8. Forum Technik – Wirtschaft – Ethik
Jülich: Konkurrenzfähig durch Atomenergie?
Von Arne Schenk [08.11.2006, 08.59 Uhr]
![]() „Sie sind diejenigen, für die diese Entscheidungen getroffen werden“, ermunterte Barbara Biel (r) die Studenten, sich an Diskussion mit Barbara Baumann (3.v.r., Syed Qaim (2.v.r.), Michael Eble (M) und Peter Hocke (l) zu beteiligen. |
„Entweder bleiben wir auf dem Stand einer Industrienation oder wir leben die nächsten 2000 Jahre vom Tourismus wie Griechenland.“ Damit zog ein Zuhörer das Fazit beim 8. „Forum Technik – Wirtschaft – Ethik“, das die Katholische Studentengemeinde Jülich (KSG) und der Standort Jülich der Fachhochschule Aachen zu dem Thema „Strahlende Zukunft – Nuklearwissenschaften zwischen Tschernobyl und Krebstherapie“ organisierten. Anders als bei Diskussion vor 20 Jahren, bei denen ethische Probleme zur Verantwortung von Politik und Betreibern hinsichtlich möglicher Risiken stand, drehte sich nun der Disput eher um die Verantwortung für die internationale Konkurrenzfähigkeit Deutschlands.
Dies bedeutet keineswegs, dass die Ökonomie die Ökologie ersetzt hätte. Natürlich steht auch weiterhin das Kriterium der Sicherheit ganz oben auf der Liste bei Forschern und Wirtschaftlern. Es sei auch eine Abwägung zwischen Nutzen und Risiko, erklärte Prof. Dr. Michael Eble, Klinik für Strahlentherapie am Uniklinikum Aachen: „Wann ist Strahlung etwas Schlechtes, wann etwas, das wir akzeptieren können?“ Seine eigener Fachbereich stand dabei selten zur Disposition, und wenn, dann nur bei Fragen der Forschung zu konkreten Anwendungen im Nanosektor.
Jedoch könnten auch die Nuklide, die in der Nuklearmedizin gebraucht werden, nur in Reaktoren hergestellt werden, betonte Prof. Dr. Syed Qaim, pensionierter Wissenschaftler des Forschungszentrums Jülich und immer noch Professor für Nuklearchemie an der Universität zu Köln. Er wies auch darauf hin, dass bereits eine Milliarde Menschen, also etwa ein Sechstel der Menschheit Atomstrom als Energiequelle benützten. Dafür sei bislang relativ wenig geschehen.
Allerdings versuchte er nicht, in Hinblick auf 20 Jahre Tschernobyl diese Katastrophe zu verharmlosen. Angesprochen auf Vorkommnisse in seinem anderen Fachbereich erinnerte er an das Unglück im indischen Bhopal von 1984: „In der Chemie passieren auch Unfälle, aber in der Kernchemie ist man nicht bereit zu verzeihen.“ Zudem mahnte er, dass Kernenergie auch zu militärischen Zwecken missbraucht werden könne. Allerdings führe der Besitz eines Reaktors nicht unweigerlich zur Kernmacht.
Mit viel Umsicht leitete die Aachenerin Barbara Baumann das Forum, forderte ihre „Kompetenz des Nichtwissens“ ein, um lose Fäden aufzugreifen und zu einem roten zu verknüpfen. Dabei fragte sie unter anderem, ob der Mensch sich mitunter als Zauberlehrling den Gefahren nicht bewusst ist. Es sei die Frage, wie man mit den Ängsten umginge, unterstrich Eble. Der Strahlenschutz sei wesentlich verbessert, aber man könne nicht zu dem Punkt kommen, an dem bei Radioaktivität keine Strahlung mehr vorkäme.
Barbara Biel von der KSG ermunterte die Studenten, sich an der Diskussion zu beteiligen: „Sie sind diejenigen, für die diese Entscheidungen getroffen werden.“ Die Angst dürfe die Verantwortlichen nicht leiten und eventuell zu möglichen Fehlentscheidungen führen, forderte daraufhin ein Zuhörer, denn nicht die Kernenergie sei schlecht, sondern lediglich ein Werkzeug. Ein Energiemix unter Beteiligung der Kernenergie sei unumgänglich, meinte ein anderer. Ein weiteres Thema war die Bezahlbarkeit der Energieversorgung. Ist Atomstrom billiger als anderer fossiler oder regenerativ produzierter? „Die Zahlen, die unten raus kommen, müssen schwarz sein.“
„Wir können froh sein, dass sich viele dafür interessieren“, meinte Dr. Peter Hocke vom Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse in Karlsruhe. „Offensichtlich haben wir ein anderes Problem, das, Zukunftsentscheidungen zu fällen.“ Deshalb bat er um mehr Mut zu Politik, mehr Debatten und Auseinandersetzungen.
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