Besuch bei Pfarrer Schneider
Jülicher „Christus Singers“ zum Gastspiel in der Schweiz
Von Arne Schenk [14.07.2008, 19.28 Uhr]
![]() Die Jülicher „Christus Singers“ |
„Algrezcha mia dorma bain“ schallt es durch die „Winterkirche“ des schweizerischen Zernez, „Meine Freude schlaf gut“. 17 Stimmen nur, aber die traumhafte Akustik lässt sie wie mindestens 30 Klangkörper erscheinen.
Das vielleicht meistgesungene romanische Standardlied in der Interpretation der „Christus Singers“ wirkt einen Tag später bei der Aufführung in der „Sommerkirche“ so animierend auf die 60 Zuhörer, dass einige von ihnen spontan eine zusätzliche Stimme darüber legen.
Erstaunt zeigen sie sich, dass Menschen, die nicht in dem Städtchen des Engadin leben, die rätoromanische Aussprache so gut beherrschen. Denn der Gospel-Chor gehört zu der evangelischen Kirchengemeinde Jülich und hat sich im Juni auf den Weg gemacht, um ein Mitglied aus der Anfangszeit zu besuchen: Pfarrer Christoph Schneider.
Mit zwölf Damen und einem Herren hatte der Chor vor zwei Jahren begonnen. Mittlerweile sind es 63, wenn alle da sind. 26 davon planten den Abstecher in die Schweiz, bevor Hochwasser und Schlamm im Keller sowie ernste gesundheitliche Probleme einigen Mitgliedern einen Strich durch die Rechnung machten.
Gefahren sind letztlich 17 und Chorleiter Helmut Kleinbauer. Dieser stellte nicht nur sein Ensemble perfekt auf die gesangliche Mitgestaltung des Gottesdienstes ein, sondern erwies sich nicht zuletzt seiner Sprachkenntnisse zudem als perfekter Wegbegleiter, hat er doch drei Jahre rätoromanisch studiert.
764 Kilometer reiste die Gruppe per Bus über Nacht bis in das etwa 25 Kilometer von St. Moritz entfernt gelegene Zernez. Nach der Ankunft in dem Graubündener Städtchen versammelten sich die Reisenden zunächst im Hotel Spöl, ehe sie einen Rundgang durch Zernez antraten.
Am Nachmittag ging es mit dem Zug nach Lavin, wo die Fahrenden in der alten Kapelle die wertvollen und bedeutenden Wandmalereien aus dem 16. Jahrhundert bewunderten und die begehrte Engadiner Nusstorte im Café Giacometti genossen.
Tags darauf steuert die Truppe Guarda und Scuol an, wo alte Häuser und Höfe noch Zeugnis aus dem 16. bis 18. Jahrhundert ablegen. In den Türen sitzen „Spione“, der Blick zur Außenwelt, auf den Balkonen weiden Ziegen und auf den Dächern vermeiden Balken die Lawinengefahr bei Schneefall. Am eindrucksvollsten aber sind wohl eine Art „Graffitis“, die direkt in den Putz und den Zement eingraviert und ausgekratzt sind.
Die Winterkirche in Zernez ist – untypisch für eine reformierte Kirche – ausgemalt mit Wandmalereien, die freigelegt wurden. Hier halten die „Christus Singers“ ihre Generalprobe für ihren großen Auftritt beim Gottesdienst ab. Doch zunächst steht ein weiteres großes Ereignis an.
Abends ist der schweizerische Bundesrat vor Ort, um das Nationalparkhaus in Zernez einzuweihen, ein lebendiges aktives Museum zur Natur des Engadin nicht nur für Jugendliche. Die Schweizer feiern den Anlass mit eine Volksfest im Zelt.
Am eigentlichen Aufführungstag betreten die Frauen als erste die Kirche, gefolgt von den Männern. In dieser Reihenfolge verlassen sie das Gebäude auch wieder, eine Form der Höflichkeit. Auch während des Gottesdienstes sitzen die Geschlechter getrennt voneinander und lauschen der Darbietung der „Christus Singer“.
Neben dem „Dorma bain“ erklingen die Gospels „Amazing Grace“ und „Deep River“, komplettiert von dem Geistlichen Lied „Wagt Euch zu neuen Ufern“. Zu diesen Gestaden scheinen auch die Gemeinden von Zernez und Jülich aufzubrechen, denn in einem Gespräch mit Helmut Kleinbauer hat der Zernezer Gemeindepräsident Domenic Toutsch zugesagt, die Jugendarbeit der beiden Städte zu vernetzen. Und auch Christoph Schneider hat seinen Gegenbesuch versprochen.
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