Reportage: Fahrsicherheitstraining
Sicher mit einer handbreit Gummi unterm Reifen
Von Dorothée Schenk [07.01.2005, 14.43 Uhr]
![]() Und wenn die Pilone fliegt dann gilt es richtig zu reagieren und neben der<br/> Bremse auch das Ausweichmanöver zu finden. <br/>Und wenn die Pilone fliegt dann gilt es richtig zu reagieren und neben der<br/> Bremse auch das Ausweichmanöver zu finden. <br/> |
Und los geht es: Dreifacher Slalom um die Pilonen. Warmfahren nennt Maria Brendel-Sperling das. Gas geben und auf Handzeichen mit Schwung um die kleinen Hütchen. Der Wagen folgt sanft dem Kurvenlauf und auch bei fast 40 Kilometern in der Stunde steigt der Adrenalinspiegel nicht wesentlich. Die erste Übung beim Fahrsicherheits-Training für Frauen sorgt bei einer leidenschaftliche Autofahrerin für ausgesprochenen Spaß – so ausgelebt werden kann die eigene Experimentierfreude im regulären Verkehr selten. Allerdings steht hier die Selbstbeobachtung an erster Stelle: Wie schnell kann ich fahren? Wohin gucke ich? und: Wie lenke ich? Rapport erwartet die ausgebildete Trainerin der Verkehrswacht. So so, einhändig: „Ein typisches Vielfahrer-Syndrom“, lautet das Urteil. Beide Hände gehören ans Steuer und zwar in der Haltung „viertel vor drei“, dem Uhrzeiger folgend. Und das gilt auch beim Lenken, damit es nicht zu „Armsalat“ kommt, wie Maria Brendel-Sperling es nennt.
Elf Frauen haben sich an diesem Morgen in Koslar eingefunden, um sich fahrtechnisch für die unsicheren Wetterverhältnisse fit zu machen. Die Motivationen sind durchaus unterschiedlich: Silke (32) und Kirsten (35) sind Mütter und wollen sich und ihre Kinder sicher durch den Winter bringen, Claire (38) ist Berufswiedereinsteigerin, Hannelore (57) und Ingrid (61) sind frisch verwitwet. Bisher waren ihre Männer die Hauptlenker der Wagen gewesen, jetzt suchen sie neues Zutrauen zu ihrer Fahrfähigkeit und den vier Rädern. Sicherheit, das ist vor allem, wonach die Frauen streben. Gleich zu Anfang erfahren sie, dass diese von einer Handbreit Gummi abhängt, die sie unter dem Reifen mit der Straße verbinden. Maria Brendel-Sperling gibt die Parole aus: „Zunächst geht es darum Gefahren zu erkennen, dann darum, sie zu vermeiden und erst zum Schluss um Gefahrenbewältigung.“
In der zweiten Runde gilt es auf eisglatter Fahrbahn nicht ins Schleudern zu kommen. Der Wassersprenger nimmt seinen Dienst auf. „Wichtig ist, dass ihr kontinuierlich und nicht ruckartig fahrt“, erklärt Maria. Gut gesagt und trotzdem schwimmt das Heck – eine Schrecksekunde, aber der Daumen der Trainerin geht nach oben. „Gut gemacht“, ein kleiner Stolz macht sich breit.
Schon in der nächsten Prüfung kommt der Dämpfer: ABS auf Glatteis wird getestet und der Fuß steht bis zum Motorblock auf den „Eisen“, die Zähne zusammengebissen – der blöde Wagen will nicht zum Stillstand kommen. Endlich! „Beim nächsten Mal trittst du bitte vorher die Kupplung“, grinst Maria, „dann geht dir der Wagen nicht aus…“
![]() Maria Brendel-Sperling macht den Frauen beim Sicherheitstraining<br/> „praktische“ Fahrphysik anschaulich mittels Spielzeug-Auto.<br/> |
Nicht besser geht es Hannelore. Allerdings hat ihr betagter Kleinwagen gar kein ABS und kommt mächtig ins Schleudern. Offenbar hat die 57-jährige aber mächtig Spaß: Strahlend steigt sie aus und fragt gleich nach einem „Nachschlag“. Bei Eva (61) dagegen sind Angst und Unsicherheit stetige Beifahrer im „dicken“ Geländewagen mit Ochsenfänger. Bis Trainingsende soll sich hier nur Unwesentliches ändern. Die „Mütter“ dagegen machen zusehends Tempo. Und Christiane ist eh kaum zu bremsen. Die temperamentvolle Unternehmerin hat bereits einmal vier Wochen den Führerschein abgeben müssen. Für sie ist es übrigens das zweite Training dieser Art.
Inzwischen widmet sich die Gruppe Detailfragen, fachsimpelt über Reifenprofile und gibt allerlei Fahrgeschichtliches zum Besten. Vertraute Geselligkeit gibt zusätzliches Zutrauen. Thema Wildunfälle: Was tu ich, wenn ein 50-Kilo-Eber vor meinem Auto auftaucht? „Gas geben“, meint temporeich Christiane. „Ach was, das machst du doch nicht bei so einem großen Tier“, wirft Hannelore ein. Maria gibt ihr Recht und Nachhilfe in Physik: „Masse mal Beschleunigung – überlegt euch mal, wenn so ein Tier durch eine Frontscheibe schießt…“ Bremsen und ausweichen ist das Rezept und gleich auch die nächste Trainingseinheit bevor es rund geht. Im Kreisverkehr wirkt die vierfache Flugkraft und die fordert noch einmal alles von den Frauen. Stichwort „Elchtest“! Silke und Ellen sind die einzigen die das – nach dem „Elch“ entwickelte – ESP (elektronische Stabilisierungsprogramm) haben, verzichten aber lieber auf die Erprobung desselben. Auf die Frage: „Und, ist das ESP angesprungen?“ kommt postwendend von Silke: „Nee, aber das Lämpchen ‚Wischwasser nachfüllen‘.“ So kann es gehen.
Zufriedenheit macht sich bei der Heimfahrt breit. Jawoll, fühlt sich sicher an, das Fahrgefühl. Beschleunigen, schalten, die eine Hand am Lenkrad, die andere bleibt entspannt auf dem Schaltknüppel liegen. Erwischt: Vielfahrersyndrom eben… ob das so gut wie Vollbremsungen auf Eisglätte und Kreisverkehrfahren in den Griff zu kriegen ist, bleibt offen.
Reifen, Sicherheitsgurte und Trainingsangebote
Der richtige Sitz: Die Hände müssen ausgestreckt ans Lenkrad greifen können, der Rücken bleibt an der Lehne – natürlich ohne den Fußkontakt zu den Pedalen zu verlieren… Der von Maria Brendel-Sperling so genannte
„Popometer“. „Fahrer ab 1,70 Meter können die Kopfstützen völlig ausfahren,“ rät die Trainerin.
Der Gurt muss fest sitzen, direkt am Körper, nicht über dem Mantel. Nur so verdient der Sicherheitsgurt seinen Namen.
1, 6 Millimeter Mindesttiefe schreibt der Gesetzgeber für Reifenprofile vor. Zur eigenen Sicherheit empfiehlt sich aber ein Profil von drei bis vier Millimetern. Den Reifendruck empfiehlt Maria Brendel-Sperling monatlich zur prüfen: Kälte und Wärme verändern Reifen. Als Minimalprinzip gilt: Reifenkontrolle bei extremem Wetterwechsel und vor Urlaubsfahrten. Allgemein rät die Trainerin 0,2 bar mehr als angegeben in die Reifen zu füllen. Schnellfahrer legen noch 0,2 bar drauf.
Allwetterreifen sind für unsere Breiten akzeptabel, aber dennoch sei ein Wechsel von Winter- zu Sommerreifen wegen der Abstimmung auf die Wetterverhältnisse besser, so Maria Brendel-Sperling. Regelmäßig bietet die Verkehrswacht Trainingsmöglichkeiten an. Spezielles Training für Frauen gibt es etwa seit zwei Jahren.15 aktive Trainerinnen sind im Einsatz. Hier hat der Autohersteller Opel Pionierarbeit möglich gemacht. Jährlich bietet er Preisausschreiben an, die rege Beteiligung finden.
Informationen zu Kursen gibt es bei der Verkehrswacht Jülich unter 02462/ 907190 oder 1761 sowie unter www.verkehrssicherheitstraining.de
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