„Battle for Schmidt“
Mit "History-Guides" entlang der Eifler Frontlinie
Von Redaktion [27.07.2014, 08.36 Uhr]
![]() Benedikt und Konrad Schöller führen Interessierte zu den historischen Plätzender „Battle for Schmidt“. |
„Give Peace a Chance“, so steht es auf der Kopfbedeckung zu lesen, die Konrad Schöller aus Übersee geordert hat und ihm bei seinen Exkursionen auf dem „Kreuzweg des Friedens“ im Eifelort Schmidt gute Dienste leistet. „Unsere Generation kann sich gar nicht glücklich genug schätzen, in einer Zeit ohne Krieg leben zu dürfen. Denn bis vor siebzig Jahren war der Frieden in Europa eher der Ausnahmezustand“, macht der Mitfünfziger seine Motivation für Geländeexkursionen speziellen Inhalts deutlich. Selbst in der Umgebung des Westwalls gebe es heute erste Ansätze, die Erinnerungskultur zu überdenken. Stamme sie doch vielfach aus einer Zeit, in der das Straffreiheitsgesetz Hochkonjunktur hatte.
Schöller richtet den Blick zurück und erzählt von Zeitzeugen aus der eigenen Familie. Der Vater seiner Mutter, Josef Öckerath, war als Kriegsinvalide aus dem 1. Weltkrieg in sein Heimatdorf Schmidt zurückgekehrt. Nicht lange danach erlebte er, wie der Krieg nun auch nach Deutschland kam. „Öckerath’s Jupp“ – so hieß er bei den Einheimischen – war ein Mann mit Zivilcourage. Wehrmachtsangehörige, deren Urlaubsgesuche ungehört blieben oder unter schikanösem Drill litten, fanden bei Josef Öckerath einen unerschrockenen Beschwerdeführer. Bei der Heuernte im Schlehbachtal – es war im Sommer des Jahres 1944 – verhalf er einem abgestürzten alliierten Flieger zur Flucht. Dass der Ortsbauern-führer den Piloten bereits fest im Griff hatte, hielt Öckerath nicht davon ab, energisch einzugreifen, so dass der Gefangene wieder frei kam.
Von dem im Nazi-Deutschland vorherrschenden Klima der Angst und Einschüchterung zeigte sich Josef Öckerath wenig beeindruckt. Ein guter Freund jüdischer Abstammung, Emil Schlächter aus Nideggen, ließ ihm damals ausrichten, dass er sich in großer Not befände. Schlächter war von den Nazis zur Zwangsarbeit rekrutiert worden und es fehlte ihm am nötigsten. Öckerath schickt daraufhin seinen Sohn Heinrich in die Nähe des Arbeitskommandos an der Straße von Schmidt nach Brück (Baustelle Parkplatz „Picknick“), um an geeigneter Stelle und ungesehen Versorgungsgut zu depo-nieren. Das Schicksal meinte es dennoch nicht gut mit Emil Schlächter. Überliefert ist, dass er später nach Polen deportiert und danach für tot erklärt wurde.
Heute braucht in Deutschland wegen der politischen Gesinnung niemand mehr um sein Leben zu fürchten und auch die Kriegsgemetzel des Zweiten Weltkriegs liegen lange zurück. Im Winter 2012/2013 führte der Rureifel-Tourismus e.V., Heimbach ein Kompakt-Seminar mit historischem Hintergrund durch. Dabei ging es um die Ausbildung der Teil-nehmer zu genannten History-Guides, die geschichtsinteressierte Gäste bei ihren Exkursionen entlang der Schlachtfel-der des Hürtgenwaldes begleiten. Anlass der speziellen Fortbildung ist die Befreiung Nazi-Deutschlands durch die Alliierten; ein Ereignis, das sich 2015 zum 70. Male jährt und dessen europaweit gedacht wird. Konrad Schöller und sein Sohn Benedikt (mit Studium in Geografie und Geschichte) dürfen sich nun ebenfalls „History-Guide“ nennen. Dass im Seminar auch über Kriegsmythen gesprochen wurde, begrüßen sie vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion über die Gedenkkultur im Gebiet des Hürtgenwaldes sehr und hoffen, dass sich die militärhistorische Forschung noch intensiver mit dem Thema auseinandersetzt.
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Auf dem „Kreuzweg des Friedens“ und anderen historisch-literarischen Wanderwegen der Region bieten Vater und Sohn ihre Gästebegleitungen an. Den beiden erscheint es wichtig, die Geschehnisse von damals nicht zu Heldensagen verkommen zu lassen, sondern sie in den Gesamtkontext eines rassenideologisch motivierten Vernichtungskrieges einzuordnen, der auch in der Eifel sicht- und spürbar war. „Die Exkursion führt Sie entlang an Spuren und Relikten auf dem ehem. Schlachtengelände. Sie erfahren, was der Krieg mit und aus Menschen unterschiedlichster Nationen macht …“, heißt es dazu in einem Informationsblatt mit dem Titel „Im Krieg stirbt die Wahrheit zuerst“. Die Begleitung ent-lang des Schlachtfelds von damals ist ein Versuch, historisch interessierten Gästen eine zeitkritische Reflexion des regionalen Kriegsgeschehens zu ermöglichen.
Während der bis zu fünfstündigen Führung auf der rund zwölf Kilometer langen Route „Schmidt – Kommerscheidt – Kalltal“ erfahren die Teilnehmer an zwölf markanten Punkten mehr über die historischen Hintergründe der „Battle for Schmidt“. Mitgeführtes Bild- und Tonmaterial soll helfen, einen Zugang zu der belasteten Vergangenheit zu eröffnen. „Der Krieg hat viele Gesichter – er bedeutet die Umkehrung aller Werte. Leiden und persönliche Schicksale der Menschen, ob als Soldaten, Kriegsgefangene, Zwangsarbeiter oder Zivilisten sagen mehr aus über das Grauen des Krieges als nacktes Zahlenmaterial, das für die Schlacht im Hürtgenwald ohnehin einer Aufarbeitung bedürfe“, konstatiert Schöller senior.
Benedikt und Konrad Schöller freuen sich bereits jetzt auf die europäische Ausstellung „routes of liberation“, die im Frühjahr dieses Jahres in Brüssel durch Martin Schulz eröffnet wurde und kommenden Winter in der Hubertus-Kirche in Schmidt zu sehen sein soll. In Deutschland habe man allen Grund, sich mitzufreuen, sagen die beiden. Denn der 70. Jahrestag erinnere nicht nur an die Befreiung der Deutschen vom nationalsozialistischen Terror- und Unrechtsregime; die Kapitulation des Deutschen Reiches schuf auch die Voraussetzungen für unsere freiheitlich-demokratische Grund-ordnung, deren Wert man gar nicht hoch genug einschätzen könne.
Nähere Informationen unter Tel. 02474/99180, unter E-Mail „schoeller110@t-online.de“ oder im Web unter „http://regio-oratio.blog.de“.
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