Mit Vernetzung und Information gegen Essstörungen

Handlungsempfehlungen für den Kreis Düren
Von Redaktion [17.11.2005, 15.29 Uhr]

Die Gleichstellungsbeauftragte Elke Ricken-Melchert (4.v.l.) moderierte die Fachtagung "Essstörungen", bei der im Kreishaus sieben Referenten/innen vor  fast 100 Zuhörer/innen sprachen.

Die Gleichstellungsbeauftragte Elke Ricken-Melchert (4.v.l.) moderierte die Fachtagung "Essstörungen", bei der im Kreishaus sieben Referenten/innen vor fast 100 Zuhörer/innen sprachen.

Frisches Obst, Naturjoghurt, Vollwertplätzchen und Mineralwasser auf den Stehtischen stimmten die Tagungsteilnehmer/innen im Kreishaus in Düren aufs Thema ein: "Essstörungen – zu dick, zu dünn oder ganz normal?" lautete der Titel der Fachtagung, zu der fast 100 Multiplikator/innen gekommen waren – Erzieher/innen, Lehrer/innen sowie Mitarbeiter/innen von Krankenhäusern und Beratungsstellen. Sie alle wussten um Krankheit und Sucht, und dass man Magersüchtigen nicht mit Ratschlägen wie "Nun iss doch mal was!" kommen kann. "Das wäre, als riefe man einem Nichtschwimmer zu: Nun schwimm doch!", zog Elke Ricken-Melchert, Gleichstellungsbeauftragte des Kreises Düren, in ihrer Begrüßung eine Parallele.

Da die Zahl der Leidenden groß und das Problem der Essstörungen vielschichtig ist, hatten die Veranstalter – Kreis-Jugendamt, Gesundheitskonferenz und die Projektentwicklungs- und Forschungsstelle für Chancengleichheit – gleich sieben Referenten/innen eingeladen, die das tabuisierte Thema aus den verschiedensten Blickrichtungen beleuchteten. Die Sozialpädagogin und Kunsttherapeutin Doris Schindel schilderte in ihrem Referat "Essstörungen im weiblichen Lebenszusammenhang" typische Magersucht-Karrieren von Mädchen, jungen Frauen und "Frauen um die 40, die ihre Figur halten wollen". Sie berichtete von der Diät als Einstieg in ein gestörtes Selbstwertgefühl ("Ich bestehe nur aus Problemzonen") bis zur Essstörung als Sucht mit andauernder Wirklichkeitsverkennung ("Ich bin nicht krank, ich habe halt nur keinen Appetit"). Mit einem Film und von Patienten gemalten Selbstbildnissen illustrierte sie den Teufelskreis von mangelndem Selbstbewusstsein, Einsamkeit, Fressattacken, Scham, Erbrechen, Schuldgefühlen, Angst, Schlaflosigkeit, Depressionen und Suizidgefahr. Dr. Bodo Müller, Chefarzt der Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie des St. Marien-Hospitals in Birkesdorf, zeigte im zweiten Impulsreferat auf, dass Essstörungen nicht weiblich sind, sondern auch Jungen und Männer daran erkranken.

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Um der von Gregor Dürbaum und Heidi Gorzawski (Jugendamt), Nicole Savelsberg (Gesundheitskonferenz) und der Gleichstellungsbeauftragen Elke Ricken-Melchert organisierten Tagung Bedeutung über den Tag hinaus zu geben, formulierten die Teilnehmer in fünf thematischen Arbeitsgruppen Handlungsempfehlungen an den Kreis Düren. Auf dem Wunschzettel standen Info-, Aufklärungs- und Fortbildungsveranstaltungen für Multiplikatoren/innen, Gefährdete, Betroffene und Angehörige ganz oben. Ferner wurden die Gründung von Selbsthilfegruppen (auch für Eltern), die Einrichtung von Ernährungsberatungsstellen und die Vernetzung der Hilfsangebote im Kreis Düren genannt. Viele Wünsche richteten sich an Schulen: Selbstbewusstseinstraining für Heranwachsende, damit sie ihren Körper nicht als einzigen Maßstab haben, das Ausrufen der Schule als süßigkeitsfreie Zone, die Einführung von Ernährungs- und Hauswirtschaft als Fach, Sportunterricht, der nicht als erstes dem Lehrermangel geopfert wird. Da Essstörungen und Rauchen Süchte sind, lautete ein Vorschlag wie folgt: Die Werbebilder von gertenschlanken Models - nicht selten am Computer retuschiert - werden ab sofort mit dem Aufdruck versehen: "Der Gesundheitsminister warnt: Schlanksein kann ihre Gesundheit gefährden!"

Weil fast jedes dritte Kind in Deutschland entweder unter- oder übergewichtig ist, tut die Auseinandersetzung mit Essstörung Not. "Zu dick, zu dünn": Normal ist es jedenfalls nicht, das Nachdenken über Menschen, für die Lebens-Mittel ein Problem sind. So sprach der Mediziner Dr. Bodo Müller dem Kreis Düren in seinem Schlusswort ein ausdrückliches Lob aus, Essstörungen als Thema auf die Tagesordnung gehoben zu haben.


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