Laudatio zur Verleihung des Goldenen Apfels an Conrad Doose
Von Prof. Dr. Udo Mainzer

Ich weiß natürlich, wer Herr Doose ist; auch bin ich ihm schon mal begegnet. Doch habe ich keinen regelmäßigen Kontakt mit ihm. Also: ich kenne ihn eigentlich nicht näher! Dieser Tatbestand könnte leicht zu dem Schluss führen, meine Rolle hier als Lobredner sei nur schwerlich, wenn nicht gar unmöglich wahrzunehmen. Ich glaube jedoch, das Gegenteil ist richtig. Denn so kann ich jetzt ganz unbefangen reden, den zu Lobenden aus neutraler Distanz würdigen, ohne eine zu persönliche Verbindlichkeit und ohne irgendeine dem Sich-bestens-kennen entsprungene Verpflichtung. Sie sehen, ich habe die Chance zu einem Höchstmaß an Objektivität, was mich in den Ruf bringen mag, nun möglicherweise die Wahrheit zu sagen. Ich tue das natürlich nicht nur gerne, sondern ich empfinde die Einladung, Herrn Doose zu seiner Auszeichnung zu laudatieren, meinerseits als eine Auszeichnung.

Da gibt es Fernsehveranstaltungen, in denen Menschen mit großem inszenatorischen Effekt gefragt werden, was ihnen ganz spontan zu einer bestimmten – in der Regel prominenten – Person als besonders Hervorzuhebendes einfalle. Wäre mir ein solches Glück bezogen auf Herrn Doose beschert, würde ich sofort antworten: Sein vielfältiges Engagement für die Stadt Jülich, vornehmlich in seiner glanzvoll ausgeübten Funktion als langjähriger Vorsitzender des Fördervereins „Festung Zitadelle Jülich e. V.“ Liest man die regelmäßig von Herrn Doose verfassten Tätigkeitsberichte dieses „seines“ Vereins, so gewinnt man unvermittelt den Eindruck, Herr Doose betreibe Denkmalpflege, Marketing und Öffentlichkeitsarbeit für Denkmalpflege und ausgewählte Denkmäler im Hauptamt und der Verein sei – gemessen an der Vielzahl seiner Aktivitäten – ein von ihm professionell geführtes Amt, das als kompetenter Dienstleister für die Gesellschaft, für die Stadt und namentlich die Zitadelle Jülich arbeitet.

Aber das alles stimmt so überhaupt nicht. Die Wahrheit nämlich ist: Was Herr Doose in jenem Zusammenhang leistet, ist weit mehr als Amt, denn alles geschieht im Ehrenamt! Der Begriff ‚Ehrenamt’ kommt übrigens erstmals in der 1859 erlassenen Landgemeindeordnung für Westfalen vor und bezieht sich dort auf das Amt des Gemeindevorstehers. Seitdem hat dieser Begriff einen Verständnis- und Bedeutungswandel erfahren und meint heute zumeist bürgerschaftliche Partizipation und projektbezogene Selbstverwirklichung. Im Verhältnis zur Denkmalpflege hat das Ehrenamt zudem eine noch länger zurückreichende Tradition. Denn im Entstehungsprozess und weiteren Werdegang der organisierten und dann institutionalisierten Denkmalpflege in Deutschland spielte das Verhältnis von Amt und Ehrenamt nicht nur eine entscheidende Rolle, mehr noch: Das offizielle Amt erwuchs aus dem Ehrenamt, das öffentliche Amt hatte sich bekanntlich erst im Verlaufe eines längeren Prozesses aus dem Ehrenamt entwickeln können.

Aufklärung und Romantik im revolutionären Übergang vom 18. zum 19. Jahrhundert, gesellschaftliche Verunsicherung durch die rasch wachsende Industrialisierung und schließlich das durch diese Umwälzungen veränderte Verhältnis zur Geschichte hatten damals in Ablösung feudaler Kulturhoheit eine Bewegung entfacht, bei der private Kräfte für das vielfältige Kulturgeschehen eine tragende Verantwortung übernehmen sollten. Im Rheinland beispielsweise waren namhafte Persönlichkeiten wie der letzte Rektor der alten Kölner Universität Franz Ferdinand Wallraf, die Sammler Franz Pick und die Brüder Boisserée sowie der Kölner Patrizier Eberhard von Groote wichtige Wegbereiter für ein allgemeines Denkmalpflegebewusstsein und vor allem waren sie konzeptionelle Vordenker für eine amtliche Denkmalpflege. Ich erwähne diese um die Etablierung der Denkmalpflege höchst verdienten Persönlichkeiten allein deshalb, um zu zeigen‚ in welch ruhmreicher Tradition Herr Doose steht und in welch nobler Gesellschaft er sich befindet. Mehr noch, von der er sich durch die Auszeichnung mit dem „Goldenen Apfel“ sogar noch in besonderer Weise hervorhebt.

Die vielfältigen Bestrebungen im Verlauf des 19. Jahrhunderts zur verbindlichen Etablierung des gesellschaftlichen Anliegens und der organisierten Erfüllung von Aufgaben der Denkmalpflege vereinigten sich im Rheinland prototypisch in der Gestalt von Paul Clemen, dem ersten rheinischen Provinzialkonservator, also meinem Vorgänger. Namentlich in seiner Person waren Ehrenamt und Amt in großer synergetischer Vitalität in- und miteinander verschmolzen. Während Clemen die Kunstdenkmäler-Inventarisation in der Rheinprovinz seit ihren Anfängen im Jahr 1892 in besoldeter Funktion wahrnahm, war das Amt des Provinzialkonservators, in das man ihn 1893 erstmals für fünf Jahre gewählt hatte, dagegen „nur“ ein Ehrenamt.

Gleichzeitig brachten die zur damaligen Zeit zahlreich aufkeimenden Heimatvereine und die Heimatschutzbewegung um 1900 einen besonderen Elan ehrenamtlichen und bürgerschaftlichen Wirkens für denkmalpflegerische Ziele, auch wenn dabei die Zivilisationskritik und die Heimatidee als Beweggründe im Vordergrund standen. Dabei wesentlich waren die Pflege und Weiterentwicklung des traditionellen ländlichen und bürgerlichen Bauwesens und die Erhaltung des Landschaftsbildes. Vor allem mit letzterem Ansinnen rückte das neu erwachte Bewusstsein für den Naturschutz mit seinen Initiativen in eine enge Verwandtschaft mit denen des Denkmalschutzes, wie nicht zuletzt der bis Ende der 1920er Jahre gängige Begriff ‚Naturdenkmalpflege’ offenkundig macht. Eine Entwicklung, wie wir sie heute offenkundig in ähnlicher Weise wiederum wahrnehmen, vor allem aber eine Entwicklung, auf die der von Herrn Doose geführte Verein taktisch und strategisch wohl überlegt – und mit Erfolg – reagiert.

Die politischen und gesellschaftlichen Veränderungen infolge der 1968er Bewegung in der Bundesrepublik Deutschland stärkten auch im Bereich der Denkmalpflege bürgerschaftliches Engagement und förderten die Entstehung von Initiativen, die sich denkmalpflegerischen Projekten widmeten. Jene zahlreichen Aktivitäten erhielten durch zwei- wenngleich sehr gegensätzliche - Tatbestände vehementen Auftrieb: Das Städtebauförderungsgesetz von 1971 und das Europäische Denkmalschutzjahr 1975. So waren die 1970er Jahre auch in der Denkmalpflege vielfach geprägt von Aktivitäten aus freiwilligen Zusammenschlüssen von Interessierten und Engagierten, aus Bürgerinitiativen, Nachbarschaftsgruppen, in denen sich auch ein neues Selbstverständnis im Verhältnis zum und im Umgang mit dem Denkmälerbestand offenbarte.

Häufig waren und sind Bürgerinitiativen oder auch Interessengemeinschaften die bevorzugte Plattform, um Ziele zum Wohle von Denkmälern zu artikulieren und letztendlich tunlichst auch durchzusetzen. Sind jene erreicht, erlischt mitunter das ehrenamtliche Engagement. Das unterscheidet solche Aktivitäten von denen der Vereine, die zumeist auf der Grundlage ihrer Satzung Gewähr für eine kontinuierliche Arbeit bieten. In diesem Kontext kann sich die ‚emotionale’ Energie der Ehrenamtlichen mit der ‚rationalen’ Kraft der hauptamtlichen Denkmalpfleger bestens ergänzen. Eine Feststellung, die in der Person von Herrn Doose auf beispielgebende Weise ihre leibhaftige Bewahrheitung erfährt.

In Deutschland sind gegenwärtig über zwei Millionen Menschen ehrenamtlich im Kulturbereich tätig. Bei der zunehmenden Zahl an Publikationen zu diesem Thema fällt jedoch auf, dass zwar Musik-, Heimat-, Literatur- und viele andere Kulturvereine neben

Werbung

Museen, Theatern, Bibliotheken, Kulturzentren und Bürgerhäusern im Rahmen ehrenamtlich–bürgerschaftlichen Engagements eine erhebliche Rolle spielen, Denkmalschutz und Denkmalpflege dagegen so gut wie gar nicht erwähnt werden.

Auch wenn die gesellschaftlichen Modernisierungsprozesse der 1980er Jahre mit ihren Folgen zu einer größeren Individualisierung und Enttraditionalisierung möglicherweise zu einem Abebben einer dem Gemeinwohl dienenden ehrenamtlichen Tätigkeit geführt haben sollten, so hat die Finanznot der öffentlichen Haushalte seit dem Ende des 20. Jahrhunderts die Ehrenamtsdiskussion neu belebt. Insbesondere das ‚Internationale Jahr der Freiwilligen und des Ehrenamtes’ 2001 vermochte in Verbindung mit dem Bericht der Bundestags-Enquete-Kommission zur Zukunft des bürgerschaftlichen Engagements im selben Jahr, in der fachpolitischen Diskussion eine allgemein wiedererstarkte Sensibilisierung für die Belange und Möglichkeiten bürgerschaftlicher Kultur- und Denkmalverantwortung zu erzeugen. Doch gilt es dabei sehr verantwortungsbewusst darauf zu achten, dass private Initiativen und ehrenamtliches Wirken gewiss Ermahnung und Ansporn für Staat und Kommunen sein können, ja sein sollen, aber nicht als Ersatz für deren Pflichten missbraucht werden dürfen.

Nun hat Herr Doose seine heutige Auszeichnung ja nicht von einer amtlichen, vereinlichen oder privaten Denkmalpflegeorganisation zugesprochen bekommen. Träger der Ehrung ist die Werbegemeinschaft Jülich e.V., die Vereinigung der Jülicher Kaufleute. Mit anderen Worten: Eine Institution, die eigentlich wirtschaftliche und merkantile Interessen verfolgt, ehrt Verdienste, die für und um Denkmäler von Herrn Doose erworben wurden. Ein solcher Vorgang vermag im übrigen nicht zuletzt verdeutlichen, wie sehr Denkmäler und die um sie bemühte Denkmalpflege auch eine beachtliche Wirtschaftskomponente darstellen. Denn längst ist erwiesen, in welch hohem Maße Denkmäler eine wichtige Rolle spielen können, beispielsweise als weicher Standortfaktor. Denkmalpflege sichert und schafft außerdem Arbeitsplätze vornehmlich beim Handwerk und in anderen mittelständischen Betrieben. Wer sich also wie Herr Doose für die Erhaltung und sinnvolle Nutzung von Baudenkmälern engagiert, erbringt gleichzeitig einen essentiellen Beitrag für die ökonomische Konsolidierung unserer Gesellschaft.

Mit seinem großen Engagement zur Förderung allgemeinverständlicher Veröffentlichung hat sich Herr Doose in unseren mannigfach beklagenswerten PISA-Zeiten auch als Bildungspromoter Anerkennung erworben. Seine von ihm organisierten und vielbesuchten Veranstaltungen müssen auch unter dem Aspekt der Pflege menschlicher Kommunikation und eines gewissen Brauchtumsbedürfnisses verstanden werden. Dafür gebührt ihm Dank. Vielleicht ebenso deshalb, weil solches Handeln vorzüglich dazu dienen kann, Integrationsbemühungen nachhaltig zu stützen.

Sie sehen, Aktivitäten um und für Denkmäler wirken sich vielfältig positiv auf die Gesellschaft aus. Und auf noch einen weiteren mir wichtigen Punkt möchte ich zu sprechen kommen, der ein gutes Licht auf das Wirken von Herrn Doose wirft. Schon seit einiger Zeit finden sich spontan Förderer und Sponsoren, sei es als Einzelkämpfer oder als vereinlich formierter Stoßtrupp, die dafür streiten und Gelder requirieren, die allein dazu dienen sollen, pflegeleichte Re-Makes, architektonische Re-Zitate, bauliche Replikate oder andere Fakes wie Phoenix aus der Asche entstehen zu lassen. Derlei sogenannte Rekonstruktionen längst untergegangener, bisweilen nie zuvor existenter Bauten erfreuen sich bis in die Spitze unseres Staates größter Beliebtheit. Sie werden politisch reichlich gefordert und gefördert. Oftmals sind sie in der Bevölkerung gewissermaßen Inbegriff von Denkmalpflege. Doch haben solche Aktionismen in der Regel mit Denkmalpflege überhaupt nichts zu tun. Im Gegenteil: Sie degradieren real existierende Denkmäler zu einer willkürlich manipulierbaren Verfügungsmasse, die man nach Belieben abbrechen, verändern, verbrauchen, versetzen oder verschlimmbessern kann.

Herr Doose hat sich auf wohltuende Weise einem derartigen Mainstream versagt. Er weiß darum, dass Verlorenes nicht leichter Hand zu ersetzen ist und dass Neues in Nutzung und vor allem in der Gestalt die Sprache seiner jeweiligen Zeit reden muss, um glaubwürdig zu bleiben. Die Glaubwürdigkeit insbesondere ist es, die es rechtfertigt, dem Reden, Schreiben und Wirken von Herrn Doose mit angemessenem Respekt zu begegnen. Ihm gebührt – auch von mir ganz persönlich - für die ihm verliehene Auszeichnung ein von Herzen kommender Glückwunsch. Zu diesem soll sich sehr nachdrücklich für unsere Gesellschaft im öffentlichen wie privaten Bereich der Wunsch gesellen: Nicht Eiferer, sondern recht viele Nacheiferer mögen sich von dem vorbildlichen Beispiel, das Herr Doose seit etlichen Jahren gibt, begeistern und beflügeln lassen!


Dies ist mir was wert:    |   Artikel veschicken >>  |  Leserbrief zu diesem Artikel >>

NewsletterSchlagzeilen per RSS

© Copyright