Interview: Axel Petri über

Frauen sind das treueste Publikum
Von Dorothée Schenk [10.08.2006, 07.31 Uhr]

Seit acht Jahren bietet die Metropolis Filmtheater GmbH aus Würselen im Jülicher Brückenkopf-Park Open-Air-Kino an. Eine Sache, die nie so richtig in trockenen Tüchern ist, wie Geschäftsführer Axel Petri im Interview erläutert. Der engagierte Filmmann kämpft jedes Jahr gegen drohende Wassermassen von oben… Es könnte dieses Jahr die letzte Open-Air-Saison sein, denn der Gesellschafterverein Metropolis leidet unter anhaltender Ebbe in der Kasse. Über Open-Air, Kino im Allgemeinen und seine Filmleidenschaft sprach Axel Petri mit Dorothée Schenk inmitten von Donner, Gewitter und Platzregen.

Auf die richtige Einstellung kommt es an: Axel Petry baut fürs Jülicher Open-Air-Kino auf.

Auf die richtige Einstellung kommt es an: Axel Petry baut fürs Jülicher Open-Air-Kino auf.

Freitags in Jülich – Open-Air-Kino und es regnet.

Axel Petry: Die letzten drei oder vier Jahren hatte ich immer das Gefühl, dass jemand in Jülich mittags einen Schalter umlegt. Von acht Spielterminen bleiben zwei trocken. In Würselen spielen wir donnerstags, da ist es immer umgekehrt. In Jülich tun wir uns schon lange schwer, sobald das Wetter nicht mitspielt, ist es noch schwieriger. Auch das ist in Würselen anders. Jülich hat natürlich ein kleineres Einzugsgebiet, das muss man realistischer Weise sagen.

„Die weiße Massai“ war trotz des heftigen Gewitters gut besucht.

Axel Petry: Bundesweit hatte „Die weiße Maissai“ drei bis vier Millionen Besucher, er ist einer der erfolgreichsten Filme der Saison. Für Jülich hatten wir einen guten Vorverkauf: 50 Karten wurden in Würselen vorbestellt. Das ist großartig. Normalerweise bewegt sich der Vorverkauf in Würselen für Jülich im nicht messbaren Bereichen. Um das Open-Air-Kino hier attraktiver zu machen, haben wir mehrere Filme ausgesucht, die nur in Jülich laufen: „Die weiße Massai“, „Der ewige Gärtner“ und „Brokeback Mountain“ – im Progammkino einer erfolgreichsten Filme im ersten Halbjahr 2006 und der Renner der Open-Air-Kinos. Wenn es natürlich wie jetzt junge Hunde regnet, macht es keinen Spaß mehr.

Was passiert, wenn ins Open-Air-Kino der Blitz einschlägt?

Axel Petry: Wenn es richtig gewittert kann es sein, dass wir die Vorführung aus technischen Gründen absagen müssen. Auch ohne Gewitter fliegt hier schon mal die eine oder andere Sicherung raus. Unser Filmprojektor ist ja ein richtiges Schätzchen, die Maschine ist 60 Jahre alt und zu einer Zeit gebaut worden, da sah der Strom noch ein bisschen anders aus. Die Gleichstromlampe im Projektor zieht ordentlich Strom. Die VDI-Vorschriften waren noch nicht so streng wie heute.

Der Film beginnt immer um 21.30 Uhr. Wieviel Vorlauf brauche Sie für den Aufbau?

Axel Petry: Wir sind ab sechs halb sieben hier und fangen dann an aufzubauen. Zweieinhalb Stunden brauchen wir, bis alles steht. Der Projektor muss aus dem Container geholt werden, die Leinwand aus den kleinen Taschen gefaltet und aufgebaut werden, wir müssen jedes Mal alles neu einrichten: Optisch und tonmäßig.

Wie werden die Filme ausgewählt?

Axel Petry: Am besten laufen Filme wie „Die weiße Massai“. Wo ordnet man solche Filme ein? Frauenfilme – der Begriff ist ja nicht geschützt, hat sich aber etabliert, und es ist schon was dran. Frauen sind unser treuestes Publikum. Es kommen zwei Drittel Frauen und von den Männern, die kommen, sehen einige recht geprügelt aus, nach dem Motto: Entweder Du kommst heute abend mit, oder der nächste Frühschoppen ist gestrichen. Letzte Woche saß bei „Wie im Himmel“ in Würselen ein Mann auf einer Bierbank, er sah schon so ein bisschen wehleidig aus, auf einmal lag er auf der Bank und war eingeschlafen.

Wir merken auch beim normalen Kino, das alles, was in Richtung Männerkino geht – Actionfilme – nicht läuft. Die Kerle wollen die Dinger in der ersten Woche sehen, am liebsten im Preview, auf der Riesenleinwand in Dolby Digital und am besten noch ein paar nackte Gogo-Girls vor der Leinwand. Die Damen sind da wesentlich genügsamer, für sie zählt der Film als solches. Auch wenn wir Filme bei uns erst nach sechs, sieben Wochen zeigen, warten sie so lange.

Was muss ein guter Film haben?

Axel Petry: Es ist zu kurz gegriffen zu sagen, der Film kommt aus Hollywood, ist Massenproduktion, fürs breite Publikum und darum ist er alleine schlecht. Es ist eine häufig verbreitete elitäre Haltung bei so genannten Cineasten. Es geht darum ob ein Film Herz und Verstand hat, hält er den Zuschauer nicht für dämlicher als er ist, schielt er nicht mit beiden, sondern nur mit einem Auge auf die Kasse – dass Filme Geld einspielen müssen, ist klar. Auf der anderen Seite tue ich mich mit Filmen des so genannten Kunstkinos schwer, oder wie es neudeutsch heißt, „Arthaus“-Filmen… Wenn mein Kinoprogramm Filme, die ich mir persönlich anschauen müsste, nur aus Filmen bestehen würde wie „Wie im Himmel“ oder „Die weiße Massai“, ich glaube, das würde mir sehr schnell den Gang ins Kino verleiden. Das ist für mich bildungsbürgerliches Vorzeigekino, es ist mir zu artifiziell, nur für ein kleines Publikum gemacht. Kino muss ein bisschen mehr sein. Die Engländer und Amerikaner, geben ein gutes Beispiel ab, wie man den Spagat zwischen Kunst und Kommerz schafft, zwischen Unterhaltung und Anspruch, etwas, das dem deutschen Film fast nie gelingt, oder nur selten. Außer vielleicht in „Sommer vorm Balkon“…

Was ist Ihr Lieblingsfilm der Saison?

Axel Petry: Leider spielen wir den nicht in Jülich, es ist „Wallace & Grommit auf der Jagd nach dem Riesenkaninchen“ – diesen Film liebe ich. Es wieder mal fast bezeichnend, dass dieser Film der am schwächsten besuchte bei uns in Würselen war. Ansonsten mag ich amerikanisches Genrekino der 40er, 50er Jahre, nicht alle, aber Western, Screwball-Comedy, Mantel- und Degenfilme mit Schauspielern wie James Stewart, John Wayne, vielfach verpönt in Deutschland, vor allem bei den Damen, aber da habe ich ja überhaupt kein Problem mit. Auch Errol Flynn und Tyrone Power sind ein Typus Schauspieler, der fast nicht mehr existiert. Das ist faszinierendes Kino mit einer großen Einfachheit, Naivität, die heute gar nicht mehr funktionieren kann.

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Ein Mann und seine Leidenschaft - da ist Axel Petry so gar nicht "objektiv".

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Wann wuchs Ihre Liebe zum Kino?

Axel Petry: Ich will nicht sagen, dass sie mir in die Wiege gelegt worden ist. Ich bin ja ein Nachgeborener, wie ich immer sage – die wirklich große Kinozeit habe ich verpasst. Ich bin Jahrgang 61. Ich kann mich zwar noch erinnern, als Kind oder Jugendlicher gab es noch die Wochenschau. Aber die wirklich große Zeit habe ich nicht mehr miterlebt. Mein Vater war ein begeisterter Kinogänger, der mich sehr früh angesteckt hat. Wenn ich dann als Kind vor dem Fernseher saß, hat er mir immer eine lange Nase gemacht. Er zog mich auf, erzählte „den hab ich doch zehnmal im Kino gesehen, auf dem kleinen Bildschirm…ist doch ein Witz“. Mein Vater hat mich schon ins Kino mitgenommen, als ich noch nicht in der Grundschule war, was damals gar nicht erlaubt war. Die Altersfreigabe ohne Beschränkung ist Ende der 50er Jahre abgeschafft worden und erst in den 80er Jahren wieder eingeführt worden. Dazwischen durfte man rechtlich gesehen erst ab sechs Jahren ins Kino gehen.

An der Hauptstraße war alle zwei- dreihundert Meter ein Kino, das kleinste hatte 400 Plätze, das größte 800. Sonntags die Kinder- und Jugendmatinees waren ausverkauft. Du musstest aber zuerst in die Kirche gehen – Kirche und Kino wird ja oft miteinander verglichen: eine katholische Messe unterscheidet sich nicht grundsätzlich qualitativ von einer Kinovorführung. Da werden auch alle Sinne angesprochen… Man ging also erstmal zur Messe und anschließend ins Kino. Da musste man sich beeilen. Zum Glück lag mein Stammkino nicht weit von der Kirche entfernt – fußläufig zwei bis drei Minuten. Aber der Pastor war schon sehr alt und hatte jedes Zeit- und Raumgefühl verloren. Er predigte sehr lange und so konnte man schon mal einen Sonntag die Messe schwänzen, weil man aus einer Predigt zur Not schon mal zwei generieren konnte, wenn man beim Sonntagsessen danach gefragt wurde.

Ich hatte dann das Pech, dass die 70er Jahre anbrachen, als ich älter wurde – das war der absolute Tiefpunkt der Filmproduktion. Aber auch, was den Zustand der Kinos anging. Man saß in Kinos, wo man Angst hatte, dass der Sitz unter einem wegbrach. Eine Änderung kam erst, als es mit der Qualität der Filme aufwärts ging. Was zur Folge hatte, dass zu dieser Zeit schon viele Kinos geschlossen hatten. So war es ja auch in Würselen – einer der Auslöser, dort kommunale Filmarbeit zu machen.

Wie sieht es mit der Zukunft des Metropolis und des Open-Air aus?

Axel Petry: Open-Air-Kino läuft immer noch sehr gut. Es war eigentlich immer eine sichere Bank, obwohl sich da auch seit letztem Jahr Abbröckelungstendenzen bemerkbar machen. Die Besucherzahlen in Deutschlands Kinos sind insgesamt drastisch zurückgegangen. Um 20 Prozent. Einen solchen Rückgang hatte man selbst in den 70er Jahren nicht. Das ist natürlich auch nicht spurlos an uns vorüber gegangen. Wir hatten zwar keine 20, aber so um die 15 Prozent weniger Besucher. In der Kinobranche hat – wie in vielen anderen Branchen auch – eine sehr starke Konzentration stattgefunden. Stichwort: Multiplex-Kinos. Als ’97 der Cinetower in Alsdorf eröffnete, hat uns das locker 5000 Karten im Jahr gekostet. Wir lagen mal in Würselen mit dem Open-Air-Kino bei 25.000 verkauften Karten, letztes Jahr waren es noch 16.000.

Wir sind die letzten, die richtiges Programmkino machen, ein richtiges Monatsprogramm. Das macht ja sonst gar keiner mehr. Die Zeit ist schnelllebig geworden. Die Haltwertzeit der Filme unterschreitet inzwischen die von Obst und Gemüse. Wenn wir den Film bekommen, fünfte, sechste Woche nach Start, ist meistens schon die Luft raus.

Das Projekt „Metropolis“ war von Anfang an, um es vorsichtig zu formulieren, unterfinanziert. Der Neubau 1995 hat etwa eine Millionen Mark verschlungen. Wir haben natürlich keine finanziellen Rücklagen. Die Besucherzahlen waren im Grunde immer zu gering.

Wieso machen Sie immer noch „Kino“ mit soviel Engagement?

Axel Petry: Die Frage wird mir häufiger gestellt und ich stelle sie mir auch immer häufiger. Jemand, der seit 30 Jahren ein Kino betreibt, hat mal gesagt: Film klebt. Das ist auch im wörtlichen Sinne zu verstehen: Wenn man Zelluloid mit Wasser in Verbindung bringt, klebt es. Zum Kinomachen gehört eine gewisse Verrücktheit dazu. Aber es wird zusehens schwieriger.

Was kommt, wenn der Stern des Metropolis sinkt?

Axel Petry: Ich habe keine Ahnung, wir haben noch Hoffnung. Es ist noch immer irgendwie weitergegangen. Ich habe in meinem Leben schon viele Dinge gemacht, die mit Kino zu tun hatten. Ich denke, für gute Leute gibt es noch immer irgendwo ein Plätzchen…

Zum Metropolis

Open-Air-Kino-Programm Jülich

Open-Air-Kino in Würselen


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