Jugendliche haben kein Problem beim Alkoholkauf
Leichter, als die Polizei erlaubt
Von Achim Heidemann [14.02.2007, 11.15 Uhr]
Beim Straßenkarneval ergießen sich im Jülicher Land nicht nur viele Narren auf, sondern auch etliche Liter Alkohol in dieselben. Das gilt nicht nur für die Erwachsenen. In zunehmendem Maße sind jugendliche Betrunkene im karnevalistischen Bild zur unschönen Normalität geworden. Wie leicht sogar Kunden unter 16 Jahren an den unerlaubten „Bölkstoff“ kommen, zeigt ein Feldversuch.
![]() Für viele Jugendliche ist es kein Problem mehr an Alkohol zu kommen: Die Auswahl ist groß, die Kontrollen sind niedrig. |
JüLicht-Mitarbeiter Achim Heidemann hat in der Kreisstadt auf der Straße Svenja, 15 Jahre, und Marco, 16 Jahre, angesprochen. Die Jugendlichen wissen ganz genau, wo und wie man an „härteres“ als die erlaubten Softdrinks kommt. „Das ist ganz einfach: Man geht zu einem Kiosk oder kleinem Laden, da bekommt man alles. Die Fragen auch nicht nach dem Personalausweis, oder so.“ Auch ihr Freundeskreis kennt die Tricks, wie Svenja weiß. „In den großen Supermärkten wird kontrolliert. Wenn man jedoch älter aussieht, fragen sie nicht.“ Auch an Tankstellen ist die Chance, an Alkohol zu kommen, sehr groß. Hier wird gar nicht kontrolliert und einfach alles ausgehändigt, so die Aussage der Jugendlichen.
Gemeinsam mit den Jugendlichen macht JüLicht die Probe aufs Exempel: Als Tester unterwegs sind Lara (14), Svenja (15) und Marco (16). Alle sind unabhängig voneinander in zufällig ausgewählte Läden gegangen, um Alkoholika zu kaufen. Lara und Svenja darf nach Jugendschutzgesetz noch gar keinen Alkohol ausgehändigt werden, Marco darf nach Vorlage seines Personalausweises Wein und Bier kaufen. Die ausgewählten Läden waren vier namhafte Supermarktketten, ein kleiner Kiosk und eine Tankstelle. Der Reporter steht als normaler Kunde mit in der jeweiligen Kassenschlange des Testkindes und gibt sich nicht zu erkennen.
Lara geht als erste los. Sie ist 14 Jahre alt, sieht jedoch deutlich jünger aus. In den Supermärkten – Fehlanzeige, der Kiosk gibt vor, keinen Alkohol zu haben. In der Tankstelle ist es für Lara kein Problem. Sie erhält die Dose Bier und die Verkäuferin meint, dass sie das eigentlich nicht dürfe, und für sie eine Ausnahme machen würde. Darauf angesprochen, erklärt die Tankstellen-Mitarbeiterin, dass angeblich der Vater vor der Tür gewartet habe und sie das normalerweise nicht machen würde.
![]() So sieht es rechtlich aus |
Der 16jährige Marco ist Testperson Nummer 2 und darf schon gewisse Alkoholika kaufen. An der Kasse wird er in den Supermärkten nach dem Ausweis gefragt, jedoch wissen die Kassiererinnen offenbar nicht, dass Wodka erst ab 18 erhältlich ist und so kann er unbehelligt in allen Märkten einkaufen, was er möchte. Beim Kiosk erhält er das Gewünschte ohne Nachfrage, in der Tankstelle bejaht er lediglich die Frage ob er alt genug sei mit ja, ohne seinen Ausweis zeigen zu müssen.
Letzte Runde für Svenja: Die 15-Jährige sieht erwachsener aus und so hat auch Svenja am Kiosk und an der Tankstelle keine Probleme mit dem Einkauf. Die Supermärkte reagieren unterschiedlich: In einem Markt wird sie kontrolliert, in dem anderen nicht, aber dann gibt es eine Überraschung: Während Svenja in der Schlange steht – vor ihr der Reporter–, weist ein Mann mittleren Alters die Jugendliche darauf hin, dass sie „diese Sachen“ doch gar nicht kaufen dürfe. Er bietet sich an, es für sie zu kaufen, er war ja schließlich auch mal jung, wie er meint. Svenja gibt ihm das Geld für die Flasche Korn und er bezahlt die Flasche, zusammen mit seinem Einkauf. Hinter dem Kassenbereich gibt es Svenja das Restgeld von ihr und die Flasche und wünscht ihr zwinkernd noch einen schönen Abend.
Fazit: In den Supermarktketten wird kontrolliert, in kleinen Kiosken oder Tankstellen nicht. Diejenigen die Kontrollieren, kennen oftmals den Unterschied bei den Altersgrenzen zwischen 16 und 18 nicht. Ebenfalls spielt das vermeintliche ältere Aussehen beim Kauf eine große Rolle. Sieht man Älter aus, wird automatisch angenommen, dass man auch alt genug ist. Da bringen auch Bitten an die Kassierer durch die Behörden kurz vor Karneval nichts, wenn man an den anderen Tagen im Jahr alles problemlos erhält. Vor allem bringt es nichts, wenn Erwachsene für Jugendliche bewusst das Jugendschutzgesetz umgehen. Die alkoholischen Produkte haben Svenja, Lara und Marco natürlich nach der „Einkaufstour“ abgegeben, versteht sich.
Die Rechtssituation
Im Jugendschutzgesetz ist geregelt, dass an Jugendliche ab 16 Jahren legal Bier, Wein, Obstwein und Sekt abgegeben werden darf, Branntwein und branntweinhaltige Getränke aber erst ab 18 Jahren. Ebenfalls erst ab 18 Jahren dürfen sogenannte Alcopops abgegeben werden, also süsse Designer-Mixgetränke die mit Hochprozentigem wie Martini, Tequila oder Wodka versetzt sind.
Wer Jüngeren Alkohol zugänglich macht oder verkauft, begeht keine Straftat, sondern eine Ordnungswidrigkeit. Diese kann seit 2003 mit einem Bußgeld bis zu 50.000 Euro belangt werden. Das allerdings, so erklärt der Jülicher Amtsleiter Günter Kuhn, ist nach seiner Kenntnis noch nicht vorgekommen. Wird das Jugendamt informiert, kommt es zunächst zu einer Anhörung, ehe ein Verfahren eingeleitet wird. Es kann von einer Verwarnung bis zum Bußgeld führen. bei Gaststätten kann im wiederholten Falle auch die Konzession entzogen werden. Wegen unerlaubter Abgabe von Alkohol ist dies laut Kuhn in Jülich aber ebenfalls nich nicht vorgekommen. Auch Bußgelder werden nicht bis zum Höchstmaß verhängt, diese wären höchstens bei Supermärkten angemessen, die durch hohe Abgabe von Alkoholika an Jugendliche auffallen. Denn schließen darf das Ordnungsamt die Märkte nicht: "Das Geschäft muss ja weiterhin die Möglichkeit haben, seine Milch weiter zu verkaufen."
Übrigens: Die Polizei ahndet diese Ordnungswidrigkeit nicht, wie Pressesprecher Willi Jörres betont. Sie prüft den Sachverhalt, unterbindet gegebenenfalls die Ordnungswidrigkeit und fertigt eine Anzeige. Diese wird dann vom Ordnungsamt bearbeitet.
Lesen Sie hierzu: DAK Jülich informiert über "Aktion Glasklar"
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