Weltbekannter Textilkünstler schulte Strickerinnen im Glashaus
Jülich: Buntes Grau und „Sweater in the dschungle“
Von Dorothée Schenk [10.04.2008, 23.32 Uhr]
![]() Das Urteil des Meisters Kaffe Fasset ist wichtig - im Einzelgespräch… |
Gespannte Konzentration schwingt im Rhythmus der Hände durch das Glashaus an der Südbastion. Reihe um Reihe wachsen die Probestücke, die dem scharfen Auge des Profis standhalten sollen. Kaffe Fasset schulte zwei Tage lang Kursteilnehmer in seiner speziellen Stricktechnik. „Malen mit Wolle“, nennt es die Stetternicherin Rosemarie Kaufmann, die vor 20 Jahren die ungewöhnliche Masche des weltbekannten Künstlers kennen lernte und ihn nun schon zum zweiten Mal nach Jülich geholt hat. Fasset, Urvater des Missoni-Designs und einzig lebender Textil-Künstler, der je in der Londoner Viktoria & Albert Hall ausstellen durfte, ist ein Vorbild zum Anfassen – und zum Nachahmen, wenn er die Ruhe selbst Nadeln schwingend abseits auf seinem Stuhl sitzt und auf neue Musterstücke zur Begutachtung wartet.
Die Schulung des Auges steht an erster Stelle, ehe überhaupt ein Wollfaden aus den riesigen Paletten von Knäuls in allen Farbschattierungen ausgewählt wird. Anhand von Kunstpostkarten suchen sich die Strickerinnen aus Brüssel, Berlin und natürlich auch dem rheinischen Umland ihr Spektrum von 20 bis 40 Farben heraus, mit denen sie arbeiten wollen. Hier werden eingefahrene Sehgewohnheiten aufgebrochen“, erklärt Siegburgerin Beate Josten. „Wie bunt grau sein kann“ habe sie jetzt entdeckt. Das schwierige ist, die Vielfalt der Fäden zu beherrschen, damit sie nicht aussehen, wie die New Yorker Telefonkabel, wie Fassets-Schüler Brandon Mabley schmunzelnd erklärt. „Fight that tangle“, warnt Fasset und ruft zur Beherrschung des Wollgewirrs auf. „ Angereichert wird die Praxis mit der Theorie, die bei Kaffe Fasset immer an Werkstücken festgemacht alles andere als trocken daherkommt.
Mit einer gehören Portion britischen Humors gewürzt gibt der Wahl-Engländer sein messerscharfes Urteil ab, nicht ohne im Anschluss Mut zu machen. „Auch wenn Sie den Pullover hassen – machen Sie ihn fertig. Irgendjemand wird ihn immer schön finden und kaufen oder als Geschenk begeistert annehmen. Warten Sie auf diese Person!“ Da lässt es sich bequem wegstecken, wenn bei der Schlussrunde die Beurteilung des Probestücks – für jeden Teilnehmer sichtbar mit Stecknadeln auf eine Wand gepinnt – durch den ansonsten begeisterungsfähigen Künstler eher schmal ausfällt. „Einen Socken wollten Sie stricken – ich kann nicht im Kreis denken“, schmunzelt er und versüßt damit die tiefer liegende Aussage, dass es nicht derTechnik entspricht, die er als „Guru“ für richtig hält. Ins Schwärmen kommen kann er bei „Poems of Colour“, die er unter den Werkstücken entdeckt und kaum abwarten, wie sich ein Pullover weiterentwickelt: „Ich wünschte, Ihr könntet schneller stricken, dann könnte ich auch die gelben Töne noch sehen.“
![]() … und der abschließenden Gruppenbetrachtung hängen die Strickerinnen an seinen Lippen. |
Der Rausch der Geschwindigkeit, der Beherrschung des Materials, veranlasste Kaffe Fasset 1969 sich von seiner Putzfrau das Handwerk beibringen zu lassen. So wechselte der Künstler vom Pinsel zur Nadel, ohne seine Faszination für Farben zu vernachlässigen. Alles ist ihm Inspiration. Auf die Frage, welche Anregung er aus Jülich mitnehmen wird, meinte er lachend: „Sweater in the dschungle“. Rosemarie Kaufmann hat viele Pullover nach Vorlagen Kaffe Fasset gestrickt und sie beispielhaft für die Kursteilnehmer im „grünen Urwald“ des Glashauses aufgehängt. Aber auch die Ziegelmauern der Südbastion können eine Quelle für neue Muster sein – festgehalten im fotografischen Gedächtnis einer kleinen Kamera-Festplatte…
Der Reiz seiner besonderen Technik ist das tatsächlich Malerische: Es entstehen Farbfelder, die durch Schattierungen eine Lebendigkeit erreichen, wie es aus impressionistischen Bildern bekannt ist. Dann wieder verwendet Fasste „trompe l’ œil“-Elemente: Quader scheinen aus der Fläche dem Betrachter „ins Auge“ zu springen. Faszinierend ist Auch das Fehlen jeglicher Vorzeichnungen. Die einzige Orientierung bietet das kleine Muster, das anfangs gefertigt wird, und das ureigene Farbgefühl. Und das bringt Glücksgefühle. Fast meditativ muten die arbeitenden Frauen im Glashaus an. Nicht „nebenbei“, sondern mittendrin sind sie in Wolle und Design. Die gute Mischung zwischen Konzentration und Entspannung macht den Reiz aus, wie eine Teilnehmerin erklärt. Schwärmerisch auf die Spitze treibt es Hubi Krüger aus Bedburg: „Das ist wie ein Tag Schönheitsfarm!“
Im kommenden Jahr, da ist Rosemarie Kaufmann sicher, kommt Kaffe Fasset wieder nach Jülich. Dann aber – so der Wunsch der Unternehmerin – an einem Wochenende. Wer die Termine genau wissen will, kann sich bei Wolle und Design den Newsletter bestellen.
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