Düren: Ruhe, Regeln, Rituale
Von Josef Kreutzer [15.04.2013, 11.55 Uhr]
![]() Elisabeth Buschmann vom Regionalen Übergangsmanagement des Kreises Düren suchte mit Bestsellerautor Dr. Michael Winterhoff (l.) und Moderator Robert Esser nach der Antwort auf die Frage "Warum sind immer mehr Jugendliche nicht ausbildungsreif?". |
Immer häufiger beobachten Ausbildungsbetriebe, Berufsberater und Lehrkräfte, dass Jugendliche die Schule mit großen Defiziten verlassen. Hier ist nicht ein Mangel an Wissen gemeint. Vielmehr fällt auf, dass junge Erwachsene immer weniger beziehungs-, kritik- und teamfähig sind. Ihnen fällt es schwer, Regeln zu befolgen – kurz: sich zu benehmen. Dieses Problem tritt zum großen Teil auch in bestimmten Bildungsgängen der Berufskollegs des Kreises zu Tage.
Unter Federführung des Regionalen Übergangsmanagement wagte der Kreis Düren nun einen weiteren Schritt, besonders Lehrkräfte in ihrer Arbeit mit schwierigen Jugendlichen zu unterstützen. Für die Auftaktveranstaltung am 9. April "Warum sind immer mehr Jugendliche nicht ausbildungsreif?" konnte Kinder- und Jugendpsychiater und Bestsellerautor Dr. Michael Winterhoff gewonnen werden. Vor zahlreichen Fachkräften aus Schule, Sozialarbeit und Ausbildung referierte er über Ursachen der Fehlentwicklung junger Menschen und mögliche Lösungen.
Dr. Michael Winterhoff erkennt aus seiner langjährigen Erfahrung, dass bei vielen Jugendlichen eine Störung der psychischen Entwicklung vorliegt. Die jungen Menschen sind im psychischen Entwicklungsstatus eines zehn bis 16 Monate alten Kleinkindes stecken geblieben. Sie sind nicht in der Lage, anderen Menschen empathisch zu begegnen. Ursachen für diese Störung sieht Winterhoff in einem Beziehungsproblem zwischen Eltern, Erziehern und Lehrern zu den Kindern. Kinder werden nicht mehr als Kinder gesehen, sondern als gleichberechtigte, aktiv reflektierende Partner. Das überfordert Kinder jedoch und führt zu entsprechenden Störungen. Lösungen sieht Dr. Winterhoff in klaren Regeln, Ritualen und einer engen Bindung zu einer Bezugsperson.
Nach dem etwa 90-minütigen Vortrag hatten Vertreter unterschiedlichster Institutionen die Möglichkeit, ihre Erfahrungen zu reflektieren. Josef Loup, Sprecher des Arbeitskreises Jugendberufshilfe, zeigte deutlich, "dass Sozialpädagogen von Maßnahmeträgern kaum noch Beziehungen aufbauen können. Die Laufzeiten werden immer mehr verkürzt, es herrscht große Unsicherheit. Das wirkt sich stark auf die Arbeit aus." Diese Erfahrung bestätigten Friedhelm Rößler, Agentur für Arbeit Aachen-Düren, und Britta Hourtz, job-com Düren: "Wir bieten in den Maßnahmen Sicherheit durch Regelmäßigkeit. Manche Jugendliche wollen auch über Weihnachten in die Maßnahme kommen, weil sie da einen geregelten Tagesablauf haben."
Von Seiten der Ausbilder äußerten sich Peter Deckers, HWK Aachen, Waltraud Gräfen, IHK Aachen, und Uwe Günther, Kreishandwerkerschaft Rureifel, übereinstimmend: "Die sozialen Defizite nehmen zu. Doch wir beobachten, dass Jugendliche in den Betrieben nachreifen." Auch die beiden Schulvertretungen Helga Jarosch, Schulaufsicht, und Erhard Kusch, Sprecher der Berufskollegs, erkennen die Problematik: "Wir müssen zurückkehren zu den drei große R: klare Rollen, Regeln, Rituale."
Die rund 250 Fachkräfte nutzten im Anschluss die Möglichkeit, sich in kleineren Gruppen über das Problem und mögliche Lösungen auszutauschen. Die Ergebnisse werden vom Regionalen Übergangsmanagement gesammelt. Ziel ist es, das Thema in Netzwerken weiter zu verfolgen. Hausherr Hartmut Böllert, stellvertretender Schulleiter des Berufskollegs kaufmännische Schulen, fasste es in seinem Grußwort so zusammen: "Nur gemeinsam sind wir stark." Maria Kaptain von Seiten des Kreises Düren ergänzte: "Nur gemeinsam werden wir es schaffen, mehr ausbildungsreifere Jugendliche dem Arbeitsmarkt zuzuführen."
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