„Rettungsdienst extrem“:

50 kreisdürener Ehrenamtler im Stresstest
Von Redaktion [26.09.2010, 07.51 Uhr]

Die erste Übung ist geschafft: Im Tagebau Hambach waren am Samstag 50 ehrenamtliche Rettungskräfte gefordert. Rund um die Uhr warteten neue Herausforderungen auf sie.

Die erste Übung ist geschafft: Im Tagebau Hambach waren am Samstag 50 ehrenamtliche Rettungskräfte gefordert. Rund um die Uhr warteten neue Herausforderungen auf sie.

„Nun tun Sie doch was, nun tun Sie doch was!“ Die junge Frau ist außer sich. Bei einem schweren Unfall haben sich drei Autos ineinander verkeilt, ein viertes, einige Meter abseits, steht in hellen Flammen. Ein Wagen ist umgestürzt, der im Wrack eingeklemmte Fahrer stöhnt. Die Feuerwehr ist zu erst am Unfallort, weil zunächst nur ein Brand gemeldet worden war. Sofort fordern die Männer Verstärkung an. So dauert es eine Weile, bis der erste Notarzt zur Stelle ist. Doch statt Blutungen zu stillen oder Infusionen zu geben, verschafft dieser sich unbeeindruckt von der jungen Frau einen Überblick. Dann gibt er seinem Assistenten Stichworte, damit auch der Einsatzleitwagen als mobile Leitstelle aus dem Feuerschutztechnischen Zentrum des Kreises voll im Bilde ist und alles Notwendige veranlassen kann.

„Gut so! Wir befinden uns noch in der anfänglichen Chaosphase. Doch Hektik ist der Tod einer jeden guten Versorgung. Denn wer am lautesten schreit, ist selten am schwersten verletzt“, erläutert Oliver Zorn seinen Zuhörern von erhöhter Warte aus das umsichtige Vorgehen des jungen Notarztes. Zorn, Ärztlicher Leiter Rettungsdienst des Kreises Düren, weiß, was die rund 50 Freiwilligen Feuerwehrleute und Rettungskräfte im Laufe dieses Samstages im Tagebau Hambach erwartet. Gemeinsam mit Dr. Robert Dujardin vom Betriebsrettungsdienst der RWE Power AG hat er das Drehbuch zu den 1. Rettungstagen des Kreises Düren geschrieben. Und ihm den Titel „Rettungsdienst extrem“ gegeben, der nichts Gutes ahnen lässt.

Doch morgens um 8 Uhr war die Welt noch in Ordnung, als Tagebaudirektor Hans-Joachim Bertrams, Landrat Wolfgang Spelthahn und Kreis-Dezernent Peter Kaptain die Freiwilligen in der Rettungswache des Tagebaus zu der Übung begrüßten. „Sie opfern ihre Freizeit, um die Sicherheit der 272.000 Menschen im Kreis Düren Tag für Tag rund um die Uhr zu gewährleisten. Damit sie den hohen Standard halten, müssen sie immer wieder üben“, würdigte der Landrat das Engagement der Ehrenamtlichen.

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Und das Üben kam nicht zu kurz, denn der mit Schrottautos und den Verletztendarstellern des DRK Jülich simulierte schwere Verkehrsunfall mit einem sogenannten „Massenanfall von Verletzten“ war nur der Einstieg in den Extremtag. Unter den sachkundigen Augen von Schiedsrichtern arbeiteten die Retter den Unfall ab. Erste Hilfe, Rettungsmaßnahmen und Löscharbeiten gingen parallel vonstatten. So verwandelten die Feuerwehrleute aus Merzenich und Jülich eines der Wracks fachgerecht in ein Cabrio, um den „eingeklemmten“ Insassen zu retten. Nach rund einer Stunde hatten Oliver Zorn und seine Kollegen genug gesehen und baten alle Beteiligten zur kurzen Manöverbesprechung.

Anschließend ging es in einer Art Zirkeltraining weiter. Die Stationen waren sehr anspruchsvoll und teils nicht alltäglich. So steckte ein Mime auf einem RWE-Großgerät in gut 40 Metern Höhe mit einem gebrochenen Bein fest und musste dort oben versorgt werden. Beim Abseilen ließ er sich freilich von einer 80 Kilogramm schweren Übungspuppe vertreten – sicher ist sicher. In einer stockdunklen Halle galt es dann, einen Säugling wiederzubeleben, bei Stroboskopblitzen und lärmender Heavy Metal-Musik. Auch musste ein Patient mit einem Bruch des Schenkelhalses aus sehr unwegsamen Gelände gerettet werden.

Später gab es ein Wiedersehen mit der verletzten Übungspuppe, die diesmal als abgestürzter Paraglider in einem Baum fest hing. Ebenfalls ungewöhnlich, aber nicht undenkbar: ein Patient mit einem Schlangenbiss. Hierzu hatte Zorn einen Experten des Zolls engagiert, der echte Schlangen zum Anfassen im Gepäck hatte. Damit nicht genug: Ein Taucher – so das Szenario - war zu schnell aus der Tiefe aufgestiegen und hatte einen Dekompressionsunfall erlitten. Zwar rief niemand „Nun tun sie doch was!“, doch schnell und präzise gehandelt werden musste auch hier – Rettungsdienst extrem eben.

Extrem geschafft, aber zufrieden waren auch die Einsatzkräfte von DRK, MHD, RWE und der Feuerwehr, als sie gegen 20 Uhr das Übungsgelände wieder verließen. „Neben dem routinierten Abarbeiten der medizinischen Standards wurde heute auch oft Improvisation von den Rettungskräfte gefordert“, blickte Zorn auf den Tag zurück. „Alltäglich waren die Einsätze keinesfalls. Doch im Zusammenspiel der verschiedenen Einheiten wurden alle Aufgaben bewältigt“, ergänzte Jürgen Esser, stellvertretender Leiter des Feuerschutztechnischen Zentrums des Kreises, der als Schiedsrichter vor allem die Feuerwehr stets im Auge hatte. „Ich hoffe, dass die Praxistage zu einer Institution des Kreises Düren werden. Ideen für das nächste Jahr habe schon genug“, sagte Zorn schmunzelnd. Verraten will er sie aber noch nicht.


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