Ansprache zur Eröffnung des Sales-Hofes
Von Pater Provinzial Thomas Vanek [31.07.2013, 14.06 Uhr]

Pater Provinzial Thomas Vanek

Pater Provinzial Thomas Vanek

Was bewegt einen Orden der katholischen Kirche, sich ein solches Projekt wie diesen Franz von Sales Hof zu leisten? Man kann noch umfassender fragen: Was bewegt die gar nicht so bekannte Ordensgemeinschaft der Oblaten des hl. Franz von Sales, diesen Campus von Wissenschaft, Bildung, Kultur und Kunst in Haus Overbach zu betreiben? Schließlich zählen wir Oblaten des hl. Franz von Sales weltweit ca. 500 Ordensmitglieder, wobei sich die an Mitgliedern zunehmenden Regionen/Provinzen nicht hier in Europa befinden, sondern in Asien und Lateinamerika.

Die deutschsprachige Provinz ist im Schrumpfen, der Altersdurchschnitt der Mitbrüder spricht eine eindeutige Sprache. Warum also haben wir Sales-Oblaten uns vor einigen Jahren das Science Collage geleistet und heute eröffnen wir einen weiteren Trakt dieses Bildungs- und Tagungsortes Haus Overbach? Einen Trakt, der auch für mittelfristige Wohnbedürfnisse geeignet ist und der – wie Sie sich im Anschluss an diese Feier selbst überzeugen können – ein Unikat an Innenarchitektur ist, komfortabel, geräumig - und ebenso provokativ und mutig, wenn man an die Zimmer im Dachgeschoss denkt?

Es gibt pragmatische und ideelle-visionäre Antworten auf diese Frage. Vielleicht beginne ich mit den wichtigsten pragmatischen Antworten.

Der Franz von Sales Hof war das Internatsgebäude von Haus Overbach, das 2012 geschlossen wurde. Brandschutzmaßnahmen erforderten einen grundsätzlichen Eingriff in den Baukörper, gleichzeitig stand die Zukunft des Internates in Frage. Aus personellen und wirtschaftlichen Gründen. Wir entschlossen uns nach langen Diskussionen in der Ordensleitung und nach einem Organisationsentwicklungsprozess zunächst für eine an die nun neu errichtete G8 Form in NRW anschließende Kollegstufe. Sie sollte eine Art Zwischenstufe für die nun jüngeren Abiturienten sein. Ausgehend vom MINT-Schwerpunkt, der ja mit dem Science Collage hier in Haus Overbach vorgegeben ist, dachte man ein Curriculum, das den jungen Menschen helfen sollte, einerseits eine gute Wahl für ein naturwissenschaftliches Studium zu treffen, andrerseits auch die nun ein Jahr früher aus der Schule entlassenen jungen Menschen in ihrer Persönlichkeitsentwicklung zu fördern.

Allerdings wollte man nicht eine Institution fördern, die das gerade erst abgeschaffte 9. Gymnasialjahr wieder unter einem anderen Titel einführt. Dass es uns allerdings nicht nur um eine Wissensvermittlung sondern um eine ganzheitliche Förderung und Bildung im Sinne der spirituellen und sozialen Kompetenz der jungen Erwachsenen ging, wurde dabei zu wenig beachtet. Leider sind unsere politischen und öffentlichen Argumente heute auch viel zu viel pragmatisch, weil (leider) Wirtschaftlichkeit und Finanzen heute überall Priorität hat. Was die ganzheitliche Bildung eines Menschen betrifft und sie fördert, wird zwar von allen Seiten als wichtig gesehen, bleibt aber dann doch meist der individuellen Gewichtung der jungen Menschen und deren Eltern überlassen.

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Was Haus Overbach mit allen Einrichtungen seit Jahrzehnten allerdings ausmacht, ist nicht ein Betrieb, der zu funktionieren hat. Solch einen Betrieb hätten wir Ordensleute uns niemals aufgebaut, weil wir kein Wirtschaftsunternehmen sind, sondern eine Einrichtung, die auf die Seele des Menschen schaut und nicht darauf, wie man möglichst schnell reich wird. Zugegeben, der Orden hat dieses Haus Overbach als Internatsschule vor fast 100 Jahren begonnen. Es war bei allen Orden üblich, dass sie aus eigenen Schulen den Nachwuchs rekrutierten. Dennoch hat sich spätestens in den letzten 20 bis 30 Jahren dieses Motiv keineswegs mehr halten lassen. Die Frage war, welche Motivation trägt unsere Bildungseinrichtungen noch? Und weil Not immer in die Tiefe der Existenz führt, wurde uns viel mehr noch bewusst, dass wir einen pädagogischen und spirituellen Auftrag im Bereich der Bildung haben.

Der hl. Franz von Sales als christlicher Humanist gibt uns da eine ganze Bandbreite an Argumenten, die es sinnvoll machen, den Menschen von den Augen Gottes her zu betrachten, ihn mit dem liebevollen Blick Gottes anzuschauen. Aus dem göttlichen Blick erhält der Mensch Wertschätzung und Würde, die ihm von Anfang seines Lebens an ausstattet und ihm durch nichts genommen werden kann. (Wie Sie merken, sind wir jetzt schon über die pragmatischen Argumente hinausgekommen!) Franz von Sales betont in seinen Schriften den Naturbezug des Menschen, seine Eingebundenheit in die Schöpfung, sein Ganzsein in Gott. Nicht ohne Grund bezeichnet er den Menschen als die Vollendung des Weltalls, den Geist als die Vollendung des Menschen, die Liebe als die Vollendung des Geistes und die göttliche Liebe als die Vollendung der Liebe. (Gerade diesen Gedanken hat Papst Benedikt XVI. in seiner Ansprache über den hl. Franz von Sales bei einer Generalaudienz im März 2011 eigens hervorgehoben.)

Daraus ergibt sich eine klare Verbundenheit, eine Vernetzung zwischen dem Göttlichen und dem Irdischen, zwischen dem Übernatürlichen und Natürlichen. Franz von Sales ist kein Befürworter eines dualistischen Denkens – da Gott und da der Mensch. Das widerspricht ja der Menschwerdung Gottes. Und weil Gott selbst Mensch wird, hat der Mensch die Fähigkeit Göttliches zu erkennen, Sinnzusammenhänge zu erkennen und daraus auch eine Ethik der Wertschätzung von Mensch und Natur zu entwickeln, d.h. Wissenschaft und Forschung als sinnstiftendes Tun zu sehen – und nicht nur vom Nützlichkeitsstandpunkt ausgehend ständig die Grenzen des Zumutbaren auszureizen!

Als salesianische Ordensgemeinschaft sehen wir unseren Auftrag darin, den Wert des Menschen und der Natur aus dem Blickwinkel Gottes zu fördern, zu vernetzen und zu verbinden, wo diese Zusammenhänge auseinanderbrechen. Das wollen wir mit diesem Gebäude fördern. Und nicht nur die Wissenschaft, auch die Kunst und Kultur darf und soll hier Heimat haben. Denn die Kreativität des Menschen, die Gottes Merkmal in ihm ist, erschöpft sich nicht nur in der Forschung, sondern auch in der Kunst und Kultur. Was dieser Franz von Sales Hof bewirken will – er soll ein Ort der Begegnung sein – der Begegnung kreativer Menschen, die mit Optimismus die Welt sehen und ihre Zukunft verantwortungsbewusst gestalten wollen.

Für uns Oblaten des hl. Franz von Sales bleibt der Wunsch, dass dieses Gebäude angenommen und ausgelastet wird. Wir haben es umgebaut und eingerichtet, weil wir daran glauben, dass eine freundliche Atmosphäre, angefangen von der Baulichkeit bis hin zur Versorgung ein wichtiges Element ist, um die Freundlichkeit der Menschen zu fördern und damit die Freude an der Arbeit, an der Bildung und an der Begegnung. Ich bitte Sie, die Kunde von dieser Möglichkeit, hier im Franz Sales Hof einzukehren, hinaus zu tragen. Sie helfen uns nicht nur, dieses Haus auszulasten und zu finanzieren, sondern sie unterstützen uns auch in unserem christlichen Auftrag, den wir hier wahrnehmen wollen.

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