Wolfgang Kaleck "Mit Recht gegen die Macht"
Ohne Masterplan, mit Intuition und Leidenschaft
Von Redaktion [25.11.2015, 20.31 Uhr]
Wolfgang Kaleck |
In Jülich stand seine Wiege, in Berlin steht sein Schreibtisch, aber gearbeitet wird auf fast allen Kontinenten: In Liberia und Argentinien, in China und in New York. Fast möchte man frei nach 007 sagen: „Die Welt ist nicht genug“. Wolfgang Kaleck hat sich entschieden, für das große Ganze im Einsatz zu sein, für niemanden weniger als für die Entrechteten, Gefolterten, Verfolgten und Geschundenen.
Angefangen hat es mit der Verteidigung von Punks und Hausbesetzern in Kreuzberg, mit Opfern von Stasi und Neonazis in Deutschland, bald ging es nach Übersee, wo er – im übertragenen Sinne - zum Anwalt für 30.000 verschleppte Regimekritiker in Argentinien wurde. Im Laufe der Jahre kam der Einsatz für Gefolterte in Abu Ghraib und Guantánamo dazu und in der Folge die Anklage gegen Rumsfeld, für ermordete Gewerkschaftler in Südamerika und damit gegen die Konzerne Nestlé und Mercedes-Benz. Derzeit vertritt er Edward Snowden.
„Ich begreife, dass es Dinge gibt, die getan werden müssen, unabhängig vom Erfolg, der zu erwarten ist“, schreibt er in seinem jüngst erschienenen Buch „Mit Recht gegen die Macht“. Der Weitgereiste kommt am heutigen Dienstag, 26. November, zum „Buchgespräch“ in seine Geburtstadt Jülich. In der Buchhandlung Fischer, Kölnstraße 9, wird er von seinem Werdegang erzählen, was ihn geprägt hat und warum die Frage nach den Menschenrechten immer auch eine Systemfrage ist. Die Veranstaltung ist ausverkauft.
Vorab hat er dem JüLicht einige Fragen beantwortet.
Ihre Schreibleidenschaft leben Sie bereits in „recht subversiv“ bei der Wochenzeitung „Die Zeit“ aus. Warum jetzt das Buch zum Menschen Wolfgang Kaleck?
Kaleck: Ich habe ja auch schon andere Bücher geschrieben, über internationales Strafrecht zum Beispiel. Diese Buch ist ein wichtiges Buch als Zwischenbilanz. Ich habe es in zwei Monaten im letzten Winter geschrieben. Es war eine spannende und erkenntnisreiche Zeit. Ich habe es genossen, einmal etwas anderes zu machen abseits des direkten Arbeitsalltags. Ein Anliegen ist auch, die Arbeit des ECCHR ( European Center for Constitutional and Human Rights ECCHR; deutsch Europäisches Zentrum für Verfassungs- und Menschenrechte, Anm. d. Red.) darzustellen, die oft noch für eine Art Anwaltskanzlei gehalten wir. Es geht aber nicht nur um den Einzelfall, sondern ein Konzept, eine über die Summe der Einzelfälle hinausgehende Vision.
In Ihrem Buch beschreiben Sie über Ihre Erlebnisse in den Krisengebieten, über den Besuch im Gefängnis von Liberia. Ihre Mutter meinte nach der Lektüre ihres Buches: "Ich bin froh, dass ich vieles nicht wusste.“ Was war die - nach persönlicher Einschätzung - gefährlichste oder kritischste Situation im bisherigen Leben?
Kaleck: Ich sehe nicht die Gefahr für mich, eher für diejenigen, mit denen ich zu tun habe; Anwälte, die in Gefahr waren und sind. Das zeigt einmal mehr wie privilegiert wir sind.
Was war die schwierigste Verhandlung?
Kaleck: Die verschwundenen Gewerkschaftler von Mercedes Benz in Argentinien oder die Ermordung von Romero in Kolumbien… das geht mir schon sehr nah. Es tut mir leid, dass wir hier juristisch nicht weiter gekommen sind. Es war sinnvoll, dass wir es gemacht haben, aber es wurmt mich, dass wir nicht mehr Erfolg hatten.
Was gibt Ihnen nach solchen Erlebnissen Seelenfrieden?
Kaleck: Das ist kein Wort, das ich im Gebrauch habe. Eine gewisse Ruhe gibt mir, das zu tun, hinter dem ich beruflich stehe.
Gab es einen Zeitpunkt, ab dem Sie wussten, dass die Entscheidung für diesen Lebens- und Berufsweg richtig war?
Kaleck: Was ich jetzt mache war für mich anfangs nicht vorstellbar. Darum bin ich Anwalt in Deutschland geworden und bin in Deutschland aufgetreten. Irgendwann hatte ich das Glück und kam nach Argentinien. Es war also weniger ein Zeitpunkt als die Offenheit dafür. Es ist wichtig, nicht auf den Moment X zu warten, nicht zu warten, bis es den Masterplan gibt, sondern dass man seine Intuition behält.
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