Interview: Guido von Büren
Jülichs Geschichte als Lebensaufgabe
Von Dorothée Schenk [10.12.2004, 16.30 Uhr]
![]() Guido von Büren hat alles im Griff - vor allem seine Literatur für ausführliche Recherchen. |
Seit über zehn Jahren widmet sich Guido von Büren der Historie seiner Heimatstadt. Der angehende Magister der Kunstgeschichte und Mitarbeiter des Stadtgeschichtlichen Museums Jülich hat hierzu viele Forschungen betrieben und auch veröffentlicht. Soeben erschienen ist der Tagungsband „Burgen und Schlösser in den Niederlanden und in Nordwestdeutschland“ der Wartburg Gesellschaft, in dem Guido von Büren mit einem Aufsatz vertreten ist.
Warum ist Jülich bundesweit und auch international so interessant für Historiker?
Von Büren: Jülich ist eines der bekanntesten Fallbeispiele für den Renaissance-Festungs- und Residenzbau schlechthin – auch in Europa. Es gibt kaum unmittelbar, erhaltene Vergleichsbauten, wie ich es jetzt in dem neuen Band der Wartburg Gesellschaft beschrieben habe. Als ich im September in Halle bei der Residenzenkommission einen Vortrag über Jülich gehalten habe, waren die Kunsthirstoriker und Historiker erstaunt und elektrisiert von der Zitadelle als Beispiel für einen Festungsbau, an dem die frühe „Experimentierphase“ nachvollzogen werden kann. Hinzu kommen, dass der Bereich „Renaissance“ bei den Historiker personell nicht stark besetzt ist. Tagungen haben etwas von Familientreffen: Man kennt sich und findet schnell Partner für Projekte.
Was unterscheidet die heutige Geschichts- und Kunstgeschichts-Schreibung von der in früheren Jahren?
Von Büren: Die älteren Publikationen, etwa von Hartwig Neumann, stellen die Zitadelle als solitäres Bauwerk dar. Ein wichtiger Aspekt meiner und der Arbeit des Stadtgeschichtlichen Museums Jülich ist die Einordnung in den europäischen Kontext. Dann relativiert sich die „Besonderheit“, diese ist vor allem, dass die Zitadelle noch erhalten ist. Im Grunde müssten wir eine Geschichte der nicht mehr erhaltenen Kunstwerke schreiben. Beispiel: Der Isenheimer Altar vor Grünewald, vor dem wir bewundernd stehen. Wenn man sich vor Augen führt, dass im Mainzer Dom zehn solcher Grünewald-Altäre gestanden haben, wird klar, auf welch schwieriger Grundlage wir uns bewegen.
Welche neuen Erkenntnisse sind nach all den Jahren der Forschung möglich?
Von Büren: Die Fragestellungen und Methoden ändern sich und so bilden sich neue Ergebnisse. In Jülich haben wir eine dürftige Schriftquellenlage. Baurechnungen sind nicht erhalten und es sind auh nur wenige Quellen zur Nutzung, die einen Blick in die Räume erlauben. Horst Dinstühler (Leiter des Stadtarchivs Anm. d. Red.) hat jetzt die Rechnungen der Herzoglichen Kellnerei für das 16. und frühe 17. Jahrhundert, in der alle Einnahmen der Verwaltung Herzog Wilhelms verzeichnet sind, und die Stadtrechnungen durchgearbeitet. Hier wird erwähnt, dass der Zitadellengraben zugefroren war und darum die Schwäne von dort evakuiert werden müssen. Daher wissen wir, dass zu dieser Zeit der Zitadellengraben noch unter Wasser stand. An anderer Stelle steht, dass die Nachtwächter sich nach der Uhr der Schlosskapelle richten sollen. Ein Beweis dafür, dass auf der Kapelle ein Dachreiter mit einer weithin sichtbaren Uhr gewesen sein muss. Das alles sind Mosaiksteinchen, die zusammengefügt ein historisch abgesichertes Bild ergeben.
![]() Der Tagungsband ist gerade abgeschlossen, da steht das nächste Projekt vor der Veröffentlichung: Ein neuer Führer zur Zitadelle, den Guido von Büren mit Andreas Kupka geschrieben hat. |
Woran es noch gänzlich mangelt, ist eine weitergehende stilistische Einordnung der Zitadelle. Wir sind noch weit davon entfernt, die erhaltene Bausubstanz angemessen dokumentiert zu haben. Die bisherige verdienstvolle Bauforschung, hauptsächlich von Professor Jürgen Eberhardt, widmet sich den Grundrissen und dem Erscheinungsbild der Schlosskapelle, nicht aber den Baudetails. Erst wenn man diese betrachtet, bekommt man ein Vorstellung von der Qualität des Baus. Das ist aber nur nach Handaufmaß möglich. Das wäre ein eigenes Projekt. In ersten Ansätzen stelle ich dieses Problem in einem kleinen Aufsatz in einer Publikation des Fördervereins „Festung Zitadelle Jülich dar, die demnächst erscheint.
Sicher interessant für Historiker, für den interessierten laien aber sichr zu umfangreich und schwer verständlich.
Von Büren: Mit Andreas Kupka habe ich für die Reihe „Burgen, Schlösser und Wehrbauten in Mitteleuropa“ einen neuen Zitadellen-Führer geschrieben, der im Frühjahr erscheint. Das ist eine im besten Sinne populärwissenschaftliche Publikation ohne Anmerkungen aber mit dem Anspruch, zitierfähig zu sein. Auch hier geht auf den rund 50 Seiten ein, was wir in den vergangenen zehn Jahren an Erkenntnissen gewonnen haben. Viele aquarellierte Rekonstruktionzeichnungen, unter anderem von Helmut Rosenzweig, machen die Forschungsergebnisse anschaulich. Die Tagungsbücher sind sozusagen die Hardware für Historiker – der Führer die Software für Geschichtsinteressierte.
Also ist die Zitadelle eine Lebensaufgabe für Sie?
Von Büren: Bestimmt. Seit 1993 widme ich mich dem Thema und habe rund 50 Aufsätze, Rezensionen und Forschungsberichte dazu geschrieben. Das Thema meiner Magisterarbeit, an der ich schreibe, widmet sich der Rekonstruktion der Zitadelle, vor allem des Schlosses und in der anschließenden Dissertation werden ich mich mit der Einordnung in die generelle Residenzbaugeschichte im Vergleich etwa zu Hambach, Düsseldorf und Kleve beschäftigen.
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