Interview mit Klaus Eberl, Superintendent des Kirchenkreises Jülich

Kirche trägt Aufgaben zum Wohle der Gemeinschaft
Von Dorothée Schenk

Die evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat gewählt. Der neue Ratsvorsitzende heißt Wolfgang Huber. Einer mit Stimmrecht in dieser Synode ist Klaus Eberl, Superintendent des Kirchenkreises Jülich. Mit Dorothée Schenk sprach er über die Erwartungen, die sich mit dem neuen ersten Mann der deutschen Protestanten verbinden, und die Situation der Kirche in seinem Amtsbereich.

Klaus Eberl hat in der Synode mit abgestimmt.

Klaus Eberl hat in der Synode mit abgestimmt.

Welche Hoffnungen setzen Sie in Wolfgang Huber?

Eberl: Wolfgang Huber ist ein erfahrener Bischof und ein glänzender Theologe. Jemand, der Kirche leitet, muss unterschiedliche Fähigkeiten mitbringen: theologische, menschliche, so etwas wie eine Identifikationsperson sein und er braucht Managementfähigkeiten. Die letzten zehn Jahre in Brandenburg haben ihn gut vorbereitet auf das Amt als Ratsvorsitzender. Als ausgewiesener Sozialethiker hat er den Auftrag in der Kirche das Wächteramt in dieser Gesellschaft auszuüben. Gerade wenn derzeit quer durch die Parteien und Länder Sozialabbau betrieben wird. Ich hoffe, dass er eine besondere Option für Arme und Schwache nimmt, nach dem biblischen Zitat aus Sprüche 31, 8: „Tue Deinen Mund auf für die Stummen.“

In der Wahl ist die Mitkandidatin Margot Käßmann unterlegen. Ist das ein Zeichen, dass die Zeit für Frauen in Führungsposition der evangelischen Kirche noch nicht reif ist?

Eberl: Die Zeit für die Frauen ist schon reif – nur nicht für diese Frau. Ich habe die Diskussion in der Presse verfolgt, aber es hat niemanden außerhalb der evangelischen Kirche zu interessieren, wer sie führt. Margot Käßmann hat sich für mich auf der Synode nicht überzeugend dargestellt, aber dabei spielt die Tatsache, dass sie eine Frau ist, keine Rolle. Im Kirchenkreis Jülich ist auch zu spüren, dass das Geschlecht bei Stellenbesetzungen unbedeutend ist. Wir haben – ohne es zu wollen oder eine Strategie dahinter– in den vergangenen zehn Jahren die Stellen etwa 50:50 besetzt.

Das Bistum Aachen machte in dieser Woche Schlagzeilen mit seiner Finanzmisere, sogar von Pleite war die Rede. Wie steht der Kirchenkreis da?

Eberl: Im Prinzip ähnlich und doch anders. Wir sind gleichermaßen von der vorgezogenen Steuerreform betroffen. Ein zweiter Bereich kommt hinzu, der die Schwierigkeiten dramatisiert: Die Landespolitik hat an ganz zentralen Punkten Zuschüsse gestrichen unter dem Titel „Harte Einschnitte schaffen Perspektiven – klare Akzente für die Zukunft unserer Kinder“. Das ist zynisch. Es wird so getan, als seien die Zuschüsse an Kirchen Subventionen, damit sie Kindergärten, Offene Jugendarbeit oder Beratungsstellen betreiben. Das ist nicht so. Bei uns gilt das Subsidiaritätsprinzip, das heißt, übergeordnete gesellschaftliche Verbände, auch die Kirche und Wohlfahrtsverbände, übernehmen zum Wohle der Gesellschaft Aufgaben, die sie selbst nicht leisten kann. Dafür muss der Staat die Träger finanziell unterstützen. Es ist also genau umgekehrt: wir subventionieren mit unseren Kirchensteuern staatliche Aufgaben. In Sachen Kindergarten-Finanzierung ist der Staat vertragsbrüchig. Die Streichung im Bereich Kindererziehung, Jugendsozialarbeit und Beratungen als „Klaren Akzent für die Zukunft unserer Kinder“ zu bezeichnen, finde ich happig – und dumm. Denn die Kosten für diese Entscheidung werden auf die öffentliche Hand zurückkommen.

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Der Superintendenten in Jülich bei der Arbeit.

Der Superintendenten in Jülich bei der Arbeit.

Die Gemeinden sind in einer schwierigen Situation. Ich glaube, dass wir im Kirchenkreis Jülich trotzdem nicht schlecht vorbereitet sind. Die einzelnen Gemeinden sind Kirchensteuergläubiger. Daher waren sie von jeher in der Verantwortung, Ausgaben und Einnahmen in Deckung zu bringen. Langfristig müssen wir uns darauf einstellen, dass der Anteil der Profis zurückgeht und deren Hauptaufgabe dann sein wird, die Ehrenamtler zu schulen und zu leiten. Das ist aber eine Perspektive für die nächsten 20 bis 30 Jahre. In diesem Sinne ist noch nicht Land unter, aber es ist schon arg nass.

Was bedeutet das denn konkret für diesen Kirchenkreis?

Eberl: Als ich vor zehn Jahren Superintendent wurde, habe ich eine langfristige Finanzplanung vorgelegt. Die wird immer fortgeschrieben und die arbeiten wir ab. In der Zeit hat es viele Veränderungen gegeben. Wir haben, und das bitter, das Frauenreferat geschlossen, die Diakonie-Station in Stolberg und Übach-Palenberg in andere Träger überführt, uns aus der Förderung für das Forum der Arbeit zurückgezogen und die Familienpflege eingestellt. Im kommenden Jahr müssen wir die Jugendeinrichtung Arsbeck schließen. Es hat wenig Zweck Panik zu machen. Wir haben ja auch eine Fürsorgepflicht gegenüber unseren Mitarbeitern. Umgekehrt haben wir auch neue Akzente gesetzt, zum Beispiel in der Schuldnerberatung oder Flüchtlingsfamilien und Asylbewerbern. Gerade weil diese Gruppen in der Gesellschaft keine Lobby haben.

Wie steht es mit dem Projekt „Bildungshaus“ auf dem Gelände des alten Schlachthofs?

Eberl: Es gibt den Antrag einer Gemeinde zur Herbstsynode an diesem Wochenende, das Projekt zu kippen. Ich würde das für einen Fehler halten. Meine Hoffnung ist, dass Ende nächsten Jahres das Haus steht. Besonders freut es mich, dass das Stammhaus in nächster Nachbarschaft steht. Die Kirche ist ja für Behinderte sehr aktiv. Ein Spareffekt ist hier zwar nicht zu erzielen, höchstens dadurch, dass man den gleichen Architekten beschäftigt und die Folgekosten gesenkt werden könnten. Aber das sind nur Überlegungen. Innkirchliches Sparpotential besteht in der künftigen Nähe zur Verwaltung. Außerdem bin ich dabei, ein Konzept für eine zentrale Personalstruktur für Kinder- und Jugendeinrichtungen zu erarbeiten. Über ein Pool könnten Mitarbeiter flexibler eingesetzt werden, um auf Veränderungen der öffentlichen Hand besser reagieren zu können. Wir haben das vor zwei Jahren schon einmal überlegt, aber das befindet sich noch auf der Ebene eines Denkmodells.

Wichtig ist mir aber neben diesen strukturellen Dingen, dass wir Menschen gerade in so unsicheren Zeiten eine Orientierung bieten können, sie einladen, Strategien gegen die Angst zu entwickeln. Bei allen Aktivitäten steht im Hintergrund, dass wir die Botschaft haben, dass Gott uns alle liebt, dass jeder Mensch etwas Wunderbares ist. Das war für mich der Grund, Theologie zu studieren.


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