Ansprache zur Ausstellung im Hexenturm "Natur und Technik"
Von Dr. Volker Uttenweiler

Dr. Volker Uttenweiler

Dr. Volker Uttenweiler

Reden ist Silber, Schweigen Gold – und wer mich kennt, weiß, wie sehr ich das beherzige. Aber frisch geputzt glänzt auch Silber nicht schlecht und außerdem muss ich jetzt reden, nämlich mich bedanken und zwar als erstes beim Jülicher Kunstverein und seiner Vorsitzenden Frau Dr. Leyens, nämlich für die Ehre dieser Ausstellung in diesem altehrwürdigen Gemäuer. Es sind dies Fotos – und genau das ist dann auch schon mein wunder Punkt: Denn wenn ich meine Arbeit mit dem Arbeitsaufwand der bildenden Künstler vergleiche, ja dann beschleicht mich gleich die Demut, denn ich führe den Pinsel nur zum Abstauben meiner Linsen und dann brauche ich meine Leinwand nur noch ruhig zu halten – und den Rest mache dann nicht einmal ich, sondern das Licht in einer hundertstel Sekunde.

Dann danke ich Herrn Bode für seine brillante Einführung. Ja, lieber Karl, alle haben an deinen Lippen gehangen und ich beginne jetzt so langsam zu verstehen, warum ich so gut bin. Und ich danke Dir, auch wenn mich mit deinem Loblied auf meine Kunst immer wieder hast erröten lassen, nur dass man das bei mir hinter der Fassade des biederen Schwaben eben nicht so sieht.
Lieber Herr Bertrams, ich danke Ihnen sehr für Ihr kommen; Ihr den klaren Worten habe ich nichts hinzuzufügen. Und was die Fotos anbetrifft – ich habe noch mehr in meiner Sammlung! –, so hoffe ich, dass Sie und Rheinbraun, bzw. RWE-Power an meiner Sicht der Dinge Ihren gefallen finden.
Und schließlich auch Dank an die Presse! Sie haben jetzt die Möglichkeit, weit hinaus zu tagen, dass Jülichs Bodenschätze nicht nur unter der Erde ruhen, sondern auch offen zutage liegen – für den, der sie sieht.

Reden ist Silber, Schweigen Gold… und jetzt denken Sie bestimmt, mit so einer Floskel schicke ich Sie schon nach Hause – weit gefehlt!… Nein, Schweigen ist eben nicht immer Gold, sondern unter Umständen sogar Sünde: schweigen dürfen die Mönche im Kloster und von mir aus auch in der Kirche die Frauen; aber hier sind wir im Hexenturm, und jetzt vor Euch, Euer Ehren, die Ihr heute Abend über mich zu Gericht sitzt, nicht den Mund aufzumachen, so als hätte ich etwas zu verbergen, das hieße doch, von vornherein jedes Recht auf ein mildes Urteil zu verwirken!

Und so will ich Ihnen jetzt gestehen, dass diese Bilder hier schon an einem seidenen Fädchen hingen – ja! fast stünden wir hier jetzt vor kahlen Wänden! Denn im letzten Moment fiel mir doch siedend heiß ein, dass ich für das Zeigen dieser Fotos ja gar keine Berichtigung hatte. Ich machte mich also kundig, begab mich ins RWE-Power-Hauptquartier Niederzier/Hambach, sozusagen in die Höhle des Löwen, bzw. wie Daniel in die – nein, Kohlengrube. Bemühte mich schon im Vorzimmer gewinnend aufzutreten und legt dann meine DinA4-Mappe mit ungefähr 40 Fotos auf den Tisch. Während Herr Bertrams sich Foto für Foto kritisch betrachtete, überlegte ich, was er mir wohl gleich sagen würde, ja, was er überhaupt sagen könnte.

Also, dachte ich, er könnte jetzt sagen: „Herr Doktor… Sie wissen’s ja selbst…: alles illegal… alles fotografiert auf Werksgelände… notorischer Hausfriedensbruch! … an sich müssten wir Ihnen alle Filme abnehmen und Sie anzeigen!… Und jetzt möchten Sie damit auch noch an die Öffentlichkeit…!!!

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Begeisterung für die "Sophienhöhe"

Begeisterung für die "Sophienhöhe"

Weiterblätternd könnte er dann aber vielleicht doch noch sagen: „Andererseits, wenn ich’s mir so überlege, wenn hier einmal alles voller Wasser steht, wenn da zwischen monotonen Zuckerrüben einmal Seen in der Sonne wie Spiegel blinken, wenn die Leute dann von weither kommen, wenn hier womöglich sogar einmal die Olympischen Sommerspiele stattfinden – die Winterspiele an der Sophienhöhe mit den natürlich von uns gesponserten Schneekanonen sowieso –, ja dann könnte es durchaus interessant werden, wie es hier früher einmal aussah…“

Genau das, meine lieben Kunstfreunde hätte Herr Bertrams alles sagen können – aber gesagte hat er es dann natürlich nicht. Er sagte nur: „Die Bilder sind in Ordnung, Sie können Ihre Ausstellung machen, und wenn Sie mich einladen, komme ich“, worauf ich genauso kurz und bündig „Vielen Dank – und auf Wiedersehen!“ sagte und mit meinem Packen hoch erleichtert davonzog.

Schließlich will ich Ihnen noch kurz erklären, wie es überhaupt zu diesen Aufnahmen kam: Und um jetzt nichts Falsches zu sagen, und um dabei nicht auch noch ins Schwärmen zu geraten, halte ich mich jetzt an das geschriebene Wort: Also: ein Blick so um 1980 vom schon entvölkerten Lich-Steinstraß aus hinauf zu diesem so bizarr aufgetürmten Erdmassen mit diesen stählernen Monsterkraken mitten drauf führte bei mir zur optischen Initialzündung – ab dann ließ mich der Tagebau einfach nicht mehr los: Meine Streifzüge um die Sopienhöhe herum wurden für mich jedes Mal zur Erkundungsreise, zur Entdeckungsreise über Erde und Gestein, und über Wurzeln und Äste, die vor Millionen Jahren zuletzt die Sonne sahen und heute aussehen wie die angekohlten Reste eines gerade abgekühlten Lagerfeuers. Diese frisch abgebaggerten Kiese, Mergel, Tone und die in der Sonne blenden weiß aufleuchtenden Quarzsände betrat ich geradezu ehrfürchtig – als erster Mensch –, mein Vorgänger, wenn er überhaupt schon aufrecht ging, höchstens ein Affe. Und was mich nach wie vor magisch anzieht an dieser von kilometerlangen mystischmonotonen Förderbändern immer wieder neu aufgeschütteten Urlandschaft, die durch frisch Aufkeimendes in Windeseile zur zweiten Natur wird – was mich da immer wieder hinzieht, das ist die Stille und die Weite – ohne Beengung und Gängelung durch Straßen Ampeln, Wege, Zäune, Gräben, Wesen, Äcker – auf deutsch: hier fand ich meine kleine Freiheit als der atavistische Jäger, der wie einst unser Ötzi ganz allein über Stock und Stein stapfte, und immer wieder auf der Hut – vor allem vor dem Werkschutz! Ich war der Jäger, der seine Beute durch den Sucher anvisiert und dann per Auslöser erlegt– und der dann seine Trophäen hier im Hexenturm an die Wand hängt – Ihnen zu Gefallen; das hoffen jedenfalls der Jülicher Kunstverein, alle Helfer – und ich…


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