Evangelische Kirchengemeinde absolviert Pilotphase

Jülicher Familien durch Probleme lotsen
Von Dorothée Schenk [21.09.2006, 12.13 Uhr]

Sie sind nah dran an den Kindern und ihren Familien (l.) Gertud Gärtner und Pfarrer Thomas Kreßner stehen in der Pilotphase des Familienzentrums.

Sie sind nah dran an den Kindern und ihren Familien (l.) Gertud Gärtner und Pfarrer Thomas Kreßner stehen in der Pilotphase des Familienzentrums.

Über den Hintergrund des NRW-Projektes „Familienzentrum“ hat sich der Vater der Jülicher Niederlassung, Dr. Thomas Kreßner, so seine Gedanken gemacht: „Es gibt einen Patienten in unserem Land und der heißt Familie.“ Mit der wachsenden Zahl an ein-Eltern-Kind- und Patchwork-Familien steigen die materiellen und immateriellen Belastungen, ist er überzeugt. Hinzu kämen Erziehungs-Defizite, Erziehungsunwilligkeit und –fähigkeit. Aufgaben, die sich daraus ergeben sind Förderung in Sprachfähigkeit, Motorik – fein, wie grobmotorischen Fähigkeiten – sowie der Stellung zu Gewaltfragen. Lange Jahre sei „in stiller Übereinkunft aller Parteien“ die Familien vernachlässigt worden. „Es gibt eigentlich nur Sünder“, zieht Kreßner ein Fazit.

Grund genug für die evangelische Kirchengemeinde Jülich, sich in das Projekt „Familienzentrum“ einzubinden. Für die Aufgabe, den Müttern und Vätern des Landes bei allen Fragen rund um die Familie mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, wie es die Aufgabe durch das Land NRW vorgibt, sieht sich die evangelische Gemeinde mit dem Diakonischen Werk gut aufgestellt. So kam es zur Bewerbung im März, in die Pilotphase des Projektes aufgenommen zu werden. Die Bestätigung schickte Armin Laschet am 23.Mai per Post vom Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und Integration: Das Konzept der evangelischen Kirchengemeinde Jülich wurde aus 1004 Bewerbungen ausgesucht. Am Abschluss soll das Gütesiegel stehen.

„Es ist keine neue Idee, sie wird nur organisierter“, erklärt Pfarrer Kreßner und wird ergänzt von Gertrud Gärtner, die sagt: „Wir wollen Vernetzung sichtbarer machen.“ Die Leiterin der gemeindegetragenen Kindertagesstätte „Kleine Strolche“ an der Röntgenstraße in Jülich wird die „Lotsin“ des Familienzentrums. Die Kindertagesstätten sind nach der Überzeugung von Dr. Kreßner die Kristallisationspunkte, die so genannte „niederschwellige Angebote“ machen können. Übersetzt verbirgt sich dahinter die Nähe zu den Eltern, die unbefangen in ihrer Kinder-Einrichtung Rat und weiterführende Hilfe holen. Das ist heute schon so.

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Erweitert werden soll das Angebot auf Jugendliche und erwachsene Beratungssuchende. Sie sollen in den weiteren zentralen Einrichtungen der evangelischen Kirche Hilfe finden: Dem Bonhoefferhaus, dem Peter Beier Haus und der Beratungsstelle des Diakonischen Werkes in der Schirmer Straße. Diese Einrichtungen liegen ein paar Schritte voneinander entfernt. Schon daher kommt das „Kaufhof-Modell“ eines Familienzentrums – alles unter einem Dach – für Jülich auch nicht in Frage.

Derzeit befindet sich der Lenkungskreis in der Coaching-Phase, die noch bis Mai 2007 dauert: Fünfmal bezahlt das Institut für Arbeit bis dahin Bernd Brass aus Neuss, der Gertrud Gärtner, Pfarrer Kreßner, Manfred Bosau und Elke Bennetreu auf die Dienstleistungen im Land NRW vorbereitet.

Mit der Umsetzung des erfolgreichen Familien-Zentrumskonzepts haben die Jülicher bereits begonnen. Nach einer Umfrage unter den Eltern der „Kleinen Strolche“ wurden die ersten Kurse entwickelt: Erste Hilfe am Kind ist ein Projekt mit dem Malteser Hilfsdienst, ein Selbstbehauptungskurs für Kinder ist vorgesehen, aber auch ein Elterncafé. Vorgesehen sind auch Sprachkurse, in der, wie Pfarrer Kreßner es ausdrückt, Eltern Kindersprache lernen. „Wir müssen Eltern in die Lage versetzten, mit ihrem Erstklässler lesen zu lernen.“ Die Krux daran ist, dass - und hier wird Kreßner zynisch - das Land NRW sich Integration auf die Fahne schreibt, aber die Mittel für Sprachförderungen kürzt. Eine Tagesmüttervermittlung in Zusammenarbeit mit dem Kreisjugendamt und ein Babysitter-Kurs sind gleichfalls in Planung.

Die Frage, ob ein Familienzentrum auch eine Standortsicherung für die eigenen Einrichtungen sein kann, bestätigt Pfarrer Kreßner. Unklar sieht der Jülicher Projektleiter die künftige Finanzierung von Beratungsstellen, Horten und Kindergärten. Vorausgesetzt die Kinderzahl sinkt, wie die Politiker es erwarten, würde es unweigerlich zu Schließungen von Gruppen und/oder Einrichtungen kommen. Allerdings gibt es Kreßner schmunzelnd zu bedenken: „Die Zukunft liegt nicht in unserer, sondern Gottes Hand und der will ich mich nicht im Wege stehen sondern mitwirken.“

An einem Familientag am Sonntag, 22. Oktober, sollen Interessierte sich über das Familienzentrum und sein Angebot im Dietrich-Bonhoeffer-Haus informieren können.

Mehr Informationen unter www.familienzentren.nrw.de


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