Offene Ganztagsgrundschule in der Diskussion

Die beste Kontrolle üben die Eltern aus
Von Dorothée Schenk

Zur Diskussionsrunde um die Offene Ganztagsgrundschule hatte die Schulpflegschaft der GGS Jülich-Nord Politiker und Interessierte eingeladen. Lesen Sie hier die Diskussionsdokumentation.

Jedes vierte Kind in Nordrhein-Westfalen hat Bedarf an einer Ganztags-Betreuung – sagt die Untersuchung des Landes NRW, die Peter Schmitz von der CDU bei der Begrüßung zur Diskussion um offene Ganztagsgrundschulen in der Turnhalle Berliner Straße am Mittwoch, 11.Mai, zitierte. Die Gesellschaft habe sich verändert. Dem müsse man Rechnung tragen. Derzeit sind 110 Plätze in der Offenen Ganztagsgrundschule in Jülich geplant. Grundschüler sind derzeit 1550 gemeldet. Das reizvolle sei, so Schmitz, dass sich alle OFFENE GANZTAGSGRUNDSCHULE unterscheiden würden. Endlich gebe es außerdem eine Chance, besonders Gute und Benachteiligte gut zu fördern. Fazit vor der Diskussion: Die OFFENE GANZTAGSGRUNDSCHULE müssen eingerichtet werden. Dennoch erging an die Aufforderung an die Gekommenen: „Wir sind daran gewöhnt, sie können uns jederzeit unterbrechen.“

Moderator Dr. Albrecht Fuchs, erklärte, dass die Schulpflegschaft der Nordschule am 18. März, die Entscheidung zu einer solchen Diskussionsveranstaltung gefällt hätte. Damals sei man sich allerdings nicht klar darüber gewesen, dass in allen Parteien des Jülicher Stadtrates Konsenz über das Konzept und die Umsetzung der Ganztagsgrundschule herrsche, „Dann wäre es genug gewesen, einen Vertreter der Verwaltung einzuladen.“ Diese allerdings hätte sich geweigert, an dieser Veranstaltung teilzunehmen. Trotz der Einstimmigkeit entspann sich eine lebhafte Diskussion mit den Vertretern auf dem Podium: Peter Schmitz (CDU), Christoph Poos (FDP), Ansgar Kieven (SPD), Heinz Frey (JÜL) und Franz-Josef Schroeder (Grüne).

Stichtag für die Umstellung, erklärte Ansgar Kieven, OFFENE GANZTAGSGRUNDSCHULE statt Horte sei der 31.7.2007. Allerdings entscheide jede Kommune selbst darüber, ob sie die Horte erhalte. Das Land streicht aber in jedem Fall den Betriebskostenzuschuss für alle Horte. Aber es sei die Überzeugung der Fachleute, dass die OFFENE GANZTAGSGRUNDSCHULE mehr Zeit für Bildung, Betreuung, Freizeit und auch mehr Zeit für Sport und Spiel biete. Unterschieden wird die klassische Beschulung, unterrichtsbezogene Ergänzungen, wie Hausaufgabenbetreuung und Computerkurs, und themenbezogene Projekte, etwa Selbstbehauptungskurse und Förderung, seien es Schreib-Lese-Kurse oder Sprachunterricht.

Frage: Wenn nur 20 Prozent aller Schüler einen Platz in der OFFENE GANZTAGSGRUNDSCHULE bekommen, wie soll dann die Förderung Benachteiligter gewährleistet werden? Vor allem, wenn für zusätzliche Kurse, wie Klavier 60 Euro zusätzlich zu zahlen sind?

Heinz Frey stellte als Vater dreier Kinder, Schulpflegschaftsvorsitzender der Gemeinschaftsgrundschule West (Koslar), Mitglied der Stadtelternschaft und des Jülicher Rates (JüL) klar, dass er die Idee der offenen Ganztagsgrundschule grundsätzlich begrüße, weil es mehr Übermittagplätze bringe. Allerdings hob er eine Unterscheidung hervor: „Viele verwechseln die Schulpflicht mit dem offenen Angebot. Die Vorgaben für die Umsetzung sind unseres Erachtens unzureichend.“ Gemeinsam mit Eltern, Lehrern und Schulleitung seien Rahmenbedingungen zu erarbeiten. Das gelte auch für die Träger, bei der Promenadenschule ist es etwa der Sozialdienst katholischer Frauen (SkF), in Koslar sei man im Gespräch mit der Arbeiterwohlfahrt. „Es müsste sichergestellt werden, dass Ausfallzeiten aufgefangen werden“, so Frey. Der Bedarf sei da und die OFFENE GANZTAGSGRUNDSCHULE die einzige Möglichkeit, wenn die Horte wegfielen. Zwei Korrekturen seien nötig: Eine besser finanzielle und räumliche Ausstattung.
In Koslar erwartet die Kinder ein Pädagoge für die OFFENE GANZTAGSGRUNDSCHULE, der Rest des Personals wird über 400-Euro-Stellen besetzt – etwa für Hausaufgabenbetreuung und Mittagstisch. „Die offene Ganztagsgrundschule ist qualitativ schlechter als das, was die Horte bieten“, ist Frey überzeugt.

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Franz-Josef Schroeder (Grüne) wies auf die schwierige Finanzsituation hin: „Die offene Ganztagsgrundschule kostet Geld.“ Gestaffelt nach dem elterlichen Einkommen – nach dem Vorbild der Kindergärten – fallen die Beiträge an. Die Spanne liegt zwischen 12.170 Euro Einkommen, damit ist das Kind beitragsfrei, und einem jährlichen Einkommen über 61.355 Euro. Für diese Eltern fällt der Höchstbetrag von 100 Euro im Monat an. Das 1. Geschwisterkind zahlt ein Viertel des Betrags, das dritte Kind ist kostenfrei. Zusatzkosten pro Tag fallen für das Mittagessen an, das vermutlich zwischen 3 bis 4 Euro liegt.

Frage: Was passiert mit den Konzepten, die entwickelt werden? Wie ist es mit einem Mitspracherecht?

Peter Schmitz: Wenn das Mitspracherecht nicht berücksichtigt würde „ist die OFFENE GANZTAGSGRUNDSCHULE zu Ende, bevor sie begonnen hat. Alle Beteiligten sind im Team gleichberechtigt.“

Ansgar Kieven: Selbstverständlich werden Teams in der Organisation und Konzeption beteiligt. Unsinnig sei es, wenn Eltern hier nicht eingebunden würden. Kieven, selbst in der Dürener Verwaltung mit dem Thema befasst, zitiert aus seinem Arbeitsalltag, wonach dieses Vorgehen praktiziert würde. Auch die Horte seien eingebunden, um die pädagogische Ausgestaltung zu begleiten. Eine Koordinationsgruppe würde gesamtstädtische die Überleitung führen.

Frage: Was ist, wenn sich keine 25 Kinder in einer Schule finden? Wird an diesen Schulen die OFFENE GANZTAGSGRUNDSCHULE dann nicht finanziert? Wie will die Stadt diese Situation lösen? Etwa mit einem Fahrdienst? Oder müssen die Kinder dann an eine Schule mit Ganztagsbetreuung wechseln?

Ansgar Kieven: Diese Probleme sind nur gesamtstädtisch zu lösen. Möglicherweise könne übergangsweise ein Fahrdienst eingerichtet werden. „Das ist ein Thema für den Arbeitskreis Offene Ganztagsgrundschule.“

Bemerkung aus dem Auditorium: Das Geld, das für die OFFENE GANZTAGSGRUNDSCHULE beantragt werden kann, komme ja letztlich auch der Schule selbst zugute, etwa, wenn Sportgeräte angeschafft würden.

Frage: Was ist jetzt genau das Thema: Ganztags- oder Übermittagsbetreuung oder Schule den ganzen Tag?

Franz-Josef Schroeder: Die OFFENE GANZTAGSGRUNDSCHULE stellt die Mittagsverpflegung sicher. Übermittagbetreuung sei kein fachlicher Begriff. Weiterhin werden das Projekt Schule von 8 bis 1 vom Land NRW gefördert, aber die Offene Ganztagsgrundschule soll der Regelfall sein.

Heinz Frey: Die OFFENE GANZTAGSGRUNDSCHULE sei eine Betreuung mit vielen Angeboten. „Für mich ist es keine Schule.“

Ansgar Kieven: Daher gab es von Anfang an Kritik an dem Begriff Offene Ganztagsschule. Sie setze sich zusammen aus drei Elementen: Der klassischen Beschulung, Übermittagbetreuung und Nachmittagsbetreuung. Die Schulen selbst legten auch fest, wie lange die Öffnungszeiten seien: Ob bis 16 Uhr oder länger. Wichtig sei, dass ein fester pädagogischer Ansprechpartner ab mittags zur Verfügung stünde.

Frage: Wenn kein pädagogisch geschultes Personal eingestellt würde, welche qualifizierte Förderung sei dann für die Kinder möglich?
Wo sind in diesem Konzept die Erzieher berücksichtigt, die ihre Stellen verlieren werden? Bislang sei nur von Eltern und Lehrern die Rede?
Was passiere mit den Kindern aus den fünf Horten, die in Jülich existierten, würden diese automatisch übernommen? Und wie seien die Aufnahmekriterien?

Ansgar Kieven zum Thema Stellung der Erzieher: In Düren würde eine Überführung des pädagogischen Personals in die OFFENE GANZTAGSGRUNDSCHULE praktiziert. Den Erzieherinnen würden konkret Stellen angeboten. Das müsse auch eine Prämisse für Jülich sein.

Peter Schmitz: „Ich habe Bedenken, ob das Hortpersonal 1 : 1 zu übertragen ist.“ Das sei ein Finanzproblem. Sicher sei aber, das jeweils ein pädagogischer Partner für die OFFENE GANZTAGSGRUNDSCHULE gesucht würde. „Wir dürfen nicht zu viel erwarten, wie sind noch am Anfang.“

Frage: Ist ein Sportangebot wie vorgesehen eigentlich möglich? Stehen genügend Hallenplätze zur Verfügung?

Peter Schmitz: Die Verwaltung hätte die Belegung der Sporthallen geprüft: „Bis 17 Uhr ist da noch einiges möglich.“

Frage: Bei den ehrenamtlich Engagierte: Wie wird die Qualifizierung garantiert oder wäre es lediglich eine „Verwahraktion“?

Ansgar Kieven: Das Gegenteil sei der Fall: Die Ehrenamtlichen könnten ausgesprochen qualifiziert und engagiert sein.

Frage: Wie sei die Qualität der Hausaufgaben-Betreuung etwa durch den SkF?

Peter Schmitz: Die Frauen vom SkF machen das schon sehr lange in Zusammenarbeit mit der Schule. Sie seien durchaus qualifiziert und die Schule sei von ihrer Arbeit begeistert.

Frage: Ist es gewollt, dass alle Schulen OFFENE GANZTAGSGRUNDSCHULE anbieten?

Heinz Frey: Es solle ein Ausbau der Betreuung am Nachmittag geschaffen werden. Das sei durch die Überleitung der Horte zur OFFENE GANZTAGSGRUNDSCHULE zu machen.

Ansgar Kieven: Wir sind klar für den Ausbau der Offenen Ganztagsgrundschulen.

Peter Schmitz: Der Ausbau der OFFENE GANZTAGSGRUNDSCHULE ist wünschenswert, muss aber den finanziellen Rahmenbedingungen angepasst werden. „Schnell ist eine Offene Ganztagsgrundschule eingerichtet und dann stellt man fest, dass sie sich nicht rentiert.“ Er wolle keine leichtfertigen Versprechen geben.

Frage: Die Bindung der Kinder an einen Platz in der OFFENE GANZTAGSGRUNDSCHULE gelte für ein Jahr. Was passiert, wenn nach einem Jahr keine 25 Kinder mehr für eine OFFENE GANZTAGSGRUNDSCHULE angemeldet würden.

Ansgar Kieven hält dies für unwahrscheinlich, außerdem sei die Bindung ja an die Jahrgänge gekoppelt.

Frage: Stichwort Vereinbarkeit Beruf und Familie. Das gehe nur, weil die Horte länger als bis 16 Uhr geöffnet hätten. Außerdem stelle sich die Frage, was mit den bis 14-jährigen passiere, die derzeit in Horten aufgefangen würden?
Ansgar Kieven: Die Öffnungszeiten würden die Schulen individuell entscheiden. Das ist ein gesamtstädtisches Problem, das im Arbeitskreis gelöst werden müsste.

Heinz Frey stellte klar, dass mit Öffnungszeiten bis 18 Uhr die 1,5 Stellen für Pädagogen nicht mehr ausreichen würden. Was die Kinder der weiterführenden Schulen beträfe, so gebe es klare Aussagen vom Land, die Ganztagsschule auf die fünften bis siebten Jahrgänge auszuweiten. „Das müssen wir dann einfordern“.

Peter Schmitz: Eine Ausweitung der Zeiten sei derzeit nicht zu leisten. Das sei aber ein Thema, das im Fachausschuss besprochen werden müsse.

Frage: Wie wird die Qualität kontrolliert und gemessen?

Ansgar Kieven: Die Pädagogische Fachberatung sei hier, wie bislang auch, zuständig.

Peter Schmitz: Die Schulen blieben ja weiterhin städtisch und damit fielen sie unter die Kontrolle des Schulamtes. „Die beste Kontrolle üben aber die Eltern aus.“ Das meiste regele sich an den Schule selbst.

Frage: Horte verfolgen pädagogische Konzepte. Wie dies bei den OFFENE GANZTAGSGRUNDSCHULE sei?

Ansgar Kieven: Der pragmatische Ansatz sein, dass Kriterien selbst erarbeitet werden müssten, die abgefragt würden und so Standards selbst definiert würden.

Heinz Frey: Seit einem Jahr hätte die Stadtelternschaft bereits Kriterien erarbeitet, die in der Schublade griffbereit lägen.

Frage: Wie steht es mit den Einzugsgebieten für die Kinder: Ist die Wahl der OFFENE GANZTAGSGRUNDSCHULE gebunden an die Schulwahl? Bei den Horte herrscht Wahlfreiheit.
Antwort: Ja, das Kind geht am selben Ort zur Schule und Offenen Ganztagsgrundschule.

Frage: Ehrenamt heißt meist, dass die Arbeit nach Dienstschluss geleistet wird. Man ginge also davon aus, dass es genügend arbeitslose qualifizierte Ehrenamtler gebe, die sich vor 16 Uhr in der OFFENE GANZTAGSGRUNDSCHULE einbrächten.

Peter Schmitz: Eine OFFENE GANZTAGSGRUNDSCHULE würde nur eingerichtet, wenn das Konzept stimme und das schließe auch das Personalkonzept ein.

Frage: Ob tatsächlich die Zahl: Eine Lehrerstelle für 250 Kinder stimme?

Heinz Frey: 1240 Euro pro Kind und Jahr kostet ein Platz in der OFFENE GANZTAGSGRUNDSCHULE. Davon würde eine pädagogische Kraft für eine Gruppe von 25 Kindern beschäftigt. Diese verdiene 28.000 Euro, und schließlich sei es ja kein Vollzeitjob.

Ansgar Kieven konstatierte, die Einwände seien zwar richtig, aber schließlich würden landesweit bereits 750 Schulen die OFFENE GANZTAGSGRUNDSCHULE anbieten. „Wir müssen das Rad nicht neu erfinden, wir können auf vielfältige Konzepte zurückgreifen.“

Frage: Können – wie im Hort – die Kinder, wenn sie außerhalb der Schule Angebote wahrnehmen sollen, Sportverein, Kindergeburtstage, Musikunterricht, früher abgeholt werden, wie es derzeit im Hort möglich ist?

Heinz Rombach erklärte für die GGS Nord: Die Eltern verpflichteten sich, ihre Kinder bis zum Ende in der Schule zu lassen. Wie Ausnahmen gestaltet würden, müsse man sehen. „So flexibel wie im Hort oder Kindergarten geht es aber nicht.“

Frage: Führt der Weg über die Offene Ganztagsgrundschule zur Ganztagsschule?

Ansgar Kieven: „Ich glaube, das wird Realität. Wir sind auf dem Weg dorthin.“

Peter Schmitz: Bislang hätte ein dreigliedriges Schulsystem ausgereicht. Zunehmend seien aber Defizite da – auch in der Hochbegabten-Förderung. „Den Raum hat Schule von 8 bis 1 nicht.“ Fast alle Länder der Erde würden die Ganztagsschule anbieten. Es müssen mehr Lehrer her, perspektivisch bis 2015.

Frage: Wie wird sichergestellt, dass die Förderungswürdigen, die Förderung in der OFFENE GANZTAGSGRUNDSCHULE auch bekommen?

Franz-Josef Schroeder: Jugendhilfe und Schulen sollen näher zusammenrücken. Für die Praxis seien die Lehrer, für die Finanzierung die Institutionen zuständig. Zusammenrücken sollten auch Schulen und Kindergärten, damit schon im Vorfeld der Bedarf an Förderung geklärt würde.

Frage: Fließen die Mittel aus den Horten später der OFFENE GANZTAGSGRUNDSCHULE zu?

Heinz Frey: Das sei die politische Entscheidung „sonst würde es gar nicht gehen.“

Franz-Josef Schroeder: „Das geht in Jülich nicht automatisch, da ist der Kreis Düren dazwischen.“

Ansgar Kieven: Die politische Absicht sei die Umschichtung der Finanzen.

Peter Schmitz betont, es sei wünschenswert, aber das sei erst zu prüfen. Schließlich seien mehrere Beteiligte zu berücksichtigen.

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