Sprayer finden und suchen im Roncalii-Haus einen Raum für ihre Kunst

Dem Thrill der illegalen Farbe entgegen
Von Arne Schenk [17.11.2005, 11.38 Uhr]

Graffiti – Kulturgut oder Schmiererei? Eine Frage, die ähnlich leicht zu beantworten ist, wie die nach einer generellen Definition von Kunst. Eindeutig ist allerdings die Feststellung, ob das Sprayen legel oder illegal vogenommen wurde. In letzterem Fall besteht der Tatbestand der Sachbeschädigung.

Mit der Dose geht es dem MIB-Schwein an den bunten Kragen. Sprayer Sure ist zufrieden, dass er im Roncalli-Haus einer Leidenschaft legal nachgehen kann.

Mit der Dose geht es dem MIB-Schwein an den bunten Kragen. Sprayer Sure ist zufrieden, dass er im Roncalli-Haus einer Leidenschaft legal nachgehen kann.

Einen Freiraum für Sprayer bescherte jetzt Jugendleiter Jörg Schroeder im Roncalli-Haus. Im Rahmen der alljährlichen Renovierung des Veranstaltungsraumes im Jugendtreff MIB konnten sich zwei junge Erwachsene auf einer Wand „verewigen“ – bis zum nächsten Jahr. Die beiden Sprayer „Sure“ (18) und „Reas“ (19), wie sie sich selbst nennen, sind dafür dankbar: „Das Illegale geht einfach nicht mehr, das Risiko ist zu hoch“, erkennt Reas, Sure fügt hinzu: „Auch die Strafen.“

Erfahrungen mit dem Gesetz und seinen Vertretern haben die Beiden nämlich schon gemacht. Wiederholt wurden sie ertappt und angezeigt. Erwachsenen droht laut Strafgesetzbuch Paragraph 3003 für Sachbeschädigung eine Geldstrafe oder Freiheitsentzug bis zu zwei Jahren. Jugendliche kommen in der Regel mit Sozialdienst davon. Ist der Täter zwischen 18 und 21 Jahren alt, entscheiden die Richter, wie mit ihnen zu verfahren ist. Zusätzlich mussten sie dafür sorgen, dass die Taten wieder beseitigt wurden. Da sind schnell 300 Euro für Farbkosten weg. Früher konnte der Tatbestand der Sachbeschädigung auch korrigiert werden, wenn der Schaden mit Säuberungsmitteln zu beheben war. Dies wurde in einem Zusatz nun gesetzlich geändert, bemerkt der Dürener Polizeisprecher Willi Jörres. Nun ist generell eine Sachbeschädigung bei Schmierereien gegeben.

Letztendlich erhielt Reas für 40 Anzeigen 100 Sozialstunden aufgebrummt, die er in diesem Jahr im Roncallihaus ableistete. Sure musste für 9 Anzeigen 50 Stunden im Brückenkopfzoo arbeiten, wo er sich unter anderem durch Eselsmist zu kämpfen hatte. „Die Strafe ist nicht das Schlimmste, sondern die Gerichtsverhandlungen“, zeigt sich Reas geläutert, „da zu sitzen und als asoziales Pack abgestempelt zu werden.“ Den ganzen Stress mit Ordnungskräften und Familie möchten sich die beiden künftig sparen. Zwar sei der Thrill, der Nervenkitzel früher ein wichtiger Faktor für sein Dasein in der Illegalität gewesen, gibt Reas zu, aber dies sei vorbei: „Ich kann das meine Eltern nicht antun, nachts wach zu bleiben und zu überlegen, wo ich jetzt wieder aushänge.“

Werbung

Und - fertig!

Und - fertig!

Der Nervenkitzel war für Sure indes kein Anreiz: „Ich hatte keine freie Stelle, wo ich malen konnte, also habe ich es illegal gemacht.“ Legales Sprayen ist allerdings immer noch schwierig in Jülich. Am Kulturbahnhof gäbe es eine Wand, aber die sei mit Paletten zugestellt, bemerkt Reas. Er befürchtet, dass dadurch viele Sprayer schon aus reiner Empörung hinausgingen und illegal sprühten. Eine Aussage, die KuBa-Geschäftsführer Christoph Klemens nicht nachvollziehen kann: „Nach wie vor darf man an der Sprayerwand sprayen.“ Selbst wenn die eine Seite mit Paletten vollgestellt sein sollte, bliebe immer noch die andere zum Basketballfeld. Zudem biete die hohe Lärmschutzwand rechts neben dem Kiosk genügend Platz für legale Graffitis.

Jörg Schroeder möchte den Sprayer zusätzlich Möglichkeiten bieten, sich zu betätigen. So wartet eine Außenwand darauf, mit Graffiti verziert zu werden: „Ich benötige noch das Okay vom Kirchenvorstand.“ Zudem bietet er sich als Kontaktperson an, falls jemand eine Wand für Sprayer zu Verfügung stellen will (Tel. 02461-621319).

Mit Skepsis begegnet der 1. Polizeihauptkommissar Willi Jörres dem legalen Sprayen. Nach seinen Erfahrungen würden die Betroffenen dadurch zum Sprung in die Illegalität verleitet. Eine Ansicht, die die Kölner Polizei laut Internet teilt: „Mit diesen Spray-Aktionen werden Anreize für Straftaten erst geschaffen und Jugendliche außerhalb der Sprayer-Szene auf die Idee gebracht eine Farbdose in die Hand zu nehmen.“

Dass diese Gefahr besteht, wissen auch Reas und Sure: „Einer unserer besten Freunde ist nun für zwei Jahre im Gefängnis. Nächstes Jahr im Juli kommt er wieder raus.“ Bei ihm sind allerdings noch andere Delikte wie Rauschgift oder Diebstahl dazugekommen: „Das sind die dunklen Seiten des Graffiti.“ Bei den Beiden ist es allerdings bei den Graffitis geblieben, auch Dank des Zusammenhalts in ihren Familien, wie sie betonen.

„Es ist das erste Mal seit einem halben Jahr, dass ich wieder eine Dose in der Hand habe“, stellt Reas fest. Früher habe er viel bessere Bilder drauf gehabt, sei viel schneller gewesen. Jetzt hat er einfach daran Spaß, „zu sehen, dass ich noch etwas kann“. Mittlerweile hat sich sein Interesse für Kunst immer mehr entwickelt. Er möchte gerne Aquarellmalerei mit einfließen lassen, oder auch Collage. Außerdem kann er sich vorstellen, später als Fotograf zu arbeiten: „Es ist das Bewusstsein, selber etwas zu leisten, eine kreative Geisteshaltung.“


Dies ist mir was wert:    |   Artikel veschicken >>  |  Leserbrief zu diesem Artikel >>

NewsletterSchlagzeilen per RSS

© Copyright