Ausstellung bis Februar 2008

Linnich: 150 Jahre Wandel gläserner Kunst à la Oidtmann
Von Dorothée Schenk [30.10.2007, 14.32 Uhr]

Stehen heute für 150 Glasmalerei Oidtmann: (v.l.) Dr. Stefan und Heinrich, der fünfte, Oidtmann.

Stehen heute für 150 Glasmalerei Oidtmann: (v.l.) Dr. Stefan und Heinrich, der fünfte, Oidtmann.

Kunst, Forschung, Handwerk und ein Gespür fürs Wirtschaftliche sind die Markenzeichen der Glasmalerei-Werkstatt Oidtmann in Linnich. Vor 150 Jahren nahm das Traditionsunternehmen seinen Anfang mit Heinrich I., wie der Urvater schmunzelnd und zur Unterscheidung der Nachfahren gleichen Namens bis zur heutigen „Nr. 6“ genannt wird. Im Deutschen Glasmalerei-Museum wird die Arbeit bis zur Gegenwart in einem Querschnitt von 80 Werken bis Februar 2008 abgebildet.

„Die Ausstellung fällt aus dem Rahmen“, wie Museumsleiterin Myriam Wierschowski erläutert. Gemeint ist damit nicht die außergewöhnliche Ausstellungsarchitektur, für die eigens eine Vielzahl von beleuchtbaren Schaukästen gebaut wurden. Erstmals wird ein themenbezogenes Unternehmen mit seinem Wirken präsentiert. Das kommt nicht von ungefähr: Vor zehn Jahren gründeten die „Oidtmänner“ Friedrich und Ludovikus mit der Stiftung von 110 Scheiben aus ihrem Besitz den Grundstock des Linnicher Museums. Ihre persönlichen Beziehungen zu zeitgenössischen Künstlern von Johann Thorn Prikker über Vasarely, Georg Meistermann bis zu Joachim Klos, Ludwig Schaffrath und seinen Schüler, ihre weltweit geschätzte Arbeit für Architekten, Restaurierungen für Kirchen, sowie ihre umfassenden Kenntnisse und Experimentierfreude in der Glasarbeit sind nicht nur das Geheimnis ihres Erfolges, sondern auch entscheidend für die ersten Schritte des Deutschen Glasmalerei-Museums gewesen.

Auf sechs Ebenen wird das Unternehmen Oidtmann, heute unter der Leitung von den Vettern Dr. Stefan und Heinrich V. Oidtmann, gewürdigt. Historische Dokumente zur Firmengeschichte etwa Ansprachen an die Mitarbeiter und Arbeitsverträge finden ebenso ihren Platz wie Betrachtungen zum Handwerk und eben die 80 Scheiben, die die Entwicklung in der Glasmalerei seit 1857 nachvollziehbar machen.

Ursprünglich war die Glasmalerei für den Gründervater Heinrich als Arzt und Chemiker nur eine Nebenbeschäftigung. Getrieben von dem Wunsch, auch „Otto-Normalverbraucher“ in den Genuss von Glasbildern fürs Eigenheim zu bringen, erfand er den mechanischen Glassteindruck. Praktisch „von der Stange“ konnten die Kunden bestellen: Mit einem Musterkatalog – die übrigens auch in der Ausstellung zu sehen sind – zogen Vertreter durch die Lande. Das Verfahren muss dem der Lithografie geähnelt haben und gilt als Vorläufer des Siebdrucks auf Glas. Beispiele dieser vergänglichen Kunst können Ausstellungsbesucher auf Ebene 2 sehen. Kennzeichnend für diese Arbeiten ist, dass die Farbe im Laufe der Jahrzehnte verloren geht – bis auf die Bildteile, die offensichtlich per Hand nachbearbeitet sind.

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Fachsimpeln mit der Leiterin der Deutschen Glasmalerei-Museums Linnich, Myriam Wierschowski.

Fachsimpeln mit der Leiterin der Deutschen Glasmalerei-Museums Linnich, Myriam Wierschowski.

Dass das Verfahren der Nachwelt nicht erhalten blieb ist auf das Qualitätsbewusstsein von Heinrich, dem Zweiten, zurückzuführen. Er zerstörte die Unterlagen zu diesem Vervielfältigungsverfahren als er 1890 das Unternehmen übernahm und legte vor allem auf die künstlerischen Arbeiten Wert. Er zeichnete aber nicht nur für das Handwerk, sondern auch für die Forschung verantwortlich. Seine Veröffentlichung „Die Rheinischen Glasmalereien vom 12. bis 16. Jahrhundert“ gilt noch heute als Standardwerk der Glasmalerei-Literatur. Den zweiten Band zu Glasmalerei-Geschichte veröffenlichte 1928 sein Sohn Heinrich III..

Seine Söhne Friedrich und Ludovikus führten die Glasmalerei-Werkstatt in der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg zur Blüte. Viele zerstörte Kirchen und Fenster sicherten die Zukunft des Unternehmens. Ihre privaten Kontakte zu zeitgenössischen Künstlern im In- und Ausland verdanken die „Oidtmänner“ bis heute ihr Renomée, das bis zum Inselstaat Island reicht. Derzeit sind Aufträge für Reykjavík in Arbeit, wie Dr. Stefan Oidtmann berichtet. Natürlich nehmen Glasmaler Dr. Stefan und Kunstglaser Heinrich V. Oidtmann immer noch Herausforderungen an. Waren es in den 60er Jahren Betonglasfenster sind es in der heutigen Moderne die malerischen Aspekte, die ihre Umsetzung finden müssen. Ob Schmelzfarbenmalerei bei Herb Schiffer oder Floatglas-Malerei bei Darko Lesjak.

Dennoch ist die Zeit der großen Glasmalaufträge vorbei. Das liegt vor allem an dem Umstand, dass keine großen Kirchen mehr gebaut werden und entsprechend gering der Raum für Innovationen ist. Schwerpunkte der Tätigkeit sind heute Restaurierungen aber auch Glastransporte, weiterhin die Zusammenarbeit mit Künstlern, und das Rundum-Angebot vom Glasbild über den Transport, die Präsentation in Vitrinen. Stolz ist Dr. Stefan Oidtmann, dass ihre Werkstatt oft die einzige ausländische ist, deren Angebot im internationalen Vergleich gefragt ist.

Bestückt ist die Ausstellung aus dem Werkstattfundus von Oidtmann sowie aus dem Depot des Museums. Selbst Museumsleiterin Wierschowski trifft in der Werkschau noch auf Überraschendes. „Das war noch nie ausgestellt“, präsentiert sie im Brustton der Überzeugung, nur um sich vom Firmeninhaber Heinrich Oidtmann amüsiert belehren zu lassen: „Doch – zum hundertjährigen…“

Ausstellung verlängert bis 9. März


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