Auf die Nachfrage aus dem Auditorium, wieso die flexible Eingangsstufe eingeführt werden solle, erläuterte Konrektorin Saal die Hintergründe. Pisa ist mal wieder Schuld, konkret die Finnen und Schweden, die besonders gut abschneiden und jahrgangsübergreifend unterrichten. In diesen Ländern arbeiten 15 Kinder mit zwei Pädagogen in einer Lerngruppe.

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400 Lernende werden an der Jülicher Nordschule unterrichtet.

400 Lernende werden an der Jülicher Nordschule unterrichtet.

Heinz Rombach und sein Team von der GGS Nord sind nicht überzeugt von dem deutschen Konzept der flexiblen Eingangsstufe. Es gibt keine Schulungen und keine Vorbilder für einen solchen Unterricht. Statt dessen war die Lehrerschaft an der Berliner Straße kreativ und „baute“ ein eigenes Konzept. das die geforderten Eckpfeiler aufnimmt. „Im Grund scheren wir aus den Vorgaben aus“, erklärt Heinz Rombach. Seit zwei Jahren erproben Lehrer und Lernende die so genannten Patenklassen. Konkret: Die 1a ist Patenklasse der 2a, jedes ältere Kind bekommt einen Neuling an die Hand. Eine 1:1 Betreuung, in der die Älteren den Jüngeren nicht nur zeigen , wie Schule in ihrer Struktur funktionier – Stichwort: Pausenhof –, sondern sie lernen auch gemeinsam. In Religion etwa teilen sich die Klassenverbände und werden „halb und halb“ unterrichtet. Mit Erfolg. Dieses Lernkonzept ist jetzt ausgebaut und mit der Schulaufsichtsbehörde in Gesprächen abgestimmt worden. Letzte Instanz ist aber die Schulkonferenz und diese hat dem Vorgehen zugestimmt.

Die Zweifel der Eltern, dass sich die Kinder in keiner der beiden Klasse wirklich heimisch fühlen würden, versuchte Heinz Rombach zu zerstreuen. „Idealerweise werden die Kinder zwei Lehrerinnen als Vertrauenspersonen haben.“ Außerdem bleibe die Klassenlehrerin und der Verband – etwa bei Wandertagen etc. – erhalten und werde gepflegt. „Mir graut es schon davor“, gibt Schulleiter Rombach zu, „die Stundenpläne zu machen.“ Hier müssen künftig im Block alle ersten und zweiten Klassen abgestimmt werden, damit etwa ein sechsjähriger Mathekönner problemlos in die höhere Klasse gehen kann und ein achtjährigrer mit Leseproblemen seine Wissenslücken in Klasse 1 schließt. Bis auf Widerruf von offizieller Seite wird dieses Verfahren gepflegt. „Es kann immer sein“, so Rombach, „das die flexible Eingangsstufe auch für uns verpflichtend wird.“


Die nächste Informationsveranstaltung findet am 10. Mai in der Katholischen Grundschule Jülich im Schulzentrum statt.


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