Katholische Umweltberater des FKU bildeten sich im „Revier“ fort
Vom Faktor X und Faktor Mensch
Von Dorothée Schenk [01.12.2013, 05.22 Uhr]
ndeland-Gästeführer Gert Kriebel (r) erläutert Zahlen und Fakten des Braunkohle-Abbaus. Foto: Thomas Ehses |
Viel Spannung steckt von der Gewinnung bis zur Wende im Thema Energie. Während in Warschau die weltpolitischen Weichen auf der 19. UN-Klimakonferenz gestellt werden sollten, trafen sich Experten des Vereins zur „Förderung kirchlicher Umweltberatung“ (FKU) in Inden/Altdorf unter dem Thema „Energiewende gerecht gestalten“ zur Fortbildung und Exkursion in die Braunkohle-Reviere.
Eins wurde an diesem Tag schnell klar: Indeland ist eigentlich ein Synonym für „Energiemix“. In dieser Region liegt nicht nur eines der drei großen Braunkohle-Abbaugebiete, sondern auch eine Vielzahl an Windkraftanlagen, das Solartermische Versuchskraftwerk Jülich, das Forschungs- zentrum Jülich, in dem derzeit der AVR-Atomreaktor zurückgebaut wird, und das Kraftwerk Weisweiler. Hier kulminieren konventionelle und regenerative Energiegewinnung. Also ein perfekter Ausgangsort für die Fortbildung des FKU zum Thema „Energiewende gerecht gestalten“.
Es steckt viel Zündstoff in der Sache, wie gleich in der anfänglichen Gesprächsrunde spürbar wurde. Wer sich mit dieser Problemstellung beschäftigt, muss „Energie“ von vielen Seiten aus denken. Neben der Frage zur Bewahrung der Schöpfung – dem zentralen Thema des Vereins, in dem 60 katholische Umweltberater organisiert sind – ist die „menschliche Komponente“ ein entscheidender Faktor. Das gilt in mehrfacher Hinsicht: Der Bedarf an Strom als Bedürfnis der Menschen; Arbeitsplätze gekoppelt an die Gewinnung der Energie, also die Existenzgrundlage; die Vertreibung von Menschen und Verlust der Heimat durch die großen Tagebaue.
„Die Energiewende kann man nicht einfach per Schalter-Umlegen vollziehen. Es ist eine große Herausforderung“, formulierte es Detlef Herbers, FKU-Mitglied aus Paderborn. Einen klaren Austausch an Standpunkten hatte es zuvor durch die Vereinsmitglieder und Vertreter des RWE-Betriebsrates des Tagebaus Inden gegeben. Während die FKUler kritisierten, dass RWE für die riesigen Wassermengen, die das Energie-Unternehmen benötige, nicht zahlen müsse, stellten die Betriebsrat-Vertreter in den Raum, dass die regenerativen Energien für den Strompreis verantwortlich seien. Dass hier keine Mitte gefunden werden würde, war klar. Eindrucksvoll nahm Harald Louis, Vorsitzender des RWE-Betriebsrat Tagebau Inden, aber die Spitze aus dem Schlagabtausch: „Wir wollen Bestandteil der Energiewende sein“, betonte er. „Wir sind für die Energiewende – aber mit Verstand.“ Schließlich sprach er für die 840 Mitarbeiter allein im Tagebau Inden, die nach den jüngsten Pressemitteilungen des Unternehmens selbstredend in Unruhe sind. Soweit war sich die Runde einig.
Einblicke in den Tagebau bei der Exkursion. |
Allein wie „mit Verstand“ die Wende zu vollziehen ist, darin herrschen unterschiedliche Ansichten. Dem „möglichst schnell weg von der Kohle“ aus Reihen des FKU setzten die RWE-Mitarbeiter den Wunsch einer Übergangszeit mit Brückentechnologie entgegen.
All das war aber nur graue Theorie vor der Tour durch die Energieregion: Am großen „Loch“ in Inden und Jackerath staunten die aus dem ganzen Bundesgebiet angereisten Vereinsmitglieder über die – so Thomas Ehses – „gigantischen Ausmaße“, die schon nicht mehr im Bewusstsein seien, auch wenn man nur einige Kilometer weit weg in Köln lebe. Durch die „Geisterstadt“ Pier, in der nun auch die letzten Häuser den Baggern weichen, fuhr die Gruppe nach Borschemich, dessen Umsiedlung derzeit vollzogen wird. Der kleine „Widerstandsort“ hatte lange versucht, seinen Bestand gegen die große RWE zu behaupten, scheiterte aber. Hier steht die Gemeindekirche noch, die ein verbindendes Element zwischen den Noch-Bewohnern des Ortes und den Schon-Umgesiedelten bietet. Ein eigens eingerichteter Fahrdienst sorgt für die Möglichkeit zum Messbesuch am Sonntag. Bereits unter bundesdeutscher Medienbeachtung entwidmet ist die Kirche in Immerath. Während der Ort noch steht, wächst Neu-Immerath, das derzeit noch einem Planspiel unter Realbedingungen gleicht. All das müsse wachsen, schließlich sei der Vorzeige-Ort Inden/Altdorf auch nicht über Nacht zu dem geworden, was er heute ist, erklärte ein Exkursionsteilnehmer.
Wie Neuansiedlungen zumindest im Sinne des Klimaschutzes möglich sind, erklärte Geologe und Wirtschaftsingenieur Klaus Dosch, der für die Stiftung Kathy Beys das Seeviertel in Inden plant, den FKUlern. Untersucht wurde hierzu die Klimawirksamkeit nicht nur der Häuser, sondern auch der Infrastruktur von Leitungsnetzen, Kanälen und Straßen. Nach den gesammelten Erkenntnissen ist allein bei „alternativem Straßenbau“ so viel Energie zu sparen, wie das geplante Seeviertel in Inden in 20 Jahren an Wärmebedarf hat. Beim Hausbau schlägt Faktor 2 zu Buche, also kann die Hälfte der Kosten gespart werden. Doschs Credo lautete: „Wenn wir nur die Energieeffizienz betrachten, wird die Energiewende scheitern.“
Rainer Zöller aus Würzburg gestand, dass er das Gebiet bislang nur aus dem Fernsehen kannte, und zeigte sich erschüttert, „dass ein Geschäftsmodell kulturelle und soziale Werte wegbaggert.“ „Ich hätte mir das in meinen kühnsten Träumen nicht vorgestellt“, stimmte der Münsteraner FKUler Werner Siemens zu. Die einhellige Meinung war abschließend: Der RWE müsse seine Mitarbeiter auf den Veränderungsprozess einstimmen.
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