Ungebrochene Nachfrage

Welldorf: „Die meisten waren noch Kinder…“
Von Dorothée Schenk [17.11.2005, 13.10 Uhr]

Im Selbstverlag brachte Michael Hecker das Buch heraus.

Im Selbstverlag brachte Michael Hecker das Buch heraus.

Es ist wie das Blättern im Fotoalbum der Großeltern: Die schwarz-weißen Fotos von Menschen, die mit Pferd und Pflug auf dem Feld arbeiten, Uniformierte mit dem Bewusstsein für ihren Stand und Ehre, eine Hochzeit… das alles spricht beredt von der Vergangenheit, lädt ein zur Rückschau und Erinnerungen. In Michael Heckers Buch „Welldorf an der Heimatfront“ lebt von dem Persönlichen der Menschen in diesem Dorf. Aber es hat etwas Allgemeingültiges, weil es nicht nur persönliche Erlebnisse von Zeitzeugen veröffentlicht, sondern den historischen Zusammenhang herstellt und damit auch Dokument ist. Vorgestellt hat Hecker sein Buch im voll besetzten Pfarrsaal bereits Anfang Oktober. Wegen der großen Nachfrage hat er sich am Mittwoch 16. November, auf Einladung von Wolfgang Hommel in der Buchhandlung Fischer in Jülich zu einer Autorenstunde Fragen von Lesern gestellt.

Passend zu diesem Tag, denn unter dem Leitsatz „Den Opfern zum Gedenken, den Überlebenden zur Erinnerung, den Nachgeborenen zur Mahnung“ steht dieses Buch, dass sich mit den Ereignissen um den 16. November 1944 beschäftigt. Nicht nur Jülich ist an diesem Tag zu 99 Prozent zerstört worden, auch in Welldorf ging der Bombenhagel nieder. In diesem Buch geht um den gewaltsamen Tod von 33 Welldorfern, die bei dem Angriff umkamen, um Flucht und Heimat. Ein persönliches Anliegen ist dem Autor die Bildergalerie der 70 Welldorfer Kriegstoten und Vermissten, denen er so ein Denkmal setzte.

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Autor Hecker stellt sich Leserfragen.

Autor Hecker stellt sich Leserfragen.

Erzählt wird im Buch auch von den Ereignissen vor der Bombennacht, von dem Alltag zu Kriegszeiten, unterbrochener Schlaf durch das Aufsuchen von Luftschutzkellern aber auch dem samstäglichen Badetag, an dem es für die Kinder im Anschluss an die Waschaktion Brötchen und Kakao gab. „Das war ein Fest!“ erinnert sich Adele Bernhards, geb. Hucko. Aber auch von der Schwere der Arbeit an Haus und Hof, vom Einmachen des Wintergemüses und Schulbesuchen. Der Autor weiß, dass das Gedächtnis trügen kann, vor allem aus einem Grund: „Die meisten Befragten waren damals noch Kinder…“ So hat sich Historiker Hecker die Arbeit gemacht, die Berichte durch Quellen, Literatur und parralele Aussagen zu prüfen. „Offensichtliche Fehler habe ich nach Rücksprache behutsam korrigiert bzw. die betreffenden Berichte nicht in das Buch aufgenommen“.

Entstanden ist das fast 200-Seiten-starke Buch aus der Idee, die Geschichte der Familie aufzuschreiben. „Der Auslöser war meine achtjährige Nichte. Mir wurde auf einmal bewusst, dass – wenn sie in meinem Alter ist – niemand mehr leben wird, den sie nach der Geschichte fragen kann.“ Viele Menschen nehmen sich vor, alles aufzuschreiben; Michael Hecker, 33 Jahre, Historiker und Freier Journalist, hat es getan. Aus der kleinen Familiegeschichte wurde innerhalb eines Jahres die Geschichte(n) von rund 100 Familien. Es sprach sich herum, dass „Hecker-Jakobs-Sohn“ über die Kriegszeit recherchierte. Aus diesem persönlichen Verhältnis heraus, konnte der Autor eine Vielzahl an sehr privaten Einblicken gewinnen – auch von Evakuierten aus Jülich, Ederen, und Freialdenhoven, sogar einem Frankzosen, der als Kriegsgefangerner in Welldorf war. Im Schnitt zwei Stunden unterhielt er sich mit jedem Zeitzeugen. Das ging nicht immer ohne Tränen ab. „Vieles ist einfach noch nicht verarbeitet“, meint Michael Hecker. Schwierig war aus den reichen Erinnerungen auszusuchen: 700 Seiten hat er zwischen August 2004 und Juni 2005 aufgeschrieben. Das Kriterium war: „Es sollte jeder zu Wort kommen, sich aber nichts wiederholen“, erklärt der Welldorfer. Hinzu kamen ebenso viele – nämlich 700 – Fotos und Dokumente. Und beide „Archive“ wachsen weiter. „Ich bekomme laufend noch neues Material“, berichtete Michael Hecker. „Vielleicht mache ich noch mal einen Ergänzungsband.“

„Welldorf an der Heimatfront“ ist im Eigenverlag erschienen. 1000 Exemplare hat Michael Hecker drucken lassen, davon sind 400 bereits verkauft. 18 Euro kostet das Werk, das in der Jülicher Buchhandlung Fischer, Kölnstraße 9, und bei Familie Hecker, Jülicher Straße 39, in Welldorf zu erwerben ist.


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