Vortrag im Bonhoeffer-Haus von Dr. Udo Lenzig
Warum Hans Jonas noch immer hochaktuell ist
Von Arne Schenk [08.03.2007, 07.53 Uhr]
Klimakatastrophe, Artensterben und Überbevölkerung sind Themen, mit denen sich weitblickend der Philosophen Hans Jonas bereits in den 80er Jahren beschäftigt hat. Dessen Lösungsvorschläge für die Gegenwart sind Thema des Vortrag „Verantwortung für Gott und die Welt“ im Dietrich-Bonhoeffer-Haus. Im Gespräch erläuterte Referent Dr. Udo Lenzig, der über den Freiheitsbegriff im philosophischen Werk von Hans Jonas promovierte, mit Arne Schenk die Grundzüge der Jonas’schen Philosophie.
![]() Der Jülicher Theologe Dr. Udo Lenzig promovierte über den Freiheitsbegriff im philosophischen Werk von Hans Jonas. |
Wie sind Sie mit Hans Jonas und seiner Philosophie vertraut gemacht worden? Haben Sie ihn persönlich gekannt?
Dr. Udo Lenzig: Leider nicht. Im Rahmen meiner Promotion habe ich aber mit seiner Frau sprechen können. Ich hatte immer schon ein Interesse an Philosophie, Theologie und Naturwissenschaften. Hans Jonas Werk bot sich für mich an, weil er diese drei Aspekte sehr gut miteinander verknüpft. Der Facettenreichtum bei Jonas macht ihn so interessant und spannend für mich. Berühmt geworden ist er durch sein Buch „Der Gottesbegriff nach Auschwitz“. Hier sagt er: Nach Auschwitz können wir nicht mehr von Gott als dem Herrn der Geschichte sprechen, nicht mehr von dem allmächtigen Gott sprechen. Trotzdem ist Gott sozusagen am Anfang als Schöpfer präsent. Er ist auch derjenige, auf den das Ganze zuläuft. Hier tragen wir Verantwortung für uns, wir tragen Verantwortung für die nachkommende Generation, dass sie auf dieser Erde leben kann. In letzter Konsequenz tragen wir auch Verantwortung für das Schöpfungswerk Gottes, der es uns Menschen anvertraut hat und das wir nicht zerstören dürfen.
Warum sollten sich auch Menschen danach richten, die nicht an Gott glauben?
Dr. Udo Lenzig: Ich habe zu diesem Zweck die Zeitung von heute mitgebracht. Auf Seite 1 geht es oben um die Klimakatastrophe, unten um den Zusammenbruch der Fischerei, der die Artenvielfalt stark dezimiert. Auf einer Seite sieht man, wo es heute in unserer Welt brennt, wie wir dabei sind, die Lebensgrundlage auf diesem Planeten Erde systematisch zu zerstören. Das Bedeutsame daran ist, dass Hans Jonas bereits 1979 mit seinem großen Werk „Das Prinzip Verantwortung“ genau auf diese Probleme hingewiesen hat.
Sehr weitsichtig hat er nicht Themen wie Friedensbewegung und Kernenergie aufgegriffen, sondern sagte, das Problem liege viel tiefer und sei viel subtiler. Es liege darin begründet, dass wir Menschen uns immer stärker vermehren, Stichwort Überbevölkerung; dass wir immer mehr Energie brauchen, Stichwort Kohlendioxydemission, und dass wir immer stärker unsere Böden überdüngen müssen, um diese große Menge zu ernähren. Er hat damals schon gesehen, das führt langfristig zum Kollaps. Und jetzt kommt die wirklich philosophisch wichtige Frage: Warum dürfen wir eigentlich nicht jetzt auf hohem Niveau weiterleben und sagen: Dann ist das halt die letzte Generation. Warum haben wir die Pflicht und die Verantwortung, dass Leben auch für die kommenden Generationen möglich sein wird? Das versucht er, in seinem Buch „Das Prinzip Verantwortung“ möglichst philosophisch zu begründen.
![]() Der Vortrag über Hans Jonas ist eine Herzensangelegenheit von Dr. Lenzig |
Inwiefern müssen dazu gesellschaftspolitische Prozesse angeregt werden, notfalls auch über Gesetze?
Dr. Udo Lenzig: Hans Jonas sagte: Tschernobyl, das große Reaktorunglück in der Ukraine, hat mehr für den Umweltschutz getan, als die ganzen Diskussionen der Grünen und der Politiker. Tschernobyl hat den Menschen weh getan. Da haben viele umgedacht. Solange das Ganze sich nur auf einer abstrakten Ebene bewegt, ändert sich nichts. Das bedeutet vielleicht für unser Thema „Klimawandel“, es tut noch nicht genug weh, damit die Menschen erkennen, es geht mir ans Leben, an meine Lebensqualität, und dann lassen sie vielleicht das Auto auch mal stehen. Die Frage ist natürlich: Haben wir diese Zeit? Könnten hier Gesetze etwas verändern? Jonas hat erkannt, dass das Instrument der Demokratie viel zu langsam und unflexibel ist, um auf diese globale ökologische Herausforderung zu reagieren.
Welche Konsequenzen ziehen Sie persönlich für Ihr eigenes Leben?
Dr. Udo Lenzig: Was ich bei Jonas über Natur und Tiere gelernt habe, hat mein Verhältnis zur Schöpfung stärker geprägt, als manche Vorlesung im Rahmen meines Theologiestudiums. Es hat mich sensibilisiert. Ich arbeite an einer Schule, und versuche immer wieder diese Sensibilität für die nicht-menschliche Schöpfung, für Tiere, für die Umwelt weiter zu geben. Und natürlich denke ich an die Verantwortung für die nachkommende Generation. Als Vater einer siebenjährigen Tochter ist es ein ganz natürliches Interesse. Wenn ich lese, dass die Meere überfischt sind, dann darf man halt bestimmte Dinge nicht mehr kaufen, nicht mehr essen. Ich versuche das in meinem Leben in gewissen Rahmenbedingungen einzuhalten. Ich bin nicht über die Beschäftigung mit Jonas zu einem Asketen geworden, der er auch selber nicht war, aber ich habe eine Sensibilität gewonnen, die ich in meinem Lebensraum weiterzugeben versuche. Daher ist der Vortrag, wie ich ihn am Freitag halten werde, für mich eine Herzensangelegenheit.
Der Vortrag „Verantwortung für Gott und die Welt“ des Evangelischen Erwachsenenbildung im Dietrich-Bonhoeffer-Haus/Christuskirche, Düsseldorfer Straße 30, beginnt am Freitag, 9. März, um 19 Uhr. Der Eintritt ist frei.
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