Symposium im Schmidt

Kirche als energetischer Multiplikator der Region
Von Arne Schenk [23.04.2014, 19.59 Uhr]

Sinn und Herausforderungen der Energiewende zu erkennen und daraus abzuleiten, was Kirchengemeinden und Verbände, aber auch jeder Einzelne persönlich tun kann – diese anspruchsvolle Aufgabe stellte sich die Veranstaltung „Energiewende – da war doch was!?“ Organisiert wurde sie gemeinsam von der Katholische Kirchengemeinde St. Hubertus Schmidt, der Deutschen Pfadfinderschaft St. Georg Diözesanverband Aachen (DPSG) und dem Verein zur Förderung Kirchlicher Umweltberatung (FKU e.V.) in der Jugendstätte Rursee.

Die Referenten des Abends.

Die Referenten des Abends.

Die Energiewende sei eine intellektuelle Herausforderung betonte Margit Göckemeyer, Bürgermeister der Stadt Nideggen. Dies nahm der diplomierte Energie- und Umwelt-Verfahrenstechniker sowie Chefredakteur der Website klimaretter.info Nick Reimer auf und bescheinigte der Politik ein kollektives Versagen, das er an zahlreichen Beispielen festmachte. Durch den Klimawandel sei bereits jetzt das Leben vieler Menschen angesichts zunehmender Trockenheit, Überschwemmungen und anderer extremer Wetterphänomene nicht mehr zu planen. Kriege um Wasser und Lebensmittel drohen.

In Namen der Bewahrung der Schöpfung müsse die Kirche im Gespräch mit der Politik bleiben, bekräftigte Anika Schröder aus der Abteilung Entwicklungspolitik von Misereor. Zudem sei es wichtig, dass auch aus den Kirchengemeinden selbst Impulse kämen, um den Willen der Katholiken zu zeigen, dass sie etwas tun wollen.

Photovoltaik-Anlage auf dem Dach und Holzpellet-Heizung: Angetan von der Schmidter Kirche, die er bislang nur von Fotos her kenne und nun zum ersten Mal gesehen habe, war Dipl. Ing. Christian Dahm von der EnergieAgentur NRW. „Wenn aus irgendeiner gesellschaftlichen Gruppe ein Impuls kommen kann, dann kann das nur Kirche sein“, ist der nebenamtliche Kirchenmusiker überzeugt.

„Klimaschutz und Kirche – eine Chance!“ verdeutlichte er mit einem kleinen Rechenexempel. Etwa 7000 Kirchengemeinden bestehen in Nordrhein-Westfalen. Diese wiederum beheimateten je mindestens fünf Gruppen wie Pfarrgemeinderat, Kirchenvorstand, Arbeiterbewegung, Kolpingfamilie, Pfadfinder, Jugendgruppen, Frauengemeinschaften oder Chöre mit wiederum je 20 bis 100 Aktiven, insgesamt ungefähr 1,75 Millionen Personen. Diese könne man zwar nicht drillen, aber ansprechen und für das Thema sensibilisieren. „Kirche ist einer der besten Multiplikatoren, die wir haben.“

Die Glaubwürdigkeit finge bei jedem selbst an: Offen stehende Türen schließen, Windfänge wieder als solche nutzen oder schauen, ob das Licht aus ist. Überhaupt überlegen, welche sonstigen Geräte im Haus ausgeschaltet werden können. Auch das Kaufverhalten müsse sich ändern: Haben die Getränke eine Weltreise hinter sich oder kommen sie von einem regionalen Anbieter? Wird Recycling-Papier benutzt? Er regte an, Fahrgemeinschaften einzurichten oder nach Möglichkeit das Rad zu benutzen. Damit auch Gottesdienstbesucher dies können, sollte ein Fahrradständer an der Kirche vorhanden sein. Zudem riet Dahm, nicht alles neu anzuschaffen. „Jeder Kindersachenflohmarkt ist tätiger Klimaschutz!“

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Grundlage des Lebens und so- mit auch der Menschen ist die Sonne.

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Als Lösungsansatz empfahl er jeder Gemeinde, ein Energiemanagement einzuführen, was eine Einsparung von 5 bis 15 Prozent als Folge habe. Damit meine er jemanden, der sich kümmert, denn oft wäre kein eigener Bauausschuss vorhanden. Die Energieeffizienz in den Bereichen Bauphysik, Wärmeversorgung, Lüftung – Klimatisierung, Lichttechnik und Gebäudeautomation zu erhöhen, brächte bis zu 30 Prozent Energieeinsparung, ein verbessertes Nutzer- und Betreiberverhalten etwa 10 Prozent. Manches Problem ließe sich schnell aus der Welt bringen: Steht die Heizung frei oder wird sie etwa durch Vorhänge verdeckt, sind Kühlschränke ungünstig im Bereich von Wärmequellen postiert anstelle in kühlen Räumen oder im Keller? Natürlich wurden auch Gebäudesanierung, Ökostrom und „grünes Geld“, also nachhaltige Finanzanlagen thematisiert.

Dahm empfahl, andere Menschen mitzunehmen, mit Gruppen wie Pfadfindern und Frauengemeinschaften zu kooperieren: „Holt Euch Verbündete!“ Information sei wichtig. „Das Schlimmste ist, wenn man es macht, aber keiner spricht darüber“, erklärte Dahm, „machen Sie Marketing an dieser Stelle!“

Den Weg von der „Land-Wirtschaft“ zur „Agrar-Kultur“ befürwortete Agrarwissenschaftler Dr. Rainer Wiertz vom Bund für Umwelt und Natur Deutschland (BUND) und machte auf ein wenig beleuchtetes Thema aufmerksam: dem Abbau von Humus – schätzungsweise bereits 80 Prozent – durch intensive Bodenbearbeitung in Landwirtschaft und Gartenbau. Dies führe nicht nur zur Verschlechterung der Bodenstruktur und der Fruchtbarkeit, sondern auch der CO2-Werte. Denn Humus entzieht Kohlenstoff aus der Luft in den Boden.

Ein Humusaufbau rette Klima und sichere landwirtschaftliche Erträge, unterstrich Wiertz. Mit geringen Mitteln ließe sich dies auch im eigenen Garten erreichen. So seien Todholzhaufen besser als Häckselgut, weil dies schneller verrotte und so weniger Kohlenstoff speichere. Zudem solle Laub nicht weggepustet werden, das von Regenwürmern in den Boden gezogen wird. „Der Biogärtner hat tausende von Helfern, die keine Rechnung schreiben!“

„Pflanzen haben eine Chemiefabrik in sich“, betonte Aggi Majewski von der DPSG und somit Hausherrin des Abends. Doch ohne die Sonne als Grundlage wäre Leben nicht möglich. Dies demonstrierte sie mit Hilfe der Teilnehmer anhand von zu einer Sonne zusammengeknoteten Seilen, auf denen sich Freiwillige in die Höhe empor schaukeln ließen. Als Ausklang rezitierte Konrad Schöller in mittelalterlicher Kleidung die Geschichte von „St. Mokka“ Schmidt als Gedicht und nahm auch Bezug auf die PV-Anlage auf den Kirchendach: „Denn Petrus‘ zeigt sich wohlgesonnen, wenn Strom vom Himmel wird gewonnen, die gelbe Kraft, sie füllt die Zellen und lässt die Stimmung rasch erhellen.“


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