Wenn Sinti und Roma in Jülich Station machen

„Die Mentalität des Volkes akzeptieren“
Von Dorothée Schenk [29.07.2005, 17.26 Uhr]

Mit solchen Sicherungssystemen wird ein unkontrolliertes Campen auf dem Platz am Brückenkopf-Park verhindert

Mit solchen Sicherungssystemen wird ein unkontrolliertes Campen auf dem Platz am Brückenkopf-Park verhindert

Jeden Morgen ist der 35-jährige Jülicher auf der Strecke entlang der Rur unterwegs. Der Jogger nimmt schon aus einiger Entfernung Witterung auf. In den vergangenen Wochen häufte sich im wahrsten Sinne der Besuch der Sinti und Roma, die ihr Quartier im Landschaftsschutz-Gebiet aufschlagen. Es ist nicht das Lager, das der Läufer riecht, sondern die menschliche Notdurft, die in freier Natur verrichtet wird. Ein Thema zum Nase rümpfen und, um das Ordnungsamt einzuschalten.

Nicht neu ist dieses Szenario für Doris Vogel vom Ordnungsamt. Jedes Mal, wenn die Sinti und Roma in Jülich Station machen, tritt das Amt in Aktion. Die Wohnwagen-Siedlung wird – nachdem die Stellfläche am Brückenkopf-Park, der Turnierplatz in Jülich und der alte Sportplatz in Broich nicht mehr für Wagen mit Anhänger zu befahren sind - im Landschaftsschutzgebiet hinter dem Turnierplatz an der Rur aufgeschlagen. Es ist seit Jahrzehnten ein für Jülicher vertrauter Anblick, ein Stammplatz für das fahrende Volk.

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Nur noch einige Mülltüten - die übrigens von der Stadt Jülich entsorgt werden - erinnern an die Wohnwagenburg der Sinti und Roma.

Nur noch einige Mülltüten - die übrigens von der Stadt Jülich entsorgt werden - erinnern an die Wohnwagenburg der Sinti und Roma.

Zwei bis drei Tage Aufenthaltsrecht gewährt das Ordnungsamt, dann muss der Platz geräumt werden. „Man muss die Mentalität dieses Volkes akzeptieren“, vermittelt Ordnungsamtsleiterin Vogel zwischen den Interessensgruppen und ergänzt ein „aber“: „Alle haben sich an die gesetzlichen Vorschriften zu halten – egal welcher Nationalität sie angehören.“ So lange die Kreis der anderen nicht gestört würden, könnte jeder seine Sitten und Gebräuche pflegen, aber nur dann, betont Doris Vogel. Dazu gehört nicht, seine menschlichen Geschäfte im Gebüsch zu erledigen, so dass es stinkt. Der Vorschlag des Jülicher Joggers, hier Dixie-Toiletten zu installieren, ist aber nicht praktikabel: „Es würde bedeuten, dass wir dort dann das Campieren legalisieren würden,“ klärt die Amtsleiterin auf. Außerdem ist es eben Landschaftsschutzgebiet.

In welchem Rhythmus Sinti und Roma Jülich besuchen, darauf hat die Stadt keinen Einfluss. Eine „Vertreibung mit brachialer Gewalt“ führt erfahrungsgemäß nicht zum Erfolg. Am heutigen Freitag ist das fahrende Volk weitergezogen, aber Doris Vogel weiß schon jetzt, dass es nächste Woche wiederkommt. Der Grund: Derzeit liegt eine Verwandte im Jülicher Krankenhaus im Sterben. Die Amtsleiterin hat Verständnis: „Sie dann wegzuschicken, das kann ich aus rein menschlichen Gründen nicht.“


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